Digitale Regierung Obamas Online-Maschine stottert

Das Internet soll ein wichtiger Verbündeter bleiben für US-Präsident Obama. Doch bislang kommt die Online-Offensive der neuen Regierung nicht richtig in Schwung. Datenschutzbestimmungen und technologische Hürden stehen der Mausklick-Präsidentschaft noch im Weg.

Alles war fein hergerichtet im Club "Lima" mitten im Herzen Washingtons: Die Getränke gut gekühlt, die Festreden knackig kurz, ein DJ sorgte für heiße Rhythmen. Die jungen Spender der neuen Internet-Bewegung "Organizing for America", die künftig Barack Obamas Internet-Wahlkampfmethoden auch ins Weiße Haus tragen soll, hatten sich versammelt. Die Stimmung war bestens, nur vor den Herrentoiletten bildeten sich lange Schlangen: An jedem einzelnen Pissoir fingerten die Männer mit der freien Hand am Blackberry herum und verschickten E-Mails.

Die Gründungsparty von "Organizing for America" zeigt: Das Internet-Zeitalter hat die eher behäbige US-Hauptstadt endgültig erreicht. Damit löst Obama ein Wahlkampfversprechen ein: Schon Minuten nach seinem Sieg hatte der gerade gewählte Präsident eine Dankes-Mail an seine Anhänger geschickt und die interaktivste Regierung aller Zeiten versprochen. Die Website des Weißen Hauses, www.whitehouse.gov, wurde minutengenau zum Amtsantritt generalüberholt und wartet nun unter anderem mit Blog und virtuellem Bürgerbüro auf. Gerade hat Obama einen Internet-Beauftragten namens Vivek Kundra ernannt. Der 34-jährige Computerexperte soll unter anderem sicherstellen, dass die 13 Millionen E-Mail-Adressen, die das Team des Demokraten im Wahlkampf sammelte, nun auch zum Regieren genutzt werden können.

Kommunikation, Beteiligung, Transparenz?

So strebt Obamas Mannschaft an, was sich fast jeder US-Präsident erhoffte: eine direkte Kommunikation mit dem amerikanischen Volk. Das Stichwort lautet: Wandel, der sich anklicken lässt - orientiert an den Grundsätzen des Blog-Zeitalters. Obamas Direktor für Neue Medien, Macon Phillips, hat diese im ersten Blog auf der White-House-Website so formuliert: Kommunikation, Beteiligung, Transparenz.

Nur: Der Start ins neue Zeitalter läuft noch nicht reibungslos. "Obamas Team muss umschalten vom Internet-Wahlkampf zum Internet-Regieren. Das ist eine gewaltige Herausforderung", sagt Chris Arterton, Dekan der Graduate School of Political Management an der George Washington University und genauer Beobachter von Obamas Technologie-Offensive. Die "Washington Post" hat gleich eine ganze Reihe von Mängeln festgestellt: Massen-Mails über die jüngsten Initiativen des Weißen Hauses können nicht verschickt, Textnachrichten nicht übertragen werden. Obamas Internet-Team schlägt sich noch mit Datenschutzbestimmungen und technologischen Engpässen herum. "Das ist alles Neuland", zitiert das Blatt Macon Phillips.

Die Schwierigkeiten sind nicht neu. Schon direkt nach Amtsantritt hatten die Obama-Leute festgestellt, dass das Umschalten vom Kampagnenmodus zum Regierungsstil nicht gleich nahtlos klappt. Tagelang funktionierten die Mail-Adressen im Weißen Haus nicht, veraltete Computer und Software trieben die Internet-affinen Obama-Manager zur Verzweiflung. "Es ist, als ob man auf einmal wieder mit einem Atari spielen müsste", maulte der stellvertretende Pressesprecher Bill Burton damals.

Jede Ergänzung und jede Löschung analysiert

Diese Startschwierigkeiten sind mittlerweile überwunden - doch die Herausforderungen sind kaum geringer geworden. Denn Obamas große Transparenz-Versprechen lassen sich nicht so einfach mit den komplizierten Sicherheitsbestimmungen der US-Regierungszentrale kombinieren.

So muss alle Kommunikationen des Weißen Hauses archiviert werden, was Web-Seiten quälend langsam werden lassen kann. Die populären YouTube-Videos mit Obama-Ansprachen auf der Seite wurden über eine Million Mal angeklickt. Doch es gab Kritik von Datenschützern, weil alle Besucher gespeichert wurden - egal ob sie das Video ansahen oder nicht. Internet-Beauftragter Kundra soll innerhalb von 120 Tagen neue Richtlinien erstellen, wie Transparenz und Sicherheit besser vereinbar sind.

Die Internet-Gemeinde verfolgt jeden dieser Schritte aufmerksam - und argwöhnisch. Die Website "Pro Publica" hat einen "Change-Tracker" eingerichtet, der jede Ergänzung und jeden Löschvorgang auf der Seite des Weißen Hauses genau registriert. Auf der Website "Secrecy News" mäkelte man, auf der Website des Weißen Hauses werde zwar der Besuch von First Lady Michelle in Suppenküchen vermeldet - aber Informationen über Präsidialerlasse zum Umbau des Nationalen Sicherheitsrates oder neue Anti-Terror-Aktivitäten seien nicht zu finden. "Kurzum, die aktuelle Website des Weißen Hauses gibt immer noch keinen verlässlichen oder kompletten Überblick zu den präsidialen Aktivitäten", so das Fazit der Macher von "Secrecy News".

"Etablierte Interessen in Washington zum Schweigen bringen"

Selbst wenn erste Erfolge von Obamas Online-Transparenz erkennbar sind, wird prompt kräftig gemeckert. Das jüngste Konjunkturpaket wurde von der Regierung rasch online gestellt, US-Bürger konnten den 1071 Seiten langen Gesetzesentwurf lesen und kommentieren. Auf einer eigenen Web-Seite war zudem nachzulesen, wie die vielen Milliarden Dollar ausgegeben werden sollen. Millionenfach wurde davon Gebrauch gemacht. Doch Internet-Experten mäkeln, die Online-Foren ließen zuwenig Platz für Kommentare - und es stelle sich die Frage, wie schnell und wie lange der Austausch dort möglich sein müsse, um einen echten Input der Bürger zu erlauben.

Selbst "Organizing for America" geriet bereits in die Kritik. Zwar gilt es generell unter Politstrategen als geniale Idee, die gigantische E-Mail-Datenbank des Obama-Wahlkampfes weiter für die Präsidenten-Agenda zu nutzen - durch Updates oder Online-Mobilisierung, die das Engagement der Millionen Wahlkämpfer am Leben halten soll.

Am Montag verschickte das Netzwerk etwa eine Massen-E-Mail, in der Obama-Unterstützer wie im Wahlkampf aufgefordert wurden, am Wochenende von Tür zu Tür zu gehen und Unterschriften für den Staatshaushalts-Entwurf des Präsidenten zu sammeln. Im Laufe der Woche plant die Organisation die Vorstellung eines neuen Online-Tools, mit dem Aktivisten die Kontaktdaten ihrer Kongressabgeordneten leicht finden können - um diese direkt anzumailen und um Unterstützung zu bitten.

Maßgeblich verantwortlich für die Netz-Strategie ist David Plouffe, einst federführend für Obamas Wahlkampf. Er hat nun kein offizielles Amt mehr und versucht derzeit, seine Wahlkampferfahrung zu Geld zu machen - durch Buchverträge und umstrittene Rede-Auftritte in Ländern wie Aserbaidschan. Darüber wird getuschelt in der US-Hauptstadt.

Als Plouffe vor wenigen Tagen eine Massen-E-Mail an die Anhänger von "Organizing for America" verschickte, ging es vordergründig um Obamas Konjunkturpaket - doch vielleicht auch schon um die erste PR-Offensive für das eigene Online-Netzwerk und die in die Kritik geratenen Technologie-Anstrengungen. "Wir wissen, dieser Kampf wird nicht leicht", schrieb Plouffe betont kämpferisch. "Aber wichtige Schlachten sind das nie. Wir haben an die Kraft der Bürgerbewegung geglaubt, um einen unwahrscheinlichen Wahlsieg zu erringen."

Man wolle "die Zyniker und die etablierten Interessen in Washington zum Schweigen bringen - und dauerhaften, bedeutsamen Wandel nach Washington bringen, auf den wir alle stolz sein können".

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