Erfolgs-Blog "Huffington Post" Amerikas Alpha-Bloggerin mischt den Wahlkampf auf

Was für eine Karriere: Die streitbare Millionärin und Kolumnistin Arianna Huffington hat ihr Blogger-Netzwerk zum einflussreichsten Alternativmedium der USA gemacht. Jetzt forderte sie die größten und wichtigsten Zeitungen des Landes heraus - und bestimmt entscheidend den Vorwahlkampf mit.

New York - Demi Moore hat "fleischige Schenkel". US-General David Petraeus sagt im Senat aus. TV-Star Rob Lowe wird von einem Ex-Kindermädchen erpresst. Hillary Clinton krempelt ihr Team um. Kansas gewinnt die Basketball-Meisterschaften. Salma Hayek klagt über Probleme beim Stillen.

"Huffington Post": Fleischige Schenkel und General Petraeus

"Huffington Post": Fleischige Schenkel und General Petraeus

Ein ganz normaler Tag für die "Huffington Post". Politik, Wirtschaft, Buntes, Klatsch: Die Inhalte des im weitesten Sinne politischen Blog-Angebotes sind eine wilde Mischung. Dazu geben Hunderte Gastblogger aus dem riesigem Bekanntenkreis der Gründerin Arianna Huffington ihren Senf: Filmstars wie Alec Baldwin, Steve Martin, Mia Farrow und Tim Robbins. Senatoren wie Evan Bayh, Joe Biden und Barbara Boxer. Sex-Autorin Erica Jong, Watergate-Legende Carl Bernstein, Ex-General Wesley Clark, Über-Producer Quincy Jones und New-Age-Guru Deepak Chopra.

In nicht mal drei Jahren seit ihrer Gründung hat sich die "HuffPo", wie sie nur genannt wird, vom Online-Experiment zur wichtigsten Informationsquelle für Millionen Amerikaner gemausert. So macht sie, als Meinungsführer der Google-Generation, langsam auch den etablierten Medien Konkurrenz - und mischt mit ihrem Kessel Buntes aus News und Kommentar kräftig im US-Vorwahlkampf mit.

Und der hat die ungeniert progressiv-linke Seite jetzt ganz an die Spitze katapultiert: Im Februar schrieb der Ratingdienst Nielsen der "HuffPo" 3,7 Millionen Page-Visits zu, mehr als doppelt so viele wie noch im Dezember 2007. Womit die "HuffPo" erstmals den konservativen "Drudge Report" überholte, den bisherigen Platzhirsch unter den Polit-Blogs - auch das ein Zeichen für das gewandelte Klima in den USA.

An der linken wie der rechten Konkurrenz vorbeigezogen

Interne Zählungen der "HuffPo" sprechen sogar von 14 Millionen Visits. Auf der Blog-Hitliste "Technorati" rangiert die "HuffPo" als meistverlinkte Adresse auf Platz eins, vor der Tech-Site "TechCrunch", dem linken Ur-Blog "Daily Kos" und dem Klatsch-Blog "TMZ". Das Magazin "Time" führt die "HuffPo" als einen der "25 besten Blogs der Welt".

Als der Demokrat Barack Obama sich im Skandal um seinen Ex-Pastor Jeremiah Wright verteidigen wollte, tat er das zunächst nicht mit einer Pressekonferenz oder einer Rede. Sondern mit einem Essay in der "HuffPo". Auch Hillary Clinton steuerte im Februar einen Blog-Eintrag bei, zum Thema "Kinderarmut" - obwohl die meisten "HuffPo"-Blogger, inklusive Arianna Huffington, offen Obama unterstützen.

So einflussreich ist die Plattform heute, dass der Medienkritiker Howard Kurtz ("Washington Post") die scharfe Clinton-Kritik der Site als Zeichen schwindende Chancen der Kandidatin sieht: "Wenn Clinton die 'Huffington Post' verliert, verliert sie dann auch die Partei?" Zugleich provoziert die "HuffPo" den lauten Zorn rechter Kommentatoren, allein das ein Erfolgsmesser. So verglich Bill O'Reilly (Fox News) Huffington mit Goebbels.

Marktwert 200 Millionen Dollar?

Sogar das Geld stimmt mittlerweile. Seit 2007 ist die "HuffPo" nach Angaben ihres Co-Gründers Ken Lerer "aus den roten Zahlen", dank wachsender Anzeigenbuchungen von Großkunden wie VW, Starbucks und Hallmark. Für dieses Jahr prognostiziert Lerer sechs bis elf Millionen Dollar Gewinn. Seit kurzem kursieren überdies Verkaufsgerüchte, die Huffington weder bestätigt noch dementiert hat. Die "New York Times" bezifferte den aktuellen Wert des Unternehmens auf rund 200 Millionen Dollar.

Das hätte sich Huffington, 57, kaum träumen lassen, als sie die "HuffPo" Anfang Mai 2005 als bescheidene News- und Kommentar-Site ins Leben rief, gemeinsam mit Marketing-Mann Lerer (vormals AOL) und Internet-Unternehmer Jonah Peretti. Damals schien das Projekt nur die jüngste Etappe im schrillen Lebenslauf der gebürtigen Athenerin zu sein.

Zu den früheren Stationen zählten: eine Ehe mit dem republikanischen Abgeordneten und Millionär Michael Huffington, von dem sie sich 1997 scheiden ließ (und dadurch reich wurde), eine Karriere als erst linke, dann konservative und schließlich wieder linke Kolumnistin, eine erfolglose Kandidatur ums kalifornische Gouverneursamt. Dazu kamen Bücher, Reden und Fernsehauftritte.

Die Blogger-Party in den Tiefen der Seite

Anfangs taten Kritiker das neueste Unterfangen Huffingtons denn auch als "digitale Dinner-Party für ihre neuen linksliberalen Freunde" ("New York Times") ab. In der Tat aktivierte Huffington ihr gigantisches Netzwerk, traf damit aber zugleich in eine historische Medienmarktlücke: den Niedergang traditioneller Zeitungen - gepaart mit dem parallelen Aufstieg von Web-Communitys. Es war perfektes Timing.

Anders als der "Drudge Report", der ausschließlich (gezielte) Meldungen präsentiert, bot Huffington dem zerfaserten linken Spektrum erstmals eine gemeinsame Bühne. Das Web ermöglichte es, die Beiträge zu verknüpfen, ihre Popularität zu messen, Reaktionen zu provozieren, Diskussionen anzustoßen: Die Site war, so Gründungspartner Peretti zum "New Yorker", "auf eine Weise lebendig, die mit Papier und Tinte unmöglich wäre".

Lange war das ein heilloses Kuddelmuddel, mit einer wirren Homepage und ungezügeltem Kneipengemurmel (die Blogger-"Party", nannte Peretti das) in den Tiefen jenseits der Startseite. Manche Promi-Blogger verloren schnell wieder die Lust. Doch Huffington blieb dran. Sie begann, Redakteure anzustellen, um den News-Bereich der "HuffPo" journalistisch aufzumotzen.

"Meine Zehennägel sind burgunderrot"

Großen Wirbel machte Huffington erstmal im Sommer 2005 durch ihre scharfe Kritik an Judith Miller, der damaligen Starreporterin der "New York Times". Die saß im Streit um die Enttarnung der CIA-Agentin Valerie Plame 85 Tage in Beugehaft. Huffington - die am liebsten am Kamin ihrer Villa in Los Angeles arbeitet - bekam dazu oft Insider-Information aus der Redaktion der "New York Times" zugesteckt.

Der Vorwahlkampf machte die "HuffPo" schließlich ganz groß. Heute hat die Website 46 Angestellte, darunter 27 Reporter und Redakteure, eine Anzeigenabteilung, einen Marketingstab und einen Pressesprecher. Das Blogger-Heer umfasst Profis, Laien, Stars und Ex-Stars, Parteifunktionäre, Ideologen, Visionäre und auch ganz einfache Leute, die sich mal was von der Leber schreiben wollen.

In Zukunft will Huffington darüber hinaus "mehr und mehr" investigative Eigenrecherche "mit Gesinnung" wagen, um damit ausdrücklich der "New York Times" und der "Washington Post" Konkurrenz zu machen. Im November heuerte sie dazu die frühere "Newsweek"-Redakteurin Melinda Henneberger als Politikchefin an. Demnächst geplant sind außerdem spezifische Lokalausgaben, um Nischenmärkte zu erobern, wie sie bisher Yahoo und Google vorbehalten waren. Das neue Motto der "HuffPo" prangt breit unter dem Logo: "die Internet-Zeitung".

Nicht alles geht glatt. Etliche Mitarbeiter und Blogger wurden brüsk hinausgeworfen, etwa der Ex-Pharmamanager Peter Rost, der sich in einen Online-Zank mit einem anderen Blogger verwickeln ließ. Ab und zu entpuppt sich ein Blog-Eintrag auch mal als abenteuerliche Phantasie - beispielsweise die Behauptung, dass manche Opfer des Hurrikans "Katrina" in New Orleans "Leichen aßen, um zu überleben".

Und gelegentlich beschränken sich auch Huffingtons eigene Blog-Zulieferungen aufs herzlich Banale. So berichtete sie am Wochenende über ihre persönlichen Vorlieben: "Ich fahre einen Prius. Ich liebe Füllfederhalter und schreibe in dunkelblau. Meine Zehennägel sind burgunderrot lackiert, und meine Fingernägel sind farblos - weil ich so viel herumreise und es nicht ausstehen kann, wenn sie abblättern."

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