Fußball-Fanfilme Showtime für die schönsten Sommermärchen
Der Sieger steht fest: Er heißt Fabian Moritz, ist 17, und lebt in Laatzen. Der Schüler betreibt die Seite legofussball.com - und seine mit Legomännchen auf Plastikrasen nachgestellten EM-Torszenen haben es in beide Filme geschafft, die auf der Grundlage von Nutzerbeiträgen von deutschen Star-Regisseuren zusammengeschnitten wurden.
Detlevs Bucks Produktionsgesellschaft Silberlink schnitt im Auftrag von Google Beiträge von hunderten YouTube-Nutzern zu einem 50 Minuten langen Film zusammen. Sönke Wortmann benutzte Fanfilmchen, die "Bild am Sonntag"-Leser eingesandt hatten.
Die YouTube-Nutzer und Bucks Team haben insgesamt das bessere Resultat abgeliefert. Sie hatten allerdings auch mehr Zeit, weil das Wortmann-Projekt EM-begleitend ablief.
Wortmann hat drei Filme zusammengeschnitten, die insgesamt gut 20 Minuten lang sind und das Erwartbare zeigen: Menschen die "Deutschland!" rufen. Menschen, die auf nicht hörbare Fragen immer wieder "Deutschland natürlich!" antworten. Menschen, die ihre Wohnzimmer und Vorgärten schwarz-rot-gold dekorieren. Und Torjubel, immer wieder Torjubel. Unterlegt ist das Ganze mit Beethoven, Debussy und den offiziellen EM-Songs von Revolverheld und Christina Stürmer, die man nun wirklich nicht mehr hören kann und will. Wortmanns drei Teile "Sommermärchen 2008" wirken wie ein sehr langer Trailer für die Europameisterschaft, mehr nicht.
Schiefertafel als Flatscreen
Der 50-Minüter, der unter Bucks Oberaufsicht aus YouTube-Clips zusammengestellt wurde, ist dagegen ein echter Film. Genauer gesagt: eine Art Meta-Film. Denn das, was den Plot eigentlich ausmacht, sieht man nicht: Weder Nationalspieler noch Match-Bilder, noch nicht einmal Aufnahmen aus dem Stadion, von einer winzigen Aufnahme abgesehen.
Das liegt an einem Rechteproblem, macht aber in Wahrheit die Stärke des Films aus: "23Tage" erzählt eine über weite Strecken witzige, rasant geschnittene Geschichte parallel zu den Erinnerungen, die jeder, der die EM verfolgt hat, ohnehin im Kopf mit sich herumträgt. Der deutschtürkische Videoblogger "Tiger" zeigt da in seinem mit einer Schiefertafel als "Flatscreen" ausgerüsteten "Süper EM-Stüdyo" Karten-Umrisse und gibt Spielberichte in Sekundenlänge ab. Das reicht, weil man sich ohnehin erinnert, wie das war, Deutschland gegen Portugal.
"Tiger" ist einer von mehreren Protagonisten, die den Film von Anfang bis Ende tragen, gemeinsam mit zwei deutschen Jungs, die mit ernsten Minen Spielprognosen abgeben ("Titelgewinn für Spanien - gibt's nicht"). Und mit "Tobi und Alex", die - ein Glücksfall für Buck - mit Mofas samt Anhänger von Hamburg nach Wien tourten, um dort das Endspiel zu sehen. So ist "23Tage" neben allem anderen auch ein kleines bisschen Roadmovie. Nach dem verlorenen Spiel gegen Kroatien haben die beiden einen Platten - und werden samt Mofa von einem kroatischen LKW-Fahrer am Straßenrand aufgelesen.
Türken sind Europameister in der Disziplin Autocorso
Überhaupt ist der Film im Gegensatz zum Wortmann-Werk multikulturell, enthält Jubelszenen aus deutschen Wohnzimmern ebenso wie aus türkischen Teestuben. Und er zeigt einmal mehr: Die Türken sind Europameister geworden - in der Disziplin Autocorso.
Insgesamt über 82 Stunden Material seien zu sichten gewesen, teilt Google mit - und das sieht man: Die 50 Minuten "23Tage" sind rasant und proppenvoll, mit teils spektakulären Kick-Tricks und vielen nachgestellten Spielszenen: mit den Fingern, mit Tippkick-Figuren, mit Lego, oder auf dem Bolzplatz. Das Duell Frankreich-Italien illustrierte ein Einsender mit einer Mannschaft aus Schneckenhäusern und einer aus Makkaroni.
Eine Lehre lässt sich aus dem Vergleich "23Tage" gegen "Sommermärchen 2008" ziehen: Wer aus nutzergenerierten Inhalten Filme machen will, braucht Masse.
Bucks Film wird nun in zehn deutschen Städten in Cinestar-Kinos gezeigt, für den symbolischen Eintrittspreis von 2,30 Euro - das eingespielte Geld kommt wohltätigen Zwecken zugute. Kinotauglich ist der Film, digital projiziert, tatsächlich - weil man sich von vielen Beitragenden zusätzlich zum komprimierten YouTube-Filmchen das Originalmaterial besorgt hat. So sind die völlig zerpixelten Intermezzi aus Handy-Kameras und anderen Quellen Authentizität schaffende Einsprengsel, keine augenschädlicher Dauerzustand.
Der Endstand: YouTube gegen "Bild am Sonntag" - 1:0, wenn's um Fußballfilme geht. Sich mit der Idee für den ersten nutzergenerierten Fußballfilm zu schmücken, kommt beiden ohnehin nicht zu: Schon zur WM 2006 schnitt der Journalist und Autor Tom Theunissen für Friedrich Küppersbuschs Probono TV einen Film aus von Fans gedrehten Schnipseln zusammen.
Der lief damals zwar nur auf "Premiere", war aber trotzdem für einen Grimme-Preis nominiert. Den er selbstverständlich nicht gewann - denn alles, was mit Fußball zu tun hatte, sammelte damals Wortmanns erstes "Sommermärchen" ein.