Frauen werfen deutschen Gamern Sexismus vor – und werden von Sexisten niedergemacht

Allein die Reaktion auf #GamerleaksDE sagt alles

Dieser Beitrag wurde am 14.11.2018 auf bento.de veröffentlicht.


Die haben dauernd ihre Tage und zicken dann rum.

Solche Sprüche müssen sich deutsche Gamerinnen online ständig anhören. Unter dem Hashtag #GamerleaksDE werden diese Erfahrungen nun sichtbar. Nach dem Vorbild von #Metoo und anderen Hashtag-Kampagnen, soll damit dokumentiert werden, wie Frauen und Angehörige von Minderheiten in der deutschen Gamerszene beschimpft und gemobbt werden. Schon die Reaktionen zeigen, wie viel an den Vorwürfen dran sein könnte.

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Hinter der Aktion steckt nach eigenen Angaben eine Gruppe, die sich auch auf Twitter "GamerLeaksDE" nennt. 

Anfang der Woche lud sie ihren Aufruf hoch. Dort begann der Hashtag zu trenden, auch Jan Böhmermann wurde darauf aufmerksam und verbreitete ihn. Die Gruppe aus Frauen und Männnern habe sich zusammengeschlossen, um nach eigenen Angaben “Diskriminierung, Sexismus und Rassismus ein Ende zu setzen”. Sie veröffentlichten Audio-Mitschnitte  aus dem Teamspeak, also dem Voicechat, eines Online-Games. Zu hören sind darin einige männliche Gamer, zunächst beschweren sie sich darüber, dass die Frauen, die sie offenbar zuvor auf Twitter beleidigt haben, zurückschlagen können. "Also mit sowas habe ich nicht mal annähernd gerechnet", sagt einer. "Ich dachte, wir machen uns einen lustigen Abend, triggern ein paar Leute, beleidigen ein bisschen und das war’s dann." Ein anderer stimmt zu, man habe doch "einfach ein bisschen Spaß" haben wollen. 

Die "Gamerleaks"-Gruppe schreibt zudem, es würden nationalsozialistische Inhalte glorifiziert: In einem weiteren Ausschnitt  ist zu hören, wie ein Mann im Voicechat seinen Teamkollegen empfiehlt, sich doch mal die Musik von "Landser" oder den "Zillertaler Türkenjägern" anzuhören. Ein anderer erzählt, früher habe es ja noch viel mehr Nazi-Memes gegeben, dann aber sei ihnen der Verfassungsschutz "im Nacken" gewesen.

Vor allem Frauen nutzen jetzt die Gelegenheit, um auf die latente Frauenfeindlichkeit in der Szene hinzuweisen. Sie erzählen von dummen Sprüchen, Beleidigungen und den kaum vorhandenen Konsequenzen. Viele Gamerinnen nutzen den Teamspeak grundsätzlich nicht – aus Angst vor Anfeindungen. 

Hier sind einige der Erfahrungen unter #GamerleaksDE:

Dass die Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigte jüngst die bekannte Twitch-Streamerin, die sich "Annemunition" nennt. Sie stellte ein Video online, das zeigt, was sie sich täglich anhören muss.

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Die sexistischen Attacken begannen mit der Frage: "Bist du männlich oder weiblich?" Weiter ging es mit verbalen Angriffe wie "tranny bitch", übersetzt: "Transenschlampe". Der Höhepunkt: "Das ist hier nicht wie bei League of Legends, wo du einfach deine Titten zeigen kannst." Und: "Ich hoffe du stirbst." 

Die argumentativ eher schwache Rechtfertigung der Gamer: "Wir sind nicht so, weil wir keine Frauen mögen. Wir sind so, weil du scheiße bist." Sie werde öfter so beschimpft, sagte Annemunition in einem Interview mit dem Gaming-Medium Kotaku 

"Ich bin dieses Verhalten satt. Es ist einfach, es unter den Teppich zu kehren; hart ist es, die Leute zu bitten, sich zu bessern. Insbesondere wenn so viele Leute akzeptiert haben, dass Online-Gaming und toxisches Verhalten Hand in Hand gehen." 

Hunderttausende Menschen sahen ihr Video. Mit dem Post riskierte sie, künftig selbst noch härter angegangen zu werden. So ist es einer Reihe von Frauen passiert, die es gewagt hatten, Sexismus in der Gamer-Szene zu kritisieren.

Die bekanntesten Fälle: Zoe Quinn und Anita Sarkeesian. Der Hashtag: #Gamergate. 

Gegen die amerikanische Entwicklerin Zoe Quinn starteten wütende Männer auf 4Chan und Reddit eine Hasskampagne. Der Auslöser: Ihr Ex-Freund, ein Redakteur bei einem Blog, hatte ihr vorgeworfen, Sex gegen freundliche Berichterstattung eingetauscht zu haben. Einige Gamer sprangen auf den Zug auf, kritisierten vermeintliche Korruption im Games-Journalismus. Was als persönlicher Racheakt begann, endete in koordinierter Online-Belästigung. Quinns Adresse, ihre Telefonnummer wurden öffentlich gemacht, sie verließ aus Angst vor Angriffen ihr Haus.

Daraus entstand eine riesige Kampagne gegen Frauen in der Gamerszene, die sich feministisch äußerten.

Immer weitere Frauen wurden vor allem online belästigt. Das zweite Opfer: Anita Sarkeesian. Sie hatte in einer Videoreihe stereotype Rollenbilder von weiblichen Charakteren in Spielen angeprangert. Ihr wurden Vergewaltigungen angedroht, Männer versuchten, sie auf YouTube sperren zu lassen. Später entwickelten einige Gamer sogar ein Spiel mit dem Titel "Beat Up Anita Sarkeesian".

Auch beim aktuellen Fall reagieren viele Gamer auf die Kritik an sexistischer Diskriminierung mit: Diskriminierung.

Der Hashtag ist längst im Hass ertrunken.  

Viele, die unter #GamerLeaksDE twittern, streiten grundsätzlich ab, dass einige Gamer ein Sexismus- und Rassismus-Problem haben. Sie reagieren heftig auf die Vorwürfe. Ein ebenso beliebtes wie unsinniges Argument: In der Szene gehe es nun mal derbe und nicht immer politisch korrekt zu, Beschimpfungen seien normal. Nur weil jemand sexistischen Kram sage, sei er noch kein Sexist.

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Wer die Tweets unter dem Hashtag liest, kann allerdings schon erkennen, wie abfällig viele Gamer andere behandeln.

In ihren Reaktionen werten viele Frauen pauschal ab, beschimpfen sie. Die "Fotzen" sollen sich nicht so anstellen, ist ein gängiges Argument. Es ist eine klassische Troll-Taktik, wie Motherboard  zuerst bemerkt hat.

Viele der Gamer, die sich nun ob der Vorwürfe empören, sind nicht an einer Diskussion interessiert. Ihre Äußerungen scheinen vor allem ein Ziel zu haben: Die Kultur einer männlich dominierten Community gegen die Ansprüche von Minderheiten zu verteidigen.

Die Gruppe "GamerLeaksDE" reagierte auf die Welle des Hasses mit einem Statement . "Mit dem Hashtag #GamerLeaksDe möchten wir Betroffenen einen Raum bieten, um ihre eigenen Erfahrungen zu diesem Thema zu teilen", schreibt sie. "Von missbräuchlicher Verwendung des Hashtags distanzieren wir uns." Kurz darauf schob die Gruppe einen weiteren Tweet hinterher: Angesichts der vielen Trolle brauche es wohl "keine weiteren Argumente dafür, dass in dieser Szene dringend aufgeräumt werden muss".

Wir haben die Gruppe kontaktiert und werden den Artikel ergänzen, sobald wir eine Stellungnahme bekommen.

Bist du Gamer oder Gamerin und hast ähnliche Erfahrungen gemacht? Schreib uns eine E-Mail an fuehlen@bento.de 

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