
"Game of Thrones": Köpfen und Kopulieren
"Game of Thrones" Wer nicht verkauft, der wird beklaut
Selbst schuld: So sieht es Erik Kain vom US-Wirtschaftsmagazin "Forbes". In seinem Blog berichtet er über die Erfolgsserie "Game of Thrones" ("GoT") und deren rekordverdächtige Downloadzahlen . Er bezieht sich auf einen Bericht seines Kollegen Andy Greenberg , wonach "GoT" auf dem besten Weg ist, zur meistheruntergeladenen TV-Serie aller Zeiten zu werden - in illegaler Form.
Herausgefunden haben will das die Firma Big Champagne. Aus der Beobachtung führender BitTorrent-Verzeichnisse leitete sie vor einigen Tagen ab, dass GoT-Folgen der zweiten Staffel allein auf diesem Wege rund 25 Millionen Mal verbreitet worden seien, seit Anfang April die Ausstrahlung begann. Die Schätzung dürfte stark untertrieben sein.
Wenige Wochen, nachdem die ersten Folgen der zweiten Staffel erstmals gezeigt wurden, kursieren die Folgen in den Börsen und Streaming-Portalen schon in diversen Versionen: Als HD-Versionen, in verschiedenen Auflösungen und Formaten, als Torrent, aber auch als direkter Download oder Stream.
Erfolgreich trotz illegaler Downloads
All das sollten eigentlich katastrophale Nachrichten für den produzierenden Sender HBO sein. Doch die Serie beschert dem Sender - für seine Verhältnisse - trotzdem Rekordquoten, mit fast vier Millionen Zuschauern pro Folge in den USA. Genau da liegt nach Meinung dortiger Branchenbeobachter aber das Problem. Vier Millionen sind nichts auf dem riesigen US-TV-Markt. HBO ist ein Pay-TV-Sender, der im Ruf steht, die qualitativ hochwertigsten US-Serien zu produzieren. Exklusive Inhalte in mehr als dieser Hinsicht, denn wer da zusehen will, muss zahlen: Satte 50 Dollar im Monat kostet das zurzeit (für Kabelgebühr plus Abo).
Wer online dabeisein will, zahlt nochmal extra, darf das aber nur, wenn er auch den Kabelsender abonniert. Kurzum: Die Nachfrage nach "GoT" ist riesig, in den Genuss der Serie aber kommt nur eine Minderheit. Der Rest soll warten - und dazu sind viele Zuschauer offensichtlich nicht mehr bereit.
Das stellt einmal wieder die bisherige Verwertungskette von Film und Fernsehen generell in Frage. Was Kritiker in den USA vor allem bemängeln ist, dass den Fans der Serie keine legale Möglichkeit gegeben wird, eben nur diese Serie zu sehen, ohne gleich ein Abonnement für einen ganzen Sender abschließen zu müssen. Denn eigentlich wäre es ja vorstellbar, dass HBO beispielsweise über das eigene Streaming-Portal HBO Go einzelne Folgen gegen Zahlung anböte. Alternativ wäre ein Vertrieb via iTunes, Amazon oder Netflix denkbar, zahlreiche Sender verfahren in den USA so. HBO hingegen überlasse den Illegalen das Feld, wie auch der Blogger und Karikaturist Matthew Inman in einem viel beachteten Cartoon zum Thema kritisierte.
Es ist die Wiederholung einer spätestens seit Ende der Neunziger immer wieder geführten Diskussion. Soll man dem Internetnutzer geben, wonach er verlangt, weil er es sich sonst selber nimmt? Muss das Recht, müssen die Refinanzierungswege dieser Realität angepasst werden?
Im Falle HBO ist die Situation entspannter als normalerweise. Auch mit "GoT" macht der Sender prächtige Geschäfte: Schon die erste Staffel erntete den zweifelhaften Ruhm, es auf Platz zwei der meistheruntergeladenen TV-Inhalte des Jahres 2011 gebracht zu haben. Zugleich aber wurde sie auch zum größten DVD-Erfolg , den ein Sender je mit der Zweitverwertung einer Serie einstrich. Und das trotz der allgegenwärtigen Verfügbarkeit illegaler Quellen, trotz Free-TV-Ausstrahlungen und zusätzlicher, wenn auch spät erfolgter Vermarktung als kostenpflichtiger Download, wieder mit Rekordzahlen.
Sind illegale Downloads Werbung? Oder schmälern sie das Geschäft?
Hätte das Geschäft nicht noch weit größer sein können, wenn man die Verwertungskette einfach umgedreht hätte? Schon Mitte der Neunziger diskutierte eine Gruppe von US-Film- und TV-Unternehmen diese Frage: Sollte man künftig seine Inhalte per Download auch Endkunden anbieten, parallel und vielleicht sogar noch vor der Erstverwertung auf Kinoleinwand oder Mattscheibe? Die Vorstellung damals: Man könne für derart exklusiv angebotene Waren entsprechend exklusive Preise verlangen.
Möglich, dass das eine völlig andere Download-Kultur hervorgebracht hätte. Mit Semi-Public-Viewings brandneuer Inhalte im Freundeskreis, der für den Preis zusammengeschmissen hätte. Mit späteren Nice-Price-Online-Downloads, wenn Kino- oder TV-Auswertung gelaufen wären. Mit nur mäßig erfolgreichen P2P-Börsen und Streamhostern, weil wahre Fans sich für das legale Produkt entschieden hätten? Nichts davon wurde je ausprobiert.
Deutschland darf wieder warten
In Deutschland stellt sich die Situation sogar verschärft dar. Nachdem die Serie im Pay-TV-Angebot bei TNT weitgehend unbemerkt verhallte (Zuschauerquoten um 0,3 Prozent), feierte RTL2 vor Monaten einen Überraschungserfolg mit dem Experiment, alle Folgen an nur einem Wochenende zu zeigen. Viele der Zuschauer kannten die Serie zu diesem Zeitpunkt wohl schon im Original, denn die deutsche Ausstrahlung hinkte der in den USA um mehr als ein Jahr hinterher.
Mit Staffel zwei wird das nicht besser. Erste Folgen hat ab dem 23. Mai das Pay-TV-Programm Sky Atlantic HD im Programm, TNT zeigt die Serie ab November. Erst mehrere Monate danach wird wohl wieder RTL2 die neuen Folgen zeigen - Fans kennen die bis dahin wohl meistens, denn auf deutschsprachigen Download-Portalen kann man erfahrungsgemäß wohl spätestens ab Juni mit der synchronisierten Fassung rechnen.
Sehr plakativ machte der "New Zealand Herald" das alles mit einer Abstimmung auf seiner Webseite klar. Auch in Neuseeland war "GoT" ein riesiger Erfolg. Trotz alledem, muss man wohl sagen, wenn man das Ergebnis der Leserabstimmung sieht: Die Zeitung fragte ihre Leser, wo sie "GoT" zuerst gesehen hätten - im Pay-TV, auf DVD oder als Download? 62 Prozent hatten die Serie online gesehen, gegenüber 38 Prozent, die die legalen Vertriebsvarianten gewählt hatten.
Dem alten Räuberspruch "Geld oder Leben" gibt das eine ganz neue Bedeutung. Ins Digitale übersetzt heißt er: Entweder, du bietest deine Ware online gegen Zahlung an, oder ein anderer wird es kostenfrei tun. Das aber stellt nicht nur das Geschäftsmodell der Pay-TV-Sender in Frage, die lieber Abos verkaufen. Es betrifft alle Beteiligten in der Verwertungskette.