Myanmar Facebooks halbherziger Kampf gegen den Hass

In Myanmar ist Facebook der wichtigste Internetdienst, und er ist voll von Aufrufen zu Gewalt gegen muslimische Minderheiten. Ein Bericht deckt auf, wie lange der Konzern das schon weiß - und wie langsam er reagiert.
Werbung für Mobilfunktarife mit Facebook-Optionen in Myanmar

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Foto: ANN WANG/ REUTERS

Facebook verliert den Krieg gegen den Hass in Myanmar: So beschreibt es ein Bericht  der Nachrichtenagentur Reuters. Das soziale Netzwerk sei dort innerhalb weniger Jahre zum alles dominierenden Internetdienst geworden, aber bis heute beschäftige das Unternehmen keinen einzigen Mitarbeiter in dem 50-Millionen-Einwohner-Land.

Frühe Hinweise auf Rassismus und Gewaltaufrufe gegen muslimische Minderheiten wie die Rohingya habe Facebook nicht ernst genug genommen. Das Ergebnis: Sätze wie "Wir müssen die Rohingya bekämpfen, wie Hitler es mit den Juden getan hat" stehen seit 2013 unangetastet auf Facebook.

Rohingya-Flüchtlinge (Archiv)

Rohingya-Flüchtlinge (Archiv)

Foto: MARKO DJURICA/ REUTERS

Reuters will allein in der vergangenen Woche mehr als 1000 solcher Posts, Kommentare, Bilder und Videos gefunden haben, fast alle in der Landessprache Burmesisch. Viele davon waren seit Jahren online. Die Rohingya werden darin als Hunde, Maden und Vergewaltiger bezeichnet. Es gibt Aufrufe, sie zu erschießen, an Schweine zu verfüttern oder auszurotten. Die Inhalte spiegeln die Stimmung im Land wider, in dem es nach Einschätzung der Uno "ethnische Säuberungen" gibt und aus dem deshalb 700.000 Muslime nach Bangladesch geflohen sind.

60 Prüfer für 18 Millionen Nutzer

Die nötigen Ressourcen, um solche Inhalte zu entfernen, hat Facebook bisher nicht zur Verfügung gestellt. Anfang 2015 gab es ganze zwei Leiharbeiter, die Burmesisch sprachen und Inhalte kontrollierten. Heute, schreibt Reuters unter Berufung auf anonyme Quellen, gibt es 60.

Die arbeiten aber nicht direkt bei Facebook, sondern für einen Dienstleister in Malaysia, der von Nutzern gemeldete Inhalte aus mehreren asiatischen Ländern prüft. Facebook selbst habe nur drei Vollzeitangestellte, die Burmesisch sprechen, sie arbeiten von Dublin aus. Zusammen müssen diese Menschen die problematischen Inhalte von 18 Millionen burmesischen Facebook-Nutzern prüfen.

Facebooks Sonderrolle im burmesischen Internet verschärft das Problem: Mit der Öffnung des Telekommunikationsmarktes ab 2013 wurden Mobilfunkverträge erschwinglich und Facebook zur Allzweck-App für Kommunikation, Nachrichten, Videos und Unterhaltung. Verstärkt wurde die Vormachtstellung noch durch die Mobilfunkanbieter, die neue Kunden anlockten, indem sie Facebook nicht auf das gebuchte Datenvolumen anrechneten. Die Folge: Der News Feed wurde für die Einwohner zur wichtigsten Nachrichtenseite, es fehlt an relevanten Alternativen.

Die Facebook-Managerin Sara Su hat am Erscheinungstag des Reuters-Berichts einen Blogeintrag  veröffentlicht, in dem sie Probleme in Myanmar einräumt und Verbesserungen verspricht. Bis Ende des Jahres sollen "mindestens 100" Prüfer mit Burmesisch-Kenntnissen unter Vertrag sein, das wären 40 mehr als heute.

Die Meldeverfahren für Nutzer, die Facebook auf problematische Inhalte hinweisen sollen, sollen vereinfacht werden. Bisher sei die Rate an gemeldeten Inhalten niedrig. Das liege auch daran, dass mehr als 90 Prozent aller Smartphones in Myanmar nicht den Unicode-Standard zur Darstellung von Schrift nutzen, sondern die lokale Alternative Zawgyi. Die Anleitungen von Facebook seien für die Nutzer deshalb oftmals schwer lesbar.

Automatisierte Prüfung von Inhalten soll verbessert werden

Außerdem will Facebook problematische Inhalte verstärkt automatisiert erkennen, also noch bevor Nutzer darauf aufmerksam werden. Zuletzt habe das Unternehmen auf diese Weise jeden zweiten letztlich entfernten Inhalt identifiziert. Weil es jedoch keine absoluten Zahlen nannte, ist unklar, um welche Größenordnung es geht.

Sinnbildlich für Facebooks Schwierigkeiten in Myanmar ist Reuters zufolge die selbst entwickelte Übersetzungsfunktion, mit der Nutzer Burmesisch ins Englische übertragen können. Aus dem von Reuters entdeckten burmesischen Eintrag "Tötet alle Kalars (Schimpfwort für Rohingya - die Red.), die ihr in Myanmar seht; keiner sollte am Leben gelassen werden" wird im Englischen "Ich sollte keinen Regenbogen in Myanmar haben".

Das Unternehmen wies darauf hin, dass es für die automatische Erkennung von Hassrede ein anderes System verwende. Das Übersetzungsteam arbeite aber "aktiv an neuen Wegen, die sicherstellen sollen, dass die Übersetzungen präzise sind".

pbe/Reuters
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