Urteil zu Handytarifen O2 darf Kunden keine Extra-Datenpakete unterjubeln

O2 darf Kunden nicht automatisch Datenvolumen nachbuchen oder sie in teurere Tarife drängen, hat ein Gericht geurteilt. Die beanstandete "Datenautomatik" ist auch für andere Mobilfunkanbieter ein lohnendes Geschäft.
Logo des Mobilfunkbetreibers O2: Berufung gegen Gerichtsurteil

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Foto: Lukas Barth/ dpa

Zu schwer zu durchschauen, zu wenige Mitbestimmungsmöglichkeiten für die Kunden: Mit diesem Tenor beschreibt das Landgericht München in einem Urteil ein umstrittenes Tarifangebot von O2, in dem eine sogenannte Datenautomatik festgeschrieben ist.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hatte gegen den O2-Mutterkonzern, Telefónica Deutschland, eine Unterlassungsklage eingereicht und am 11. Februar vor Gericht Recht bekommen. Telefónica kündigte am Freitag an, Berufung gegen das Urteil einzulegen.

Wer mit seinem Smartphone viel im Netz surft und kein ausreichend großes Datenpaket bei seinem Anbieter gebucht hat, dürfte schon einmal gedrosselt worden sein: Statt mit der normalen Geschwindigkeit geht es plötzlich nur noch im Schneckentempo mobil durchs Internet.

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Das bedeutet Datenautomatik

Mobilfunkanbieter versuchen seit Längerem, aus dieser Misere ihrer Kunden ein neues Geschäftsmodell namens Datenautomatik zu stricken: Wer sein monatliches Datenvolumen aufgebraucht hat, bekommt kostenpflichtiges Zusatzvolumen draufgebucht, automatisch. Wer regelmäßig zu viel verbraucht, der konnte einige Zeit lang sogar ohne zusätzliche Bestätigung durch den Kunden in einen teureren Tarif mit mehr Datenvolumen hochgestuft werden.

So war es auch beim beanstandeten O2-Tarif in seiner zum Jahresbeginn 2015 angewandten Form. Wer sein O2-Datenpaket ausgeschöpft hatte, bekam Zusatzpakete. Bis zu drei Mal pro Abrechnungszeitraum wurden jeweils 100 MB Datenvolumen für zwei Euro nachgebucht. Wer in drei aufeinanderfolgenden Monaten alle drei Aufbuchungen bekam, wurde von O2 automatisch in einen teureren Tarif mit mehr Datenvolumen umgebucht.

Über jede Aufbuchung und auch das Tarifupgrade wurde der Kunde per SMS informiert. In der SMS stand auch der Hinweis, dass Widerspruch möglich ist. Explizit zustimmen mussten Kunden den Extras aber nicht. In älteren Tarifen war es häufig noch so gewesen, dass Kunden selbst aktiv werden mussten und zum Beispiel per SMS Zusatz-Datenvolumen buchen konnten, wenn sie gedrosselt worden waren.

Viele Anbieter setzen auf die Datenautomatik

Der VZBV, eine Dachorganisation der Verbraucherverbände, beanstandet diese noch relativ neue Form der Verträge. "Wenn man sich für einen preisgünstigen Tarif mit weniger Volumen entschieden hat, sollte man letztlich nicht doch mit einem teureren Tarif dastehen", sagte VZBV-Referent Heiko Dünkel. Was eine Datenautomatik sei, bekomme man nur durch sehr genaues Lesen der AGB mit, so Dünkel. Telefónica dagegen betont, dass die Kunden auch auf Flyern oder der O2-Website über die Regelung informiert werden.

Viele andere Anbieter - die prominenteste Ausnahme ist die Telekom - setzen in ihren Smartphone-Verträgen auf ähnliche Regeln zur Datenautomatik. Doch so verbreitet die Datenautomatik mittlerweile auch sein mag: Viele Kunden haben noch nie davon gehört.

Das Landgericht München folgte in seinem Urteil der Auffassung der Verbraucherschutz-Organisation. Der Kunde stimme bei Vertragsabschluss zu, den Ursprungstarif zu kaufen. Zusatzentgelte und Erweiterungen dieser Hauptleistung müssten vom Kunden noch mal extra autorisiert werden. Eine Info-SMS reiche nicht aus.

Die Erklärung zur Datenautomatik in den Geschäftsbedingungen sei außerdem nicht offensichtlich genug. "Für den durchschnittlichen - auch aufmerksamen und sorgfältigen - Verbraucher ist aus der Vertragsstruktur nicht ausreichend klar, eindeutig und unmissverständlich ersichtlich, was es mit der Vereinbarung 'der Datenautomatik' auf sich hat", heißt es in dem noch nicht rechtskräftigen Urteil (AZ 12 O 13022/15).

Telefónica geht in Berufung

Bei Telefónica teilt man diese Einschätzung nicht. "Das Unternehmen ist von der Zulässigkeit der Datenautomatik in der aktuellen Form überzeugt", lässt das Unternehmen wissen. "Telefónica Deutschland hält das Urteil nach einer ersten Prüfung der Urteilsbegründung für falsch", wurde die jetzt angekündigte Berufung begründet. Das Verfahren geht nun in die nächste Instanz und wird vor dem Oberlandesgericht München weiter verhandelt.

Telefónica hat in der Zwischenzeit zumindest die automatischen Tarifupgrades abgeschafft, will aber wie die Konkurrenz weiter Tarife mit automatischen Aufbuchungen anbieten.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat auch gegen den Mobilfunkanbieter Vodafone eine Klage laufen, auch in diesem zweiten Fall geht es um eine Unterlassungsklage wegen einer Datenautomatik. Die Verhandlung gegen Vodafone findet am 12. August in Düsseldorf statt.

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