Veranstaltungssatire auf Facebook "Schritt für Schritt das Rauchen anfangen"
"Mit Crystal Meth zur Traumfigur" oder "Blähungen unterdrücken - aktive Lernwoche" : Solche nicht ganz ernst gemeinten Veranstaltungen finden sich derzeit zuhauf auf Facebook, das Netzwerk scheint geradezu geflutet zu werden mit Veranstaltungsplanungen, die Satire sind. Eine "Erfolgreich Likes sammeln mit Gaga-Veranstaltungen"-Party hat zwar noch niemand geschmissen, aber die Erfolgsfaktoren liegen auf der Hand:
1. Der Titel
Wichtig ist eine knackige Schlagzeile. "Taschendiebstahl leicht gemacht" sorgt zuverlässig für kurzes Innehalten im vorbeirauschenden Newsstream. Wie bei der Nachrichten-Satire des Postillon sollte der Veranstaltungstitel bereits den kompletten Witz beinhalten. Für die schnellen Likes müssen eilige Mitmenschen so keine Zeit mit dem Content verschwenden.

Der Titel der Veranstaltung muss sitzen, wie hier beim "Illegalen Seifenkistenrennen"
2. Das Thema
Um beim vernetzten Hochfrequenz-Witzewettkampf in Führung zu gehen, sollten zudem die Inhalte der Veranstaltung - vorsichtig gesagt - sozial etwas abseits stehen. Schließlich wird Facebook dem sterilen Karriere-Netzwerk Xing immer ähnlicher. Da die Leute immer seltener bereit sind, ihre persönlichen Spleens mit der Welt zu teilen, sorgen überspitzte Bekenntnisse zu moralischen Lastern für Momente des Aufatmens bei Facebook.
Ein ganzes Genre der Veranstaltungssatire widmet sich beispielsweise dem Missbrauch von Genussmitteln: "Psychoaktive Kröten lecken" am 9. Mai, "Mit Crystal Meth zur Traumfigur" am 9. Juli oder "Schritt für Schritt das Rauchen anfangen" . Der letztere Kurs hat offenbar einen Nerv der von Raucherschutzgesetzen geplagten Bevölkerung getroffen - 31.000 Interessierte und 12.000 feste Zusagen gibt es bisher, es könnte also eng werden am Veranstaltungsort, dem "Kiosk in der einen Straße".
Sex, Kriminalität oder Jugendschutz funktioniert ebenfalls zuverlässig. Für eher pubertäre Spaßvögel bietet sich etwa die "Leben mit großem Penis - Selbsthilfegruppe" an. Das war schon vor zehn Jahren, zu StudiVZ-Zeiten, ein beliebter Gag. "Nie wieder zur Arbeit - Reich mit Sportwetten" reizt ebenfalls, weil es an das menschliche Grundbedürfnis nach Faulheit appelliert und Schlaumeier dazu ermuntert, einem den Unsinn auszureden.

Der Trend zum Coaching greift in alle Lebensbereiche ein. Raucherhumor auf Facebook
3. Die Performance
Auch Satire ist in Zeiten von Social Media längst zum interaktiven Happening für alle geworden. Professionelle Quatsch-Veranstalter müssen ihrem Publikum verschiedene Rollen zum Mitmachen anbieten. Für den richtigen Buzz sorgen nämlich die Empörten. Die sind im Internet ja bekanntlich eine unendliche Ressource.
Die feine Kunst besteht nun darin, eine breite Masse zu provozieren. Dabei dürfen tolerante Bio-Deutsche nicht so einfach vom Haken gelassen werden. Dennoch sollte man darauf achten, sich nicht mit Hass-Gruppen wie Ausländerfeinden gemein zu machen, denn die verstehen keine Ironie, was die Gefahr birgt, dass es die bekloppte Idee in einigen Jahren dann tatsächlich gibt - man denke etwa an die Reichsbürgerbewegung.
Gekonnt setzt diese Anforderung das "2. Saarländische Kindertätowieren und Piercen" des "NWO Chapter Saar" um, wozu auch das Titelbild mit der schlechten Fotomontage zweier tätowierter Kleinkinder beiträgt. "Erlaubt sind alle Kinder bis 12 Jahre. Es dürfen alle selbst mitgebrachten Kinder tätowiert werden" heißt es dazu in der Beschreibung. 12.000 Interessierte, 5400 Zusagen.

Die Details müssen stimmen. Ein völlig beliebiges Stockfoto wird mit etwas Nachbearbeitung zum Elternschreck
Und ein paar arme Wichte, die drauf reinfallen - oder zumindest die Rollen der Verständnislosen und Empörten überzeugend darstellen, so genau lässt sich das oft nicht mehr unterscheiden. Mal fragen sie dann vorsichtig "Nicht wirklich, oder???", mal geben sie besorgte Ratschläge, oder es wird einfach nur - stilecht mit schräger Rechtschreibung und Interpunktion - geschimpft.

Eine typische Szene. Nur wer macht sich hier über wen lustig? Die Teilnehmer scheinen sich zumindest in ihren Rollen zu gefallen
Die Mehrheit der Leute ist allerdings gar nicht so doof, wie alle immer glauben, und durchschaut das Spiel sofort. Für sie ist die Rolle der Komplizen vorgesehen. Wahlweise versuchen diese, die ursprüngliche Vorlage zu überbieten ("Ich wünsche mir für meine achtjährige Tochter ein Branding. Macht ihr das auch?"), oder sie legen sich mit den Empörten an und ermahnen sie zu mehr Toleranz.
Allmählich wird eine solche Fake-Veranstaltung dann zu einem Treffpunkt, wo sich vermeintlich kluge Menschen über vermeintlich dumme Menschen lustig machen. Das kann ziemlich lange so weitergehen, wenn gelegentlich ein neuer Dummen-Darsteller den Klugen-Darstellern frisches Futter liefert, damit diese sich nicht so schnell ihrer Überheblichkeit bewusst werden und dadurch die Lust am Spiel verlieren.
Die Strippenzieher
Alberne Facebook-Events gibt es schon länger, nur tauchten sie bisher eher vereinzelt auf. Nun erstellen allerdings mehrere Seitenbetreiber gezielt und regelmäßig solche Veranstaltungen. "Die nicht so schmierige Veranstaltungsfirma" etwa wurde Anfang Juni gestartet, jetzt folgen ihren Scherzen bereits fast 27.000 Menschen. Erste Trittbrettfahrer wollen den Erfolg wiederholen.
Hinter dem Fake-Eventmanager steckt ein 21-jähriger BWL-Student aus Würzburg. Dass andere seine Veranstaltungstexte unverändert kopieren und neu einstellen, ärgert ihn ein wenig. Ernst sind ihm seine Scherze aber nicht.
Auf Nachfrage bezeichnet er "Die nicht so schmierige Veranstaltungsfirma" als Hobbyprojekt: "Wenn ich mal keine Lust mehr habe, kann der Postillon gerne damit weitermachen." Wie die Worte eines um Aufmerksamkeit heischenden Social-Media-Profis, der bei jedem Klick an den Tausend-Kontakt-Preis denkt, klingt das jedenfalls nicht.

Der Vorreiter der Fake-Veranstaltungs-Szene ist "Die nicht so schmierige Veranstaltungsfirma".