Game Bytes Saddam, der Krieg und die Konsolen

Der Cell-Superchip, der in die nächste Konsolengeneration von Sony eingebaut werden soll, hat militärisches Potential. Ein Hersteller, der auch Rüstungsfirmen beliefert, will ihn einsetzen. Ungemach droht: Schon einmal versetzte die Rechenkraft einer Konsole Geheimdienste in Angst und Schrecken.

Der Volks-Supercomputer wartet schon. Und über all auf der Welt reiben sich Diktatoren die Hände. Die Welt täte gut daran, die kriegsentscheidende Macht der Konsolen zu fürchten.

Sensationelles raunt man sich über den Cell-Prozessor zu, das IBM-Produkt, das als Herz einer jeden Playstation 3 rasend schlagen soll. Fast dreihundertmal schneller als eine Playstation 2 (PS2) soll Sonys nächste Konsole sein - und schon das aktuelle Modell galt bei seiner Einführung als waffenfähig.

"Die Welt" zitierte Ende 2000 einen US-Sicherheitsexperten. Der hatte ausgerechnet, dass mit 12 bis 15 PS2s, die zu einem Supercomputer zusammengeschaltet wären, ein unbemanntes Flugzeug gesteuert werden könnte, "von dem aus chemische Waffen eingesetzt werden könnten". Die für den gemeinen Konsolero mit einem Groll gegen Nachbars Katze vielleicht ganz attraktive, ansonsten aber doch etwas abwegige Überlegung hatte einen durchaus ernsten Hintergrund: Saddam Hussein hatte 4000 PS2s für den Irak geordert - heimlich.

Die Geräte seien nicht gesammelt bei Sony, sondern über drei Monate verteilt an verschiedenen Orten in den USA gekauft und dann in den Irak exportiert worden, hieß es damals. Das FBI war besorgt, Geheimdienstmitarbeiter verfassten Berichte, die sich lasen wie Spieletests: Von Polygonzahlen, Festplattenerweiterungen, gar einem "Internet-Interface" für die PS2 war die Rede. All das kam - nur der irakische Supercomputer nicht.

Am Ende hatte der Diktator die Playstations dann wohl doch nur für die Kinder der Baath-Elite eingekauft - und sich dabei so geheimniskrämerisch angestellt, weil das Embargo nach "Operation Desert Storm" die Einfuhr von Computertechnologie verbot. Dass es im Irak keine von ferngesteuerten Flugzeugen zu versprühenden chemischen Waffen gab, ist inzwischen ja kein Geheimnis mehr, ganz zu schweigen von den Langstrecken-Raketen und Atomwaffen, mit denen die PS2 damals in einem Atemzug genannt wurde.

George W. Bush hat übrigens auch eine Konsole: Der Kriegsgegner Mikel Reparaz aus San Francisco hatte im Vorfeld des Irak-Feldzuges Geld für eine Präsidenten-PS2 gesammelt, um Bush friedensstiftende Katharsis-Erlebnisse zu ermöglichen - mit Titeln wie "Conflict: Desert Storm", in dem George W. den anderen Irak-Krieg, den von Papa, noch mal hätte nachspielen können. Ob er das tat, ist nicht bekannt. Der irakische Uno-Botschafter Mohammed al-Duri jedenfalls kommentierte den Fall von Baghdad am Ende mit den Worten "Das Spiel ist aus".

Inzwischen gehört die PS2 jedenfalls fast schon zum alten Eisen. Nun kommt der Cell-Prozessor, und der ist noch viel schneller. Militärisch schnell womöglich. Ein Unternehmen namens Mercury Computer Systems, das auch Geräte für Ölfirmen und die Rüstungsindustrie herstellt, will Cell-Chips in künftige Produkte einbauen, berichtet Cnet.com.

Zunächst ist nur davon die Rede, die Superprozessoren für Anwendungen wie medizinische Bildverarbeitung und das Durchrechnen von seismischen Daten einzusetzten. Mercury baut aber beispielsweise auch den "PowerStream 7000" einen Teraflop-Computer für Flugzeuge, Boote und Fahrzeuge, den vor allem militärische Kunden kaufen.

Auch der Cell hat also wieder das Potential, Geheimdienste in Aufruhr und Diktatoren-Waffenschmiede ins Träumen zu bringen. Und das böse Spiel mit den Spielmaschinen hat kein Ende: Der Cheftechniker von Sony Computer Entertainment, Shin'ichi Okamoto, sagte neulich: "Vielleicht wird die PlayStation 6 oder 7 auf Biotechnologie basieren."

Brr. Ein Glück, möchte man ausrufen, das Saddam im Knast sitzt. Einen schnellen Cell wird er wohl nicht in seine Zelle bekommen. Dafür isst er inzwischen, wie kürzlich zu erfahren war, mit Begeisterung rasend schnell Tortillachips.

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