
Konkurrenz: Streetview-Rivalen aus Europa
Europäische Foto-Atlanten Kleine Konkurrenten für Google Streetview
Hamburg - Henrik Wild und Andrei-Vasile Neagu haben keine Angst vor Google. Sie mischen sich in ein Feld ein, auf dem der Internetriese zwar viel Publicity erntet, aber auch viel Kritik einstecken muss: Europas Straßen mit Hilfe von Panoramabildern virtuell im Internet begehbar zu machen. Schon ein paar Mausklicks am PC genügen, und der Weg vom Hamburger Rathaus zur Alster wird sichtbar.
Henrik Wild, Geschäftsführer von sightwalk.de, fühlt sich auch ein wenig wie David im Angesicht Goliaths: "Das Bild wird sicher vielfach bemüht. Aber es trifft halbwegs zu. Wir arbeiten mit gerade vier Mitarbeitern von Köln aus." Dazu kämen noch die Fahrer der Foto-Autos, aber das sei immer noch "eine ganze andere Größenordnung als Google". Stolz ist er darauf, dass er als erster und derzeit einziger Anbieter von deutschen Panoramabildern am Markt sei. Er schickt schon seit 2008 Autos mit Kameras auf dem Dach durch deutsche Ortschaften.
Sieben Städte, darunter etwa Köln und Hamburg, sind heute schon virtuell begehbar, jedoch hauptsächlich im kommerziellen und touristischen Bereich. Wilds Geschäftsfeld unterscheidet sich von Googles. Bei ihm kann man Anzeigen wie in einem normalen Branchenbuch schalten: "Wir haben kein Interesse an Außenbereichen von Städten. Uns geht es speziell um Geschäfte und Einkaufszentren." Sightwalk bindet auch Direktlinks zu Wikipedia-Artikeln zu bestimmten Gebäuden oder Einrichtungen ein. Restaurants, Bars, Läden sind mit Icons markiert, Betreiber können etwa Öffnungzeiten einstellen, Nutzer Beschreibungen oder Bewertungen hinterlassen.
Ein Markt in Bewegung
Folgerichtig ist bei Sightwalk auch der Gang in einige Geschäfte möglich, die Vernetzung zum passenden Online-Shop darf nicht fehlen. Google und das Microsoft-Konkurrenzprodukt Bing haben inzwischen ihrerseits begonnen, auch Innenräume in ihre Fotoatlanten einzubinden.
Google schickte von Anfang an seine Fahrzeuge als Trojanische Pferde in die Städte und nahm neben Fotos auch noch ganz andere Daten auf. Ob zwei oder drei Fahrspuren, Einbahnschild oder Vorfahrtsstraße - Google speicherte alles, was man für ein Navigationsgerät braucht, verschenkt nun Navigationssoftware im Paket mit einigen Handy-Typen - und wirbelte damit einen ganzen Markt durcheinander. So erklärte der weltgrößte Handy-Hersteller Nokia erst Ende Januar, seine Navigationssoftware für Handys nun auch kostenlos zur Verfügung zu stellen.
In diesen Bereich will Wild derzeit nicht einsteigen. Die Sightwalk-Bilder würden aber den Anforderungen entsprechen, um in bestehende Navigationssysteme eingebaut zu werden: "Wenn, dann wäre dies mit Kooperationspartnern von Interesse."
Datenschutz im Blick
In Sachen Datenschutz gelten für die beiden kleinen Unternehmen die gleichen Einschränkungen wie für den Giganten Google. Sightwalk habe alle Gesichter, Hausnummern oder Autokennzeichnen von Anfang an unkenntlich gemacht. "Wenn es weitere Beanstandungen gibt, sind können wir auch schnell reagieren. Das ist der Vorteil unseres kleinen flexiblen Betriebes", sagt Wild.
Ähnliches gilt beim rumänischen Anbieter Norc . Besonders in Österreich musste er viel Kritik von Datenschützern einstecken. Auch wenn Norc-Geschäftsführer Andrei-Vasile Neagu im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE ausführlich darauf hinweist, dass Gesichter und Autokennzeichen gepixelt werden: "Und wenn jemand nicht will, dass sein Haus in den Panoramabildern aufscheint, so ist dieses Bild auch nicht abrufbar."
Keine Zusammenarbeit mit Google
Auch Norc soll eine Art digitales Branchenbuch ein - Eigentümer von Restaurants oder Geschäften können gegen eine Gebühr Informationen über das eigene Unternehmen, Kontaktmöglichkeiten oder Ähnliches in die Fotoansicht einbinden. Besonders präsent ist das Unternehmen derzeit im osteuropäischen Raum. Neagu sieht seinen Dienst mehr als eine Alternative zu Google denn als Konkurrent. Er ist davon überzeugt, dass derartige Angebote auch von europäischen Firmen kommen sollten. Man brauche nicht auf US-Firmen zu warten. Gerüchten, dass Norc die Bilder eigentlich an Google verkaufen möchte, erteilt er eine Absage: "Für uns ist es mehr als unwahrscheinlich, dass wir mit Google Street View zusammenarbeiten oder unsere Daten verkaufen werden."
Auch Norc-Bilder sind theoretisch für Navigationssysteme nutzbar. In Deutschland will Neagu mit Panoramabildern in München, Köln und Düsseldorf Ende dieses beziehungsweise Anfang nächsten Jahres durchstarten. So wie Google Deutschland flächendeckend mit einem virtuellen Spaziergang erforschbar zu machen, hat sich keiner der kleinen Konkurrenten zum Ziel gesetzt.
Entsprechend gelassen zeigt sich Google hinsichtlich der Mitbewerber. Pressesprecherin Lena Wagner erklärt: "Es ist generell für uns immer gut, wenn es Konkurrenz gibt. Dies beweist uns nur die Nützlichkeit und Beliebtheit unserer Dienste." Ein rechtliches Vorgehen gegen Norc, weil es für seine Dienste sogar Google Maps verwendet, schließt sie aus. Den Ankauf vorhandener Bilder kann sie sich nicht vorstellen: "Wir machen generell unsere eigenen Fotos. Es gibt ja auch mehrere Kartendienste." Ende 2010 will Google Street View mit dem deutschen Material endgültig flächendeckend online gehen.