Ankündigungswettlauf Das Rennen der IT-Konzerne um die ChatGPT-Konkurrenten

Ein Android-Smartphone vor dem Blogpost zu Googles Bard: Künstliche Intelligenzen, wohin man auch schaut
Foto: IMAGO/Jonathan Raa / IMAGO/NurPhotoEs schien alles so gut geplant. Vor einer knappen Woche hatte Google Einladungen an die Presse verschickt. Am kommenden Mittwochnachmittag wolle man in Paris zeigen, »wie Google Innovationen im Bereich künstlicher Intelligenz nutzt, um neu zu gestalten, wie Menschen nach Informationen suchen und mit ihnen interagieren«, hieß es darin.
Dann meldete sich das Unternehmen plötzlich schon am Montagabend. Per Blogpost veröffentlichte es seine Pläne für einen Chatbot namens Bard, die Integration neuer KI-Funktionen in seine Suche sowie für Programmier-Schnittstellen, mit denen auch externe Entwickler die Google-KI in ihren Anwendungen nutzen können. Details zu den geplanten Systemen waren dem Blogpost indes nicht zu entnehmen.
Es fehlte auch die Information, weshalb Google diese Informationen schon am Montag und nicht, wie erwartet und geplant, am Mittwoch veröffentlicht hat. Aber man kann ja spekulieren.
Wer wusste von wem?
Wahrscheinlich hat man auch bei Google mitbekommen, dass Microsoft vergangene Woche ebenfalls Einladungen an die Presse verschickt hat. Der Windows-Konzern hat Milliarden in OpenAI investiert, die Firma, die den Textgenerator ChatGPT entwickelt hat, der derzeit täglich für Schlagzeilen sorgt. Es lässt sich vermuten, dass Microsoft Details vorstellen will, wie die Technik seine Bing-Suche attraktiver machen soll. Und dass die künstliche Intelligenz in die Bürosoftware Microsoft 365 integriert werden soll, um den Umgang mit Programmen wie Word und Excel zu vereinfachen.
Möglich also, dass Google dieses eine Mal einfach schneller sein wollte, das Thema für sich okkupieren wollte, wenigstens in dieser Woche. Denn, das ist symptomatisch für die Situation, plötzlich muss alles schnell gehen, sehr schnell. So scheint es jedenfalls, wenn man betrachtet, wie Milliardenkonzerne versuchen, sich an der Konkurrenz vorbeizudrängeln.
Duplex und Lamda
Dabei war Google das Thema eigentlich mit reichlich Ruhe angegangen, sah sich mit seinen für KI-Anwendungen entwickelten Tensor-Chips und seiner KI-Forschung offenbar weit vor allen anderen. Schon im Jahr 2018 stellte das Unternehmen ein Duplex genanntes Sprachmodell vor, das per Telefon Reservierungen in Restaurants und bei Friseuren vornehmen konnte, ohne dabei von seinen Gesprächspartnern als KI erkannt zu werden. Aus Furcht, das System könnte missbräuchlich genutzt werden – etwa für Telefonbetrug –, blieb es bisher bei Testläufen.
Im Jahr 2021 ließ das Unternehmen auf seiner Entwicklerkonferenz eine KI, die ChatGPT ähnlich scheint, Gespräche führen, in denen sie sich mal als Papierflieger, mal als der Planet Pluto verstand. Das Publikum applaudierte beeindruckt von dem, was Googles »Language Model for Dialogue Applications «, kurz LaMDA, da vorführte. Jedenfalls bis Google einräumte, dass es sich um eine Aufzeichnung handelte. Auch daraus ist bis heute nicht viel mehr gesehen geworden als eine Technikdemonstration.
Einen Hinweis, warum das alles länger dauert, als man gehofft haben mag, gibt Sundar Pichai nun in seinem Blogpost. Bard werde zunächst in einer »vereinfachten Modellversion von LaMDA« veröffentlicht, schreibt der Google-Chef. Das nämlich benötige »deutlich weniger Rechenleistung«. Wer sich öfter mit ChatGPT beschäftigt, ahnt, dass das ein schlauer Schritt ist, denn der populäre Textgenerator ähnelt wegen des großen Andrangs häufig einer überfüllten Tokioter U-Bahn, in die man einfach nicht mehr reinkommt.
»Ernie« und »Bard«
Microsofts Reaktion auf Googles Ankündigung ließ jedenfalls nicht lange auf sich warten. Kaum war der Google-Blogpost online, machte auch der Konzern aus Redmond bei Seattle seine für heute Abend geplante Veranstaltung öffentlich. Zuvor hatte der Konzern offenbar einige Journalisten unter dem Siegel der Verschwiegenheit eingeladen. CEO Satya Nadella werde dabei »Fortschritte bei einigen spannenden Projekten mitteilen«, verkündete Microsoft in dem Kampf um Aufmerksamkeit. Anders als Google, das sein Mittwochs-Event als Livestream ins Netz senden will, werden diese Informationen aber zunächst nur mit jenen geteilt, die vor Ort dabei sind.
hello from redmond! excited for the event tomorrow pic.twitter.com/b7TUr0ti42
— Sam Altman (@sama) February 6, 2023
Vergleichsweise wenig Beachtung fand unterdessen, dass fast zeitgleich auch der chinesische Internetkonzern Baidu angekündigt hat, einen KI-Chatbot zu veröffentlichen . Auf Chinesisch heißt das System demnach Wenxin Yiyan, was laut »The Register « als »Ernie« zu übersetzen sei, eine Abkürzung für die Bezeichnung »Enhanced Representation through Knowledge Integration«, was erstaunlich gut zu Googles »Bard« passt.
Goldene Zeiten
Ernie unterscheide sich von anderen Chatbots durch »seine Fähigkeit, umfangreiches Wissen mit umfangreichen Daten zu integrieren, was zu außergewöhnlichen Verständnis- und Generierungsfähigkeiten führt«, sagte ein Baidu-Sprecher dem britischen Nachrichtenportal. Was genau man damit wird anstellen können, ließ er aber offen.
Dafür gab er Auskunft zum Zeitplan des Unternehmens. Noch bis zum März wolle man interne Tests durchführen, im Anschluss solle der Chatbot öffentlich verfügbar gemacht werden. Aus Googles Sicht dürfte das nach einem sportlichen Zeitplan klingen. Aus Sicht von Anlegern klingt es offenbar nach goldenen Zeiten: In den Stunden nach der Ankündigung stieg der Aktienkurs des Unternehmens um bis zu 15 Prozent.