
Selbstporträt-Collage: Forscher analysieren Tausende Instagram-Fotos
Foto: selfiecity.netWie zeigen sich Menschen auf Instagram? Medienwissenschaftler haben mehr als 120.000 Fotos analysiert und Selbstporträts aus Bangkok, Berlin, Moskau, New York und São Paulo herausgefiltert. Sie untersuchen: Wer fotografiert sich und wie schaut die Mehrheit drein?
Common Sense ist: Selfies sind ein globales Phänomen im Netz. Nahezu überall fotografieren Menschen sich selbst und veröffentlichen die Eigenporträts in sozialen Netzwerken. Die Empirie ist komplizierter und viel spannender: Wie die Instagram-Analyse eines Forscherteams um den Informatiker Lev Manovich zeigt, haben die Selbstporträts ganz spezielle nationale Muster.
Einige Erkenntnisse der Forscher:
Mehr Frauen als Männer veröffentlichten Selfies
Das ist ein globales Phänomen: In den fünf untersuchten Städten sind auf den öffentlichen Instagram-Selbstporträts mehr Frauen als Männer zu sehen. Die Quote ist allerdings sehr unterschiedlich. In Bangkok (30 Prozent mehr Frauen als Männer) und Berlin (90 Prozent mehr Frauen-fotos) ist das Geschlechterverhältnis nicht so stark verzerrt wie in Moskau.

In der russischen Hauptstadt haben die Forscher 460 Prozent mehr Frauen- als Männer-Selfies gezählt. Das Geschlecht der Porträtierten haben die Forscher in einem mehrstufigen Verfahren von bezahlten Helfern und einer Software zur Bildanalyse feststellen lassen.
Ältere Männer, jüngere Frauen
Bezahlte Mitarbeiter (die Forscher haben sie über die Amazon-Plattform Mechanical Turk angeworben) schätzten auch das Alter der abgebildeten Personen auf den Aufnahmen. Das Ergebnis dieser mehrstufigen Analyse: Das Durchschnittsalter der Porträtierten ist in Bangkok am niedrigsten, in New York am höchsten.

In allen fünf Städten sind die Selfie-Männer im Durchschnitt älter als die Frauen.
Bangkok lächelt
Die von den Forschern genutzte Bildanalyse-Software ermittelt, ob die Porträtierten lächeln, ob Mund und Augen geöffnet sind. Die Auswertung zeigt, dass auf den Bildern aus Bangkok mehr gelächelt wird als in anderen Städten.

Am wenigsten Lächeln sieht man auf den Aufnahmen aus Moskau.
Stark geneigte Köpfe in São Paulo
Wie stark die Köpfe der Porträtierten auf den Aufnahmen geneigt sind, kann die Bildanalyse-Software sehr gut erkennen und einen entsprechenden Winkel berechnen. Die Neigung entsteht, wenn jemand sein Telefon beim Fotografieren schief hält oder den Kopf neigt.

Bei diesen Neigungswerten gibt es deutliche Unterschiede nach Geschlecht und Aufnahmeort: Selfies mit porträtierten Frauen sind schiefer, am stärksten sind Aufnahmen aus São Paulo geneigt.
Selbst experimentieren
Die Wissenschaftler haben alle analysierten Aufnahmen in einer Online-Datenbank veröffentlicht. Über das Werkzeug kann jede Aufnahmen nach Lächeln, Aufnahmeort, Stimmung, Alter und anderen Parametern filtern und mit dem Datenbestand experimentieren.
Zur Datenauswahl:
In der Datenbank sind insgesamt 3200 Fotos abrufbar - 640 je Stadt. Sie wurden aus allen Instagram-Aufnahmen ausgewählt, die zwischen dem 4. und dem 12. Dezember 2013 im Zentrum der fünf untersuchten Städte aufgenommen worden sind. Aus diesem Gesamtbestand haben die Forscher zunächst 120.000 Fotos zufällig ausgewählt.

Jede dieser Aufnahmen wurde von mehreren Menschen mit der Fragestellung analysiert: Selfie oder nicht? Zwei bis vier Menschen mussten jedes Bild bewerten. Danach wurden die 1000 Aufnahmen je Stadt mit den meisten Selfie-Meldungen noch einmal von bezahlten Mitarbeitern analysiert. Sie sollten bestätigen, dass es sich um Selbstporträts handelt, das Geschlecht der gezeigten Person bestimmen und das Alter schätzen.