"Friends Day" bei Facebook Das trojanische Pferd tanzt

Screenshot aus dem Facebook-Video
Foto: Facebook"Was machst Du gerade?", fragt mich Facebook an diesem Morgen. Mich wundern: Es ist "Friends Day" wurde ich gerade informiert. Zur Feier des Tages lässt Facebook eine virtuelle Figur für mich tanzen, die komplett aus frei schwebenden Foto-Buttons bestand. Darauf, ab und an in Großaufnahme zu sehen, meine "Friends".
Ich habe mir das komplett emotionsfrei angesehen. Und zuerst gedacht: Besser kann man nicht demonstrieren, was am Facebook-Konzept nicht stimmt.
Denn von den Freunden, die Facebook da für mich tanzen ließ, kenne ich im realen Leben nur drei. Die anderen sind sicher nette Leute, unsere Facebook-Accounts sind per Like oder "Freund hinzufügen" verbunden und bestimmt lesen wir ab und zu voneinander oder sehen die Dinge, die der oder die jeweils andere per Like empfiehlt oder weiterverbreitet. Aber macht uns das zu Freunden? Nein, wir sind uns nach wie vor komplett fremd.
Kann ja auch nicht anders sein. Kein Mensch hat Hunderte Freunde. Und wer sich das von Facebook einreden lässt, entwertet Konzept und Bedeutung von Freundschaft. Es ist eine Form von Realitätsverlust: Freundschaft ist ein emotionales, auf gegenseitiges Vertrauen und tiefe soziale Beziehungen fußendes Bindemittel zwischen Menschen. "Freund" ist ein starkes, bedeutungsvolles Wort.
Freunde wissen Intimes voneinander, sie kennen sich, sie teilen Gefühle füreinander, sie vertrauen sich Dinge an, die sonst niemand weiß. So etwas ist extrem selten. Es ist wertvoll, und das weiß auch Facebook.
Facebooks falscher Freundschaftsbegriff
Mehr als knapp zwei Dutzend solche Freundschaften, sagen Anthropologen und Psychologen, können wir nicht bewältigen. Die meisten von uns finden nur sehr wenige echte Freundschaften im Laufe unseres Lebens, und so mancher von uns keine. Das ist traurig, weil es uns ärmer macht, ohne Freunde zu sein. Und Klick-Freundschaften sind da definitiv kein Ersatz.
Die fußen auf einem konditionierten Reiz: Ein Like ist eine Belohnung, der Geburtstagsglückwunsch für jedermann, zu dem uns Facebook so penetrant treibt, eine noch größere. Reichen wir Artikel weiter, bekommt der "Freund", der ihn in Umlauf brachte oder ebenfalls weiterreichte, darüber eine Rückmeldung. Auch das ist klassische Konditionierung: Fein gemacht, heißt das, richtig ausgewählt, weiter so. Pawlows Hund lässt grüßen.
Die Freunde und Verwandte aus dem realen Leben, mit denen ich auch bei Facebook verbunden bin, konnte ich übrigens (mit einer Ausnahme) in meiner Tanzfigur nicht entdecken. Letztlich ist das beruhigend, weil es offenbar zeigt, wie viel Facebook über mich nicht weiß.
Was soll das alles?
Aber die Facebooker sind ja nicht doof: Sie wissen, wo ihre Schwächen sind. Und um die abzubauen, lassen sie sich "Friend-Days" einfallen. Am Ende des Films bieten sie Nutzern jedenfalls die "Bearbeitung" des Videos an: Man kann dann Bilder von Freunden seiner Wahl in den Freudentänzer einfügen, um diesen treffsicherer zu gestalten.
Wenn hier jemand aktiv wird, freut das am Ende auch Facebook, weil das Netzwerk anschließend genauer als vorher weiß, wer einem wie wichtig ist. Der Freudentänzer entpuppt sich so am Ende als ziemlich cleveres, wenn auch perfides Instrument, dessen Hauptzweck es sein dürfte, Daten über uns zu sammeln.
Wie sagte Laokoon, der Priester der Trojaner, so schön in der Aeneis? "Was immer es ist, ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen." Denn was wie ein Geschenk aussieht, entpuppt sich bei denen allzu oft als Falle.
Man könnte den "Friends Day" mit seinem tanzenden Köder also höchst treffend auch in "Lass-mal-die-Hose-runter-Tag" umbenennen. Klingt halt nicht so positiv.