Einschätzung des EU-Gutachters Anschlussinhaber haftet für Filesharing der Familie

Ein Hörbuch landet illegal im Netz, doch den fraglichen Internetanschluss nutzt eine ganze Familie: Wer haftet? Der Fall beschäftigt den EuGH in Luxemburg. Nun veröffentlichte ein Experte seine Einschätzung.
Gelände vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)

Gelände vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)

Foto: Geert Vanden Wijngaert/ dpa

Ein Internetanschluss, mehrere Nutzer: So dürfte der Netzzugang in nahezu allen deutschen Familien geregelt sein. Ein Familienmitglied hält den Vertrag, alle Haushaltsmitglieder surfen mit im Netz. Doch was passiert, wenn die Verbindung genutzt wird, eine Urheberrechtsverletzung zu begehen? Hält die Familie dicht, kommen schließlich prinzipiell mehrere Verdächtige in Frage.

Aus Sicht eines EU-Gutachters kann in so einem Fall der Inhaber eines Internetanschlusses für das illegale Filesharing haftbar gemacht werden. Das Grundrecht auf Schutz des Familienlebens dürfe nicht die Haftung für Urheberrechtsverletzungen aushebeln, argumentierte Generalanwalt Maciej Szpunar am Europäischen Gerichtshof. Das Gutachten zu einem Fall aus München wurde am Mittwoch in Luxemburg veröffentlicht  (Rechtssache C-149/17).

Schuldfrage unklar

Der Verlag Bastei-Lübbe hatte gegen einen Mann geklagt, über dessen Anschluss ein Hörbuch auf einer Tauschbörse gelandet und zum Herunterladen angeboten worden sei. Der Inhaber bestreitet das und argumentiert, dass auch seine Eltern Zugriff auf den Anschluss gehabt hätten. Laut bestehender deutscher Rechtsprechung muss aber wegen des Schutzes von Ehe und Familie keine Auskunft über die Nutzung durch Angehörige gegeben werden. Dadurch wäre die Schuld nicht eindeutig zu klären. Das Landgericht München hatte den Fall nach Luxemburg verwiesen.

Der zuständige EuGH-Generalanwalt Szpunar argumentierte, geistiges Eigentum seien ebenso wie Familienrechte durch die Charta der Grundrechte der EU geschützt. Urheberrechtsansprüche müssten daher durchsetzbar sein. "In diesen Fällen müsste das Eigentumsrecht Vorrang vor dem Recht auf Achtung des Familienlebens haben", schrieb der Gutachter. Sollte es keine Auskunft über Familienangehörige geben, müsse der Inhaber des Anschlusses haftbar gemacht werden.

Eltern nutzen laut Kind keine Tauschbörsen

Im vorliegenden Fall müsse das Münchner Gericht zudem prüfen, ob der Beklagte das Grundrecht nur vorbringe, um sich selbst zu schützen. In der Vorinstanz hatte er bereits angeführt, seine Eltern nutzten seiner Kenntnis nach die Tauschbörse nicht.

Ein Urteil in dem Fall dürfte in den kommenden Monaten fallen. Die EuGH-Richter folgen der Einschätzung der Gutachter häufig, aber nicht immer.

Deutsche Gerichte verhandelten bereits ähnliche Streitigkeiten. In einem vielbeachteten Fall, ebenfalls aus München, war ein Album von Sängerin Rihanna illegal ins Netz gestellt worden. Die Eltern wollten aber auf eine Schadenersatzklage der Plattenfirma hin nicht sagen, welches ihrer drei Kinder für das illegale Hochladen verantwortlich war.

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) stellte 2017 daraufhin klar, dass in diesem Fall die Eltern haftbar gemacht werden können.

gru/dpa
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