Bildkritik von fokussiert.com Drei Profi-Tipps für bessere Fotos

Hoch- statt Querformat, näher an Details heran, auf Effekte verzichten, die nicht die Kernaussage eines Bildes betonen. Profis vom Fach-Blog fokussiert.com zeigen an drei Beispielen, wie man Fotos besser komponiert.

Für das Schweizer Foto-Blog fokussiert.com  analysieren Profi-Fotografen regelmäßig herausragende, von Lesern eingereichte Fotos. Die Profis beschreiben die Stärken der Aufnahme und geben Hinweise, wie sich die Bildwirkung verbessern lässt. SPIEGEL ONLINE veröffentlicht einmal im Monat eine Auswahl dieser Bildkritiken.

Blick von oben

Foto: Dominik Haitz

Kommentar des Fotografen Dominik Haitz:

Das Bild zeigt den Platz vor der Frauenkirche in Dresden, spontan aufgenommen von der Aussichtsplattform im Kirchturm. Das Bild wurde entsättigt, mit Ausnahme des knallroten 'Rund-Fahrrades' um dieses als Blickfang hervorzuheben. Erkennbar an den langen Schatten wurde das Bild zu einer späten Tageszeit aufgenommen. Von allen Fotos, die bei dem Besuch der Frauenkirche entstanden sind, gefällt mir dieses am besten, obwohl es die Kirche gar nicht zeigt . Zur Aufnahme wurde eine APS-C Kamera Canon EOS 1000D mit Kitobjektiv Canon EF-S 18-55mm f/3.5-5.6 II verwendet. Die Brennweite betrug 55 mm (entsprechend Zahl 88 mm Kleinbildäquivalent bei einem Formatfaktor von 1.6), die Belichtungsdaten waren 1/100 Sekunde bei Blende f/8.0 und ISO 200.

Profi Thomas Brotzler zum Foto:

Im Gegensatz zu Dominik stach mir das rote 'Color-Key-Fahrrad' nicht als erstes ins Auge - ein Betrachter sieht ein Bild oft anders als der Fotograf.

Foto: Dominik Haitz

Als Motivschwerpunkt und Blickfang fungieren meiner Meinung nach vielmehr die tangential angeschnittene Statue und das etwa in der Mitte postierte Paar (blaue Linien). Um Letzteres herum gruppieren sich weitere stehende und sitzende Passanten und eben die beiden Fahrräder links und rechts der Statue (rote Linien).

Diese Personen und Gegenstände lassen sich mit gedachten Linien zu einem Kreis zusammenfassen (gelbe Linien) der das Bildgeschehen bestimmt. Der Raum wird schließlich noch durch einige fallende Diagonalen strukturiert und 'geerdet' (grüne Linien).

Zusammenfassung: Dominiks Bildidee und -anlage finde ich im Sinne einer Aufklappsicht auf die Realität sehr ansprechend. Er hat zudem den entscheidenden Augenblick, als sich Passanten und Gegenstände rund um das zentrale Paar gruppierten, sehr gut abgepasst. Somit beruht die zentrale Bildgeschichte aus meiner Sicht auf dem stillen Dialog zwischen der Statue und dem mittig platzierten Paar. Der Color-Key-Effekt eines randständigen Bildelements lenkt davon ab und erscheint mir persönlich kontraproduktiv, zumindest verzichtbar.

Foto: Ulrike Schulz

Kommentar der Fotografin Ulrike Schulz:

Dieses Bild habe ich mit meiner Nikon D40 am 06.04.2013 am Randes eines kleinen Dorfes in der Mecklenburger Seenplatte aufgenommen. (Mit einer Brennweite von 105mm, Blende 5, einer Belichtungszeit von 1/800sec und ISO 400.) In der Nacharbeit habe ich das Bild ein wenig entsättigt und mittels der Gradationskurve die Kontraste herausgehoben. Wenn ich das Bild betrachte, muss ich immer an Rotkäppchen im Märchenwald denken. Dieses hier ist eher eine moderne Interpretation des Märchenklassikers. Den Kontrast zwischen sehr bunter Kleidung und natürlicher Umgebung hervorzuheben, war Ziel des Unterfanges.

Profi Sofie Dittmann zum Foto:

Ich bin mir nicht im Klaren darüber, warum Du mit ISO 400 fotografiert hast. Bei diesen Lichtverhältnissen wäre ein geringerer ISO möglich gewesen, was auch daraus ersichtlich ist, dass Du eine Verschlusszeit von 1/800s benutzt hast. Bei einer Blende von f/5 und dieser Brennweite wäre der Hintergrund noch etwas mehr verschwommen und hätte das Kind besser freigestellt, wenn Du näher herangegangen wärst. So, wie sie jetzt aufgenommen ist, geht sie mir in der Szene zu sehr unter. Das ist unter anderem auch der Tatsache geschuldet, dass Du sie von weiter weg im Querformat abgelichtet hast.

Wenn auch Kameras so gebaut sind, dass sie automatisch Querformat aufnehmen, sollte man von einer Szene auch immer noch eine Variante im Hochformat fotografieren. Querformat lässt sich auf Hochformat einfach beschneiden, doch umgekehrt wird die Bildaussage so stark verändert, dass es sich um ein ganz anderes Foto handelt. Genau das habe ich im Vergleichsfoto getan: Ich habe das Bild so beschnitten (rosa Schattierung), dass es jetzt im Hochformat die Szene kompakter wiedergibt. Das Kind wird jetzt von den Bäumen besser eingerahmt, die unnötigen Einzelheiten am Rand verschwinden:

Foto: Ulrike Schulz

Wenn dennoch Querformat gewünscht ist, kann man auch hier die Komposition kompakter erscheinen lassen, indem man die Ränder beschneidet (grüne Schattierung):

Foto: Ulrike Schulz
Foto: Sven Mahn

Kommentar des Fotografen Sven Mahn:

Dieses Foto ist auf der Durchreise in San Francisco entstanden, die Sonne direkt im Rücken, die Golden Gate Brücke in den seltenen Momenten ohne Wolken, Nebel und ohne großartiger Dünung. Ein schöner Moment und lohnend um 6 Uhr aufgestanden zu sein.

Profi Sofie Dittmann zum Foto:

Du bist an diesem Morgen an der San Francisco Bay unterwegs gewesen und hattest das Glück, einen Tag ohne Nebel zu erwischen, was in der Gegend nicht einfach ist. Früh aufzustehen ist grundsätzlich richtig, und Dinge im Vordergrund mit ins Bild zu bringen auch. Die Bay wird optisch von dem Betonsteg unterbrochen, der visuell die Linien der Brücke nachahmt. In der Pfütze links spiegelt sich das Rot des Brückenanstrichs wider. Die Brücke allein mit Bay im Vordergrund wäre etwas gewesen, was wir schon hundert Mal so gesehen haben. Du hast Dich hier bemüht, dem Ganzen einen neuen Aspekt zu verleihen.

In Ansätzen ist Dir das auch gelungen, wenn für mich allerdings der Beton im Vordergrund zu sehr dominiert. Es ist, als hättest Du Dich nicht ganz entscheiden können, was Dein Hauptbildgegenstand sein sollte. Man kann die Golden Gate mit in den Hintergrund nehmen, indem man etwas im Vordergrund stärker gewichtet:

Foto: Sven Mahn

Oder man kann den Steg als Kontext im Vordergrund lassen, und sich trotzdem auf die Golden Gate konzentrieren:

Foto: Sven Mahn

Mir persönlich gefällt, wie das Meer rechts unten ans Ufer trifft. Hättest Du nicht einfach auf dem Weg gestanden, sondern mit Deinem Aufnahmestandpunkt experimentiert, wäre ein recht guter Schnappschuss dabei herausgekommen. So, wie es jetzt fotografiert ist, fehlt mir etwas.

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Foto: SPIEGEL ONLINE

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Fotostrecke

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Foto: Daniela Popoaie
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