Europa-Expansion Hulu bricht Verhandlungen ab

Mit dem Abbruch der Verhandlungen mit britischen TV-Sendern liegen Hulus Pläne, den populären Web-TV-Dienst nach Europa zu bringen, auf absehbare Zeit auf Eis. Was Europas Sender ihren Zuschauern im Web zu bieten haben, werden die sich weiter mühselig zusammensuchen müssen.
TV-Sendungen und Filme, kostenlos und legal: Ein Angebot wie Hulu gibt es in Europa nicht - und wird es wohl auf absehbare Zeit nicht geben

TV-Sendungen und Filme, kostenlos und legal: Ein Angebot wie Hulu gibt es in Europa nicht - und wird es wohl auf absehbare Zeit nicht geben

Die TV-Revolution wird nicht übertragen, könnte man frei, aber passend nach Gil Scott Heron  sagen: Die Betreiber der amerikanischen Web-TV-Plattform Hulu  haben ihre Verhandlungen mit britischen Sendern offenbar frustriert abgebrochen. Auf absehbare Zeit, berichtet der britische "Telegraph" , werde es damit kein Hulu-Angebot für Großbritannien geben. Das aber galt als Schlüssel zum europäischen Markt: Viele Konsumenten hofften, auf diesem Weg in den Genuss der attraktivsten, durch das Internet induzierten Neuerungen im TV-Markt zu kommen.

Denn tatsächlich hinkt Europa den USA hier inzwischen um einige Jahre hinterher. In den USA ist das 2007 gelaunchte Hulu hinter YouTube, das vor allem Videohäppchen in teils minderer Qualität bietet, der populärste Videodienst im Web. Hulu dagegen bietet gebündelt Angebote verschiedener Sender und Produktionsfirmen in hoher Qualität an. Bisher ist das Angebot werbefinanziert und für den Nutzer kostenlos, in Kürze soll es auch Bezahlinhalte geben.

Aus Perspektive des Nutzers ist Hulu eine Bibliothek von TV-Inhalten, die er on demand abrufen, auf dem Monitor oder per Streaming-Server auf dem Fernseher abspielen kann. Zu finden ist dort quasi alles, was im US-Fernsehen derzeit als attraktiv gilt.

Europa: der Flickenteppich-Medien-Markt

Professionelles Web-TV oder IPTV mit attraktiven Inhalten findet auch in Deutschland entweder in homöophatischen Dosen oder nur kostenpflichtig statt, meist aber allenfalls illegal: Von "on demand" im Sinne eines an Zuschauerwünschen orientierten, breiten Inhalte-Angebotes ist weit und breit nichts zu entdecken - geschweige denn von einer leicht zugänglichen Präsentation in gebündelter Form. Grenzüberschreitendes Fernsehen findet ebenso wenig statt - gerade das aber wäre die vielleicht attraktivste Möglichkeit, die das Internet problemlos eröffnen könnte, wenn die Rechteinhaber und Sender mitspielen würden.

Verhindert wird das vor allem durch die Balkanisierung des europäischen Marktes, in dem in jedem Land separate Lizenzen ausgehandelt werden müssen, zudem meist etliche Rechteinhaber, Verwertungsgesellschaften und Interessengruppen mitkassieren wollen. Auch die Sender haben wenig Interesse, ihre Inhalte zusammenzuführen, kochen lieber ihr eigenes Süppchen - und vorzugsweise gegen Bezahlung.

Viele Köche, noch mehr Süppchen

Das gestaltet die Versuche von Unternehmen wie Hulu, auf dem europäischen Markt Fuß zu fassen, äußerst zäh. Letzteres ließ Hulu nun in Großbritannien scheitern, wo sie vor allem bei der Sendergruppe ITV auf Granit bissen: Der größte britische Privatsender setzt vornehmlich auf seinen ITV Player, eine proprietäre Software in Konkurrenz vor allem zum BBC iPlayer, und hat offenbar wenig Interesse daran, seine Inhalte auch über andere Kanäle oder Plattformen zu verbreiten - und wenn, dann keinesfalls exklusiv. Auch andere Privatsender, berichtet der "Telegraph", hätten die Verhandlungen blockiert, weil sie nicht damit einverstanden gewesen seien, eine gemeinsame werbliche Vermarktung zuzulassen.

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ITV sieht für Großbritannien keine Notwendigkeit, eine den einzelnen Sendern übergeordnete gemeinsame IPTV-Plattform zuzulassen, um den Verbrauchern TV-Inhalte zugänglich zu machen. Die britische Szene sei überschaubarer als die amerikanische, heißt es.

Tatsächlich tickt der TV-Markt in Großbritannien auch deutlich anders als der deutsche: Es gibt ein ausgeprägtes Pay-TV-Angebot mit breiter Nutzerbasis, daneben verhältnismäßig wenige frei empfangbare TV-Programme. Die assoziieren Briten weit stärker als TV-Zuschauer hierzulande bewusst mit bestimmten Inhalten - sie wissen, dass ihre Soap "Eastenders" ein BBC-Programm ist, "Coronation Street" stattdessen ein ITV-Programm. Das geht soweit, dass sich die Sender zum Teil die Herausgabe eigener, auf eigene Inhalte beschränkter Programmhefte leisten.

Aber auf einzelne europäische Länder beschränkte IPTV-Angebote scheinen auch wenig attraktiv: Es geht auch bei Hulu in den USA nicht darum, im Internet einfach das zugänglich zu machen, was sowieso überall zugänglich ist. Das schafft hierzulande im Internet seit einigen Jahren schon der Schweizer IPTV-Dienst Zattoo , der in Deutschland vor allem Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender sowie einige Quotenschwache Exotenkanäle (Gusto tv, Bibel TV etc.) in Echtzeit verstreamt - eigentlich ein weitgehend obsoletes Angebot, da er keinen Zusatznutzen erschließt.

In China ist Hulu inzwischen weiter. Dort ging am Dienstag Qiyi online , ein von Hulu lizenzierter, hundertprozentiger Technologie-Klon des US-Angebotes - vollgestopft mit chinesischen Angeboten.

pat
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