Gauner-Abbuchungen So ist der Lastschriftmissbrauch zu stoppen

Bankverbindung und Privatadresse - das genügt Betrügern, um per Lastschrift Geld von den Konten Ahnungsloser abzubuchen. Millionen solcher Datensätze sind auf dem Schwarzmarkt zu haben. Wie können Verbraucher sich wehren? SPIEGEL ONLINE beantwortet die wichtigsten Fragen.

Daten-Dealer verkaufen die Bankverbindungen von Bundesbürgern an Kriminelle - 21 Millionen Datensätze samt Kontonummer, Inhabername und Adresse sollen derzeit auf dem Schwarzmarkt zu haben sein.

Die beliebteste Masche zum Missbrauch solcher Daten sind unberechtigte Lastschriften. Die Betrüger buchen einfach wahllos Beträge von den Konten aus ihrem Datenbestand ab.

Was können Betrugsopfer tun? Können neue Verfahren helfen? SPIEGEL ONLINE beantwortet die wichtigsten Fragen zu Lastschrift-Betrug.

Kann ich unberechtigte Abbuchungen verhindern?

Das ist mit absoluter Sicherheit kaum möglich. Denn es ist in Deutschland heute recht einfach, eine Lastschrift einziehen zu lassen - auch eine unberechtigte. Frank-Christian Pauli, Bankenreferent beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) erklärt: "In Deutschland können Verbraucher so etwas ja sogar am Telefon erlauben. Da gibt es keine Form - es genügt dem Einziehenden, Kontonummer und Adresse zu haben."

Deshalb ist es faktisch unmöglich, unerlaubte Abbuchungen auszuschließen. Absoluten Schutz hätte nur, wer seine Rechnungen bei Internet- und Telefonfirmen, Stromanbietern, Versandhäusern nie per Lastschrift zahlt, wer nie bei Ebay einkauft und dem Verkäufer den Betrag überweist. Sprich: Absolut sicher ist nur, wer seine Bankverbindung für sich behält, nie weitergibt, mit Adresse und Bankverbindung in keiner Datenbank gespeichert ist.

Was kann ich nachträglich gegen Betrügerabbuchungen tun?

Wer seine Bankauszüge regelmäßig prüft, kann sich bei den meisten Lastschriften sehr gut gegen unberechtigte Forderungen wehren - Kontobesitzer widersprechen dem Einzug einfach und lassen das Geld zurückbuchen. Frank-Christian Pauli, Bankenreferent beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), bestätigt hier eine in der Praxis meist recht kulante Praxis der Banken: "Bei einer Einzugsermächtigung könnten Verbraucher anders als beim Abbuchungsverfahren bis zu sechs Wochen nach Rechnungsschluss problemlos der Lastschrift widersprechen. Das Geld wird dann sofort zurückgebucht."

Das gilt übrigens nicht nur für krasse Fälle, wenn völlig unbekannte Firmen abbuchen. Verbraucherschützer Pauli erklärt: "Man kann auch einer solchen Lastschrift widersprechen, wenn zum Beispiel ein Händler nach Bezahlung gar keine oder falsche Ware liefert." Aber das sollten sich Kunden gut überlegen. Pauli: "Man sollte aber einen guten Grund haben, weil einem sonst vom Anbieter die Rücklastschriftgebühren berechnet werden könnten."

Kann ich einer Abbuchung auch später noch widersprechen?

Unberechtigt eingezogenen Lastschriften können Kontoinhaber in einer recht lange bemessenen Frist widersprechen. Die Berliner Verbraucherzentrale  rät aber dringend dazu, das binnen sechs Wochen nach Abbuchung zu tun. In dieser Frist könnten laut den Verbraucherschützern Lastschriften "ohne weiteres zurückgegeben werden. Das kostet nichts und muss auch nicht begründet werden".

Ein späterer Widerruf sei hingegen meist problematisch. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken steht zwar, dass Lastschriften mit Einzugsermächtigung bis zu sechs Wochen nach Erhalt des Rechnungsabschlusses, also zum Ende eines Quartals storniert werden können. Doch, so warnt die Berliner Verbraucherzentrale, hat sich der Kontoinhaber bei der "Rückgabe unnötig viel Zeit gelassen, muss er mit Schadensersatzforderungen der Bank rechnen. Denn falsche Lastschriften müssen nach den AGB der Banken unverzüglich reklamiert werden, damit diese nicht selbst darauf sitzenbleiben."

Der dringende Rat der Verbraucherschützer ist also, mindestens alle zehn Tage alle Kontobewegungen zu prüfen und unberechtigte Lastschriften sofort, nicht später als sechs Wochen nach Abbuchung zu widerrufen.

Anmerkung der Redaktion: Eine frühere Version des Artikels erweckt den Eindruck, dass auch unberechtigte Buchungen vom eigenen Konto binnen drei Monaten nach Rechnungsabschluss zurückgebucht werden können. Bei ungenehmigten, betrügerischen Lastschriften gilt diese Rückbuchungsfrist nicht. Verbraucherschützer Frank-Christian Pauli erklärt: "Fehlt die Einzugsermächtigung, haben wir es technisch gar nicht mehr mit einer Lastschrift zu tun und unberechtigte Buchungen kann man auch später zurückweisen, beziehungsweise gelten die formal einfach nicht. Banken können sich derartige unberechtigte Buchungen ebenfalls nach ihren eigenen Verträgen bei der Bank, die den Lastschrifteinzug entgegengenommen hat, über die Frist hinaus zurückholen. Damit man aber nicht Gefahr läuft, mit einem Schadenersatzanspruch konfrontiert zu werden, weil den Banken das Geld ja auch verloren geht, wenn es dann ausbezahlt wurde und man selbst viel früher auf die falsche Buchung hätte hinweisen können, sollte niemand so eine Meldung auf die lange Bank schieben."

Gibt es Lastschriften, denen man nicht widersprechen kann?

Ja. Deshalb sollten Verbraucher beim Stichwort "Abbuchungsverfahren" sehr vorsichtig sein. Diese besondere Art der Lastschrift unterscheidet sich von dem gängigeren Verfahren der Einzugsermächtigung in einem wesentlichen Punkt: Man kann solche Buchung nicht bei seiner Bank stornieren.

Denn beim Abbuchungsverfahren gibt der Kontoinhaber seiner Bank eine schriftliche Erklärung, dass eine bestimmte Firma von seinem Konto abbuchen darf. Eigentlich ist diese besondere Form der Lastschrift nur im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen üblich. Die Verbraucherzentrale Sachsen warnt  aber, dass einige "windige Anbieter im Bereich der Partnervermittlung" von ihren Kunden solche Lastschriften im Abbuchungsverfahren verlangen.

Andrea Hoffmann, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen, rät Kunden von dieser Zahlungsform in einer Mitteilung der Verbraucherschützer dringend ab: "Einzelne Institute sind dafür bekannt, einmal eingenommenes Geld, auch wenn es ihnen nicht zusteht, nur ungern wieder herauszugeben."

Wird die Lastschrift reformiert?

Unabhängig von den aktuellen Problemen hat die EU schon längst ein neues europäisches Lastschriftverfahren auf den Weg gebracht. Die Mitgliedstaaten müssen es nach eigenem Recht bis zum November 2009 einführen. Dieses sogenannte Sepa-Lastschriftverfahren halten Verbraucherschützer vom Ansatz her für sicherer als das deutsche System. Frank-Christian Pauli vom VZBV urteilt: "Wie viel Sicherheit die Sepa-Lastschrift tatsächlich bringt, werden wir frühestens 2010 sehen. Aber nach heutigem Kenntnisstand gehen wir davon aus, dass der Lastschriftmissbrauch dadurch erheblich zurückgehen wird."

Bei der Sepa-Lastschrift ist weit strenger vorgegeben, wie die Erlaubnis, eine Kontoabbuchung auslösen zu dürfen, auszusehen hat. Verbraucherschützer Pauli: "Telefonisch geht das dann - anders als das zum Teil heute praktiziert wird - gar nicht mehr." Diese Einzugsermächtigung muss beim Sepa-Verfahren registriert und als Datensatz mit der Buchung mitgeleitet werden.

Außerdem bekommt beim Sepa-Lastschriftverfahren jeder Abbucher eine europaweit gültige eindeutige Identifikationsnummer. Der Vorteil dabei laut Verbraucherschützer Pauli: "Wir gehen davon aus, dass Banken anhand dieser Nummern prüfen werden, bei welchen Abbuchern es überdurchschnittlich viele Widersprüche gibt. Es liegt ja auch im wirtschaftlichen Interesse der Banken, etwas gegen fehlerhafte und vor allem auch betrügerische Abbuchungen zu tun."

Stirbt 2009 die deutsche Lastschrift?

Nein. Das alte deutsche Lastschriftverfahren wird parallel zu der neuen Sepa-Lastschrift weiterlaufen - zumindest was die laufenden Verträge angeht. Verbraucher sollten also von November 2009 an darauf achten, welches Lastschriftverfahren ihre Vertragspartner nutzen.

Wahrscheinlich wird man aber sehr bald nach Einführung neue Lastschriften nur noch nach dem Sepa-Standard abwickeln können. Denn die Banken dürften rein wirtschaftlich kaum ein Interesse daran haben, das alte Verfahren länger als unbedingt nötig anzubieten. Bankenexperte Pauli vom VZBV: "Wir gehen davon aus, dass viele Banken dann vom kommenden November an dazu übergehen, bei neuen Verträgen in der Regel nur noch Sepa-Lastschriften zu akzeptieren. Damit wird sich das Risiko betrügerischer Lastschriften reduzieren lassen. Unberechtigte Lastschriften und die daraus resultierenden Forderungen schaden Banken selbst."

Bringt die Sepa-Lastschrift absolute Sicherheit?

Nein. Sie erschwert wahrscheinlich eine konkrete missbräuchliche Anwendung von Bank- und Adressdaten. Die heute verfügbaren Daten können intelligente Kriminelle mit Sicherheit aber auch auf anderem Weg nutzen, um Geld abzugreifen. Verbraucherschützer Pauli: "Gefährlich wird es zum Beispiel, wenn Täter die Daten sammeln, um sich Scheinidentitäten von echten Verbrauchern zuzulegen, um krumme Geschäfte unter fremdem Namen zu machen."

Der Verbraucherzentrale Bundesverband sieht deshalb angesichts der heute schon immensen Datenbanken mit persönlichen Informationen als Weg zu mehr Datensicherheit nur "strengere Datenschutzauflagen mit scharfen Sanktionen in Unternehmen und mehr Datensparsamkeit."

Pauli: "Verbraucher müssen auch darauf achten und überlegen, wem sie welche Daten wirklich weitergeben wollen. Das gilt übrigens auch für Unterlagen, die man wegwirft."

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