Nachrichten im Netzwerk Facebook hat ein Trend-Problem

Facebook hat in den USA gerade seine Trending-Liste überarbeitet: Sie wird nicht mehr von Journalisten, sondern von Software bestückt. Ausgerechnet jetzt verbreitete das System eine Falschmeldung.
Wandbild im Facebook-Hauptquartier

Wandbild im Facebook-Hauptquartier

Foto: Jeff Chiu/ AP

Was am Montag bei Facebook vorgefallen ist, passiert im Internet ständig: Eine falsche Nachricht, ein sogenannter Hoax, wurde vielen Nutzern des sozialen Netzwerks angezeigt. Verbreitet wurde der Hoax aber an prominenter Stelle, über Facebooks Trending-Liste.

US-Nutzer bekommen hier Stichworte zu sehen, die gerade viel Interesse finden. Ganz oben auf dieser Liste stand Montag der Name "Megyn Kelly". Fuhren Nutzer mit dem Cursor darüber, zeigte Facebook ihnen einen Artikel zum Thema, die Quelle war ein Blog aus dem rechten Spektrum. In dem Text wird behauptet, der US-Fernsehsender Fox News würde die Star-Moderatorin rausschmeißen.

Diese Nachricht allerdings war falsch. Wenige Stunden später verschwand Megyn Kelly dann auch wieder aus der Trending-Liste, berichtet die "Washington Post" .

Dieser Vorfall wäre nicht unbedingt eine Meldung wert, doch er passiert zu einem bemerkenswerten Zeitpunkt - genau, während Facebook im Bereich der Trending-Liste nach der richtigen Balance zwischen Mensch und Maschine sucht.

An dem Menschenteam gab es Kritik

Bis vor Kurzem hatte Facebook einige Journalisten unter Vertrag, die die Liste betreuten. Sie sortierten bestimmte Themen aus und verfassten kurze Beschreibungen. Dabei halfen ihnen Algorithmen, die bestimmten, welche Themen gerade im Trend lagen. Man könnte sagen, dass hier menschliche Kuratoren von Algorithmen unterstützt wurden.

Mitte des Jahres erhoben dann ehemalige Kuratoren den Vorwurf, dass Inhalte konservativer Medien dabei regelmäßig unterdrückt würden. Facebook weist diese Vorwürfe bis heute zurück, doch vergangenen Freitag hat das soziale Netzwerk dem Portal "Quartz" zufolge  die Journalisten komplett abgeschafft.

Facebook scheint sein Heil in Algorithmen zu suchen, die Trending-Liste soll automatisch entstehen. Algorithmen kann man auch nicht so leicht vorwerfen, politisch voreingenommen zu sein. Man kann ihnen aber vorwerfen, unintelligent oder nicht gut genug zu sein.

"Das Produkt in die richtige Richtung lenken"

Das weiß man natürlich bei Facebook. Daher wurde dort nun ein Team mit technischen Fähigkeiten zusammengestellt, "das dabei helfen soll, das Produkt in die richtige Richtung zu lenken". Mit diesem Satz zitiert "Slate" eine Facebook-Stellungnahme . Das liest sich so, als ob nun maschinelle Kuratoren von Menschen unterstützt werden.

Doch am Montag scheint dabei irgendwas schiefgegangen zu sein, als die Kelly-Falschmeldung an erster Stelle der Liste landete. Laut "Slate" sagte eine Facebook-Sprecherin, dass das Thema die Kriterien des Trending-Teams erfüllt habe, weil es oft und an vielen Stellen Erwähnung gefunden habe. Bei einer Überprüfung habe es sich aber als falsch herausgestellt, deshalb sei es aus der Liste genommen worden. Man werde nun versuchen, Fakes und Satiren besser zu erkennen.

Ob das eher die Aufgabe von Algorithmen sein wird oder doch von Menschen, ist nicht klar. "Slate" hat mit drei ehemaligen Kuratoren von Facebook gesprochen. Zumindest zwei von Ihnen sei bewusst gewesen, dass ihre Arbeit zeitlich begrenzt war, heißt es. Sie sollten nicht nur dabei helfen, die Liste zu bestücken, sondern auch dabei, den Algorithmus zu trainieren, der sie irgendwann ersetzen sollte.

"Durcheinander aus Clickbait ohne Kontext"

Doch einige habe es überrascht, wie schnell sie ersetzt wurden. Der Algorithmus sei noch nicht bereit, allein zu arbeiten, er fördere ständig Clickbait und Geschichten ohne Nachrichtenwert nach oben, heißt es.

Vielleicht versuchen hier geschasste Teammitglieder etwas Schlechtes über ihren Auftraggeber loszuwerden. Zumindest "Slate" beurteilt die Kritik aber als berechtigt. Die Trending-Liste sehe nun aus wie ein "Durcheinander aus Clickbaits ohne Kontext", schreibt das Onlinemagazin.

Zu den aktuellen Ambitionen des sozialen Netzwerks würde eine solche Entwicklung nicht passen. Facebook will explizit gegen Clickbaiting vorgehen und interessante und relevante Nachrichten liefern.

Als Facebook-Chef Mark Zuckerberg jüngst in Rom gefragt wurde, ob Facebook eine Art Nachrichtenportal werde , antwortete er übrigens: "Nein, wir sind ein Technologieunternehmen, kein Nachrichtenunternehmen."

Doch tatsächlich agiert das soziale Netzwerk zumindest mit seiner Trending-Liste irgendwo zwischen Tech- und Newskonzern: Facebook generiert zwar keine Nachrichten, aber es wählt sie aus und präsentiert sie und wird dadurch auch zu einem Nachrichtenmedium. Und um das gut zu machen, muss es den Spagat schaffen zwischen der Automatisierung, die die Algorithmen versprechen, und einer intelligenten Auswahl, die bislang manchmal offenbar nur Menschen hinbekommen.

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