EM-Fanfilme Clash der Sommermärchen
Die Fußballeuropameisterschaft 2008 wird scharf überwacht werden. Jedenfalls, wenn es so läuft, wie man sich das bei Google und "Bild am Sonntag" (BamS) vorstellt. Beide, BamS und Suchmaschine, wollen Fußballfans im deutschsprachigen Raum zu Feldreportern machen: Mit Kameras sollen sie ausschwärmen auf die Public-Viewing-Plätze, in die Sportsbars und vor die Stadien, sollen auf Bolzplätzen Turniertore nachstellen und vermutlich auch wieder ein paar hübsche weibliche Fans mit engen Tops und bemalten Gesichtern aufnehmen. Gleich zwei aus diesem Material zusammengestellte Fanfilme soll es geben, unter hochprominenter Leitung: Für die BamS tritt Sönke Wortmann, Vater des Überraschungerfolgs "Deutschland. Ein Sommermärchen" über die WM 2006 an. Und für Google soll Detlev Buck ("Wir können auch anders", "Knallhart") über YouTube hochgeladenes Filmmaterial sichten und zusammenschneiden.
Wer die - zugegebenermaßen recht naheliegende - Idee zuerst hatte, ist nicht ganz klar. Jedenfalls verschickte Google vergangenen Freitag Einladungen zu einer Pressekonferenz mit Buck, um "ein Filmprojekt vorzustellen, das das Potential hat, zum zweiten 'Sommermärchen' zu werden". Am Sonntag veröffentlichte die BamS dann die Ankündigung, man werde mit dem echten "Sommermärchen"-Regisseur Sönke Wortmann ein "Sommermärchen 2008" drehen. Bei der heutigen Vorstellung des Google-Projektes vermied man das S-Wort nun: Es handele sich um den "ersten echten Fanfilm", er werde "23 Tage" heißen und "explizit nicht das zweite Sommermärchen" sein.
Hinter den Kulissen: Buhlen um die Regisseure
Buck soll nach Möglichkeit ein Werk zusammenstellen, das es auch ins Kino schaffen kann. Wortmanns Film für die BamS dagegen soll nach bisherigen Plänen bloß etwa 15 Minuten lang werden und nur online gezeigt werden. Für beide sollen die Hobbyberichterstatter Beiträge von höchstens zwei Minuten Länge einreichen - die BamS will erst nächsten Sonntag verraten, wie das genau ablaufen soll.
Wortmann sagt, er sei zuerst von Google eingeladen worden, über das Projekt zu sprechen, er sei dazu auch nach Hamburg gefahren. Dort habe man sich auf Bedingungen geeinigt. Zwei Tage später habe auch die Bams angefragt, die schon seit einiger Zeit ein ähnliches Projekt plane. Er habe aber mit Hinweis auf die Einigung mit Google abgelehnt.
Ein paar Wochen später habe man bei Google aber den Etat kürzen wollen, so dass das Projekt nicht mehr wirtschaftlich durchzuführen gewesen wäre. Wortmann selbst habe dann die BamS als Kooperationspartner ins Spiel gebracht, das aber habe man bei Google abgelehnt. Er habe sich "schon verarscht gefühlt", sagt Wortmann. Als die Bams dann vorschlug, etwas Ähnliches ohne Google zu machen, habe er zugesagt. Bei den Suchmaschinisten säßen aber offenbar "schlechte Verlierer", die das Ganze jetzt anders darstellen wollten.
Die Idee, aus den Fanfilm-Schnipseln einen abendfüllenden Film zu machen, hält Wortmann für abwegig: "Das wird nie im Leben ein Kinofilm." Nicht nur wegen der mangelhaften Bild- und Tonqualität, die Handyfilme von Public Viewings zwangsläufig haben werden, sondern auch, weil das ohne einen Verleih und Geld für Marketing einfach nicht ginge. Den "Sommermärchen"-Film von 2006 haben allein im Kino vier Millionen Menschen gesehen - auf einen derartigen Sensationserfolg hofft diesmal aber keiner, weder bei Google noch bei der BamS.
Am Ende doch ein Gewinner und ein Verlierer?
Spricht man Detlev Buck auf die Parallelität an, grinst er und zuckt mit den Schultern. Er habe gewusst, das Google auch Wortmann angesprochen habe, sei aber davon ausgegangen, dass der wegen der Verfilmung von "Die Päpstin" ohnehin keine Zeit für das Fanprojekt haben würde. Die beiden Regisseure nehmen die unerwartete Konkurrenz sehr gelassen. BamS und Google dagegen treten nun unerwartet gegeneinander an - alte Medien gegen neue gewissermaßen. Das bringt Aufmerksamkeit, aber auch die Gefahr, dass am Ende durch Medien und Publikum doch ein Gewinner gekürt wird - und ein Verlierer.
Für Google als Plattform spricht, dass das Web-Unternehmen nicht nur mit YouTube bereits Upload-Infrastruktur hat, sondern auch ein Rahmenprogramm anbietet, das für Fußballfreunde echten Mehrwert bieten könnte: Es wird 3-D-Nachbildungen der Originalstadien in Google Earth geben, Google-Maps-Anwendungen mit Informationen über Spielorte und Mannschaften, außerdem Möglichkeiten für Fans, selbst Empfehlungen für die besten Fußballkneipen oder EM-Partys hochzuladen. Für die personalisierte iGoogle-Startseite wird es ein Widget geben, dass aktuelle Informationen rund ums Turnier liefern soll.
Andererseits scheint der Plan, YouTube-Filmchen auf die große Leinwand zu bringen, in der Tat etwas kühn - das könnte ganz schön körnig werden. Buck hofft darauf, dass die Fans sich um audiovisuelle Qualität bemühen werden - schließlich drehten auch nahmhafte Regisseure wie Doris Dörrie heute schon Kinofilme ("Kirschblüten") mit Camcordern. Am Ende wird man womöglich nicht darum herumkommen, sich von den ausgewählten Clips wenigstens das Originalmaterial zu besorgen, statt die komprimierte YouTube-Fassung auf Leinwandgröße aufzupumpen. Wenn es denn überhaupt klappt mit dem abendfüllenden Fußballfilm.
Für die Fans jedenfalls ist das Sommermärchen-Wettrennen eine gute Sache: Hobbyfilmer haben gleich zwei Chancen, ihr Material unter die Leute zu bringen. Und im Zweifelsfall werden die beiden Fußballfans Buck und Wortmann zwei originelle Collagen abliefern. Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen, so wie 2006.