Der nächste Schritt YouTube will Filmverleih werden

Auf Dauer sind von Laien gedrehte Videohäppchen nicht genug: YouTube, berichten US-Medien, verhandelt mit US-Filmstudios über eine Verleihlizenz. Der Schritt kommt spät, könnte aber mächtig ausfallen, denn YouTube hat, was viele Mitbewerber nicht bieten können: Schnittstellen zur Handy- und TV-Welt.
Sci-Fi-Blockbuster District 9: Ein Tag nach der Uraufführung in Kasachstan kursierte eine erste Kopie mit kasachischen Untertiteln im Web, eine Woche später mindestens drei weitere Kopien in unterschiedlicher Qualität. Das ist der illegale Markt, mit dem YouTube künftig konkurrieren müsste

Sci-Fi-Blockbuster District 9: Ein Tag nach der Uraufführung in Kasachstan kursierte eine erste Kopie mit kasachischen Untertiteln im Web, eine Woche später mindestens drei weitere Kopien in unterschiedlicher Qualität. Das ist der illegale Markt, mit dem YouTube künftig konkurrieren müsste

Foto: HO/ AFP

YouTube hat so gut wie alles, was sich ein Internetunternehmen wünschen kann: weltweite Bekanntheit, Millionen von Nutzern und vor allem einen finanzkräftigen Besitzer, der das alles bezahlt. Denn eines hat YouTube bisher nicht: Ein Geschäftsmodell, mit dem sich Geld verdienen lässt.

Jetzt, berichten US-Medien, geht YouTube den naheliegenden Weg und verhandelt mit US-Filmstudios über Lizenzen, um Filme im On-Demand-Verfahren über das Web zu streamen. Das ist nicht originell, aber durchaus vielversprechend: Der Markt ist in den USA längst bereitet, Video-on-Demand-Dienste sind flächendeckend etabliert. Kein Provider, der nicht auch "Triple Play"-Dienste mit Online-Videothek anböte, zudem konkurrieren mindestens zehn landesweit vertretene Großvideotheken, die meist DVD-Online-Verleih mit Streaming-Diensten kombinieren. Kurzum: Das Modell ist amerikanischen Konsumenten bestens vertraut.

Doch gegen die etablierten Player dieses Marktes anzukommen, wird selbst für YouTube nicht leicht. Die größten Marken sind hier Blockbuster mit seinen Töchtern CinemaNow und MovieLink sowie Netflix, die alle bis zu 14.000 Titel im Angebot haben. Nur um die Größenordnung klarzumachen: Das bereits 1997 gegründete Netflix ist ein Unternehmen mit über 2000 Angestellten, das rund 1,4 Milliarden Dollar Umsatz und immerhin Profite um 70 Millionen Dollar im Jahr macht. Apples iTunes Store mit seinen rund 2000 Filmchen ist dagegen nach wie vor ein Branchenzwerg, trotz der Bekanntheit der Marke: Video-on-Demand ist in den USA ein seit 1998 etablierter Markt, der sich so leicht nicht aufrollen lässt.

Landung im gemachten Nest?

YouTube hat jedoch ein paar Trümpfe im Ärmel: Die Marke steht quasi synonym für Videos im Web. In den letzten Jahren ist es ihr zudem gelungen, schon einmal einen Fuß ins Wohnzimmer zu bekommen: Kein Anbieter internetfähiger Fernseher verzichtet darauf, YouTube als attraktiven Service einzubinden. LCD-Fernseher mit Web-Anbindung behandeln YouTube als "Kanal", die meisten Streaming-Boxen für das Wohnzimmer, die über ein Inhalte-Menü verfügen, ebenfalls. Ähnliches lässt sich für internetfähige Handys sagen.

Das bedeutet Rückenwind. Wie erfolgreich YouTube als Videoverleiher sein kann, wird sich aber noch an anderen Faktoren entscheiden. Eine Einigung hänge davon ab, ob man sich auf Preise und Termine für die Veröffentlichung der Filme verständigen könne, zitierte das "Wall Street Journal" die so oft bemühten informierten Kreise. Angeblich plant YouTube Verleihpreise um vier Dollar, was der Plattform preislich keine Vorteile gegenüber den Mitbewerbern eröffnen würde. Als Trumpf könnte hier nur ein breiteres, besseres oder aktuelleres Filmportfolio dienen.

Die Filmindustrie versucht seit Jahren, Online-Distributionskanäle zu etablieren. Solche Bezahlangebote stehen in Konkurrenz zu legalen, werbefinanzierten Kanälen wie Hulu, die attraktive TV-Serien, mitunter auch Filme über das Netz streamen. Dazu kommt die Konkurrenz von Hunderten illegaler Streaming-Dienste, die Filme oft schon im Netz zeigen, bevor sie ins Kino kommen. Manche dieser Streaming-Portale halten qualitativ mit legalen Angeboten mit, verstreamen ihre gerippten DVDs und Blu-rays in HD-Qualität. Video-on-Demand gilt auch darum als vielversprechender, aber nicht einfacher Markt.

pat
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten