Upload-Filter Homer Simpsons letzter Abgang?

Beliebt als GIF und Vorlage: Homer Simpson
Teile der Netzkultur leben von lustigen Gifs mit schrägen Grimassen der Hollywood-Stars, von Tanzvideos aus Wohnzimmern und "Star-Wars"-Szenen, die mit schwäbischem Dialekt neu synchronisiert werden. Doch mit solchen Clips auf Facebook, YouTube, Twitter und anderen Seiten könnte es nach Meinung einiger EU-Politiker und Aktivisten bald vorbei sein.
Sechs EU-Abgeordnete haben Anfang dieser Woche eine Kampagne gestartet, um gegen die geplante Reform des EU-Urheberrechts zu protestieren. Die Reform war von der EU-Kommission auf den Weg gebracht worden, als Günther Oettinger noch Digitalkommissar war. Unter dem Motto "Save the meme" warnen die sechs Abgeordneten, die Reform könnte zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit in Europa führen. Unterstützt werden sie von 57 Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen, die einen offenen Brief ans EU-Parlament geschrieben haben.
In zwei Monaten soll der Rechtsausschuss des EU-Parlament über die Reform abstimmen, mit der große Online-Anbieter dazu verpflichtet werden könnten, urheberrechtlich geschützte Videos, Bilder oder Texte bereits beim Upload zu blockieren. Diese Filter gehen den Gegnern zu weit, sie sprechen von "Zensurmaschinen", die im Artikel 13 der Urheberrechts-Richtlinie gefordert werden.
Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur geplanten Neuregelung des EU-Urheberrechts:
Wer muss sich um die geplanten Upload-Filter kümmern?
Die EU will mit der Reform des Urheberrechts für den digitalen Binnenmarkt vor allem Internetplattformen wie Google, Facebook und Twitter in die Pflicht nehmen. Allerdings geht aus dem Dokument nicht genau hervor, welche Online-Anbieter von der Regel betroffen sein würden. Dort heißt es eher schwammig, dass Unternehmen die hochgeladenen Daten auf urheberrechtlich geschütztes Material überprüfen müssen, wenn sie davon "große Mengen speichern und für die Öffentlichkeit zugänglich machen".
Dadurch könnten auch kleinere Unternehmen gezwungen sein, Upload-Filter einzurichten. Für viele Start-ups wäre das der Todesstoß, warnen Branchenvertreter. Während die EU-Kommission von Kosten in Höhe von etwa 900 Euro pro Monat für die Filter-Software spricht, geht das Netzwerk Allied for Startups davon aus, dass Online-Anbieter eher bis zu 50.000 Euro im Monat dafür ausgeben müssen. Das wäre bei vielen Start-ups rund ein Drittel des durchschnittlichen Startkapitals.
Was kritisieren die Gegner an den Plänen?
Kritiker befürchten vor allem eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, da Inhalte gelöscht werden, bevor sie überhaupt im Internet auftauchen. "Meinungs- und Kunstfreiheit sind natürlich immer gefährdet, wenn es um Texte oder Videos geht, die geprüft beziehungsweise gelöscht werden sollen", sagt IT-Anwalt Sebastian Dramburg im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.
Ein Risiko sieht Dramburg darin, dass Rechteinhaber von Film und Musik möglicherweise bestimmen dürfen, was blockiert wird. "Das wäre natürlich ein extremer Schritt, aber die Gefahr besteht", sagt der Rechtsexperte. Schwierig sei auch, dass die juristische Einordnung in verschiedenen Ländern erfolgt, die jeweils auf einer unterschiedlichen Rechtsgrundlage beim Urheberrecht entscheiden.
Wer würde von den Filtern profitieren?
Eigentlich sollen Filmemacher, Musiker und Autoren die Nutznießer der Urheberrechtsreform werden. Doch Kritiker befürchten, gerade unabhängige Künstler könnten unter den Filtern leiden. Denn die Reform könne dazu führen, dass zum Beispiel ihre legal verwendeten Zitate und satirischen Beiträge blockiert werden, schreibt die EU-Abgeordnete Julia Reda von der Piratenpartei auf ihrer Seite .
Sollte die Unterhaltungsindustrie tatsächlich Einfluss nehmen dürfen auf die Blockadeliste, dürften jedoch Plattenlabels und Filmverleiher profitieren. Ohne zusätzliche Kosten könnten sie verhindern, dass urheberrechtlich geschützte Videos und Songs bei Facebook, Twitter und Google hochgeladen werden - und die Nutzer stattdessen auf eigene Plattformen verweisen, wo die Inhalte vermarktet werden.
Müssen Memes gerettet werden?
John Travolta blickt irritiert um sich, Homer Simpson verschwindet in einer Hecke und Barack Obama lässt das Mikrofon fallen: Animierte Gif-Bildchen sind beliebte Memes in Chat-Nachrichten, auf Facebook und Twitter. Doch die Clips zeigen auch oft kurze Szenen aus Kinofilmen und Serien. Wer ein Gif im Netz postet, bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone, da es sich in der Regel um urheberrechtlich geschütztes Material handelt.
Bisher ist das kein großes Problem, da solche Verstöße selten geahndet werden und die Unterhaltungsbranche keine Abmahnwellen gegen Nutzer startet, die solche Gifs im Netz posten. Upload-Filtern aber würden es erschweren, entsprechende Gifs überhaupt hochzuladen. Denn sobald die Filter einen Schnipsel aus einem geschützten Werk erkennen, würde der Upload direkt unterbunden. Die Kunstform Meme in ihrer heutigen Ausprägung wäre also durchaus bedroht.
Können die Pläne der EU-Kommission noch gestoppt werden?
Geht es nach der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), dann ist die geforderte Filterpflicht urheberrechtlicher geschützter Inhalte unzulässig. In einem Urteil aus dem Jahr 2012 legten die Richter fest, dass soziale Netzwerke solche Inhalte nicht per Vorfilter blockieren dürfen. Laut IT-Anwalt Sebastian Dramburg bedeutet dieses Urteil: "Die Plattformen dürfen nicht gezwungen werden, so einen Filter einzusetzen."
Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments will Ende März über die Reform des Urheberrechts entscheiden, bevor die Mitgliedstaaten darüber beraten. Im Laufe dieses Prozesses wird sich zeigen, ob der umstrittene Artikel 13 so übernommen, aufgrund der jetzt laut gewordenen Kritik überarbeitet oder sogar gestrichen wird.