Gedankenscanner Wunsch wird Befehl

Die Haustür aufschließen oder Geld bei der Bank abheben, indem man einfach nur noch an sein Passwort denkt? Möglicherweise wird das nicht ewig Zukunftsmusik bleiben. Tech-Entwickler entdecken Hirnwellen als biometrisches Merkmal.

Forscher der kanadischen Carleton University arbeiten an einer Technologie, die biometrische Daten ganz neuer Art erfasst, so berichtet es das Technologiemagazin Wired: das System soll die Hirnwellen einer Person erkennen und zuordnen, wenn diese einen bestimmten Gedanken denkt.

Dabei gehen die Entwickler des Gedankenscanners von der Voraussetzung aus, dass die Hirnwellen jedes einzelnen Menschen ähnlich unverwechselbar sind wie seine Fingerabdrücke. Selbst wenn zwei Menschen an ein und denselben Gegenstand denken oder über einer identischen Aufgabe brüten, weichen ihre Hirnwellenmuster stets ein wenig voneinander ab. Und diese Unterschiede sollen die Basis der biometrischen Erkennung bilden. Dabei ist es völlig gleich, ob sich das Hirn mit dem Lieblingssong, dem letzten Urlaub oder Kindheitserinnerungen beschäftigt.

Die Frage ist nun, ob ein vom Nutzer willkürlich ausgelöstes Signal in wiederholbarer Weise bestimmte Datensätze erzeugen kann. Im Unterschied zu den bisherigen Systemen wie Fingerprint, Gesichtserkennung oder Irisscan hat es den großen Vorteil, regelmäßig und in beliebigen Zeitabständen ein neues "Passwort" zuzulassen.

Wer nun befürchtet, ein derartiges System zur Authentifizierung würde die Gedanken eines jeden lesen können, kann beruhigt werden. Die entsprechende Software würde nur einen Musterabgleich vornehmen und im Falle von wiederkannten Datensequenzen "grünes Licht" geben. Ganz ähnlich, wie ja auch beim Irisscan oder einer Identifizierung mittels DNS keine eigentliche Interpretation der Daten erfolgt.

Doch wer bereits glaubt, demnächst mit einem Kopfnicken sämtliche sicherheitsrelevanten Aktionen erledigen zu können, den holt Iead Rezek von der Universität Oxford wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Die Idee hätte zwar "Flair, ist aber unpraktisch." Im Kopf gingen zu viele Sachen gleichzeitig vor, außerdem würden parallel die Signale von unzähligen Hirnzellen gemessen und zusammengemixt.

Stand der Dinge: Science Fiction, da zu unpräzise

Überdies verändern wir mit der Zeit die Art unserer Erinnerungen, daher scheint es wenig wahrscheinlich, ein System zu konstruieren, das diese Abweichungen von der ursprünglichen Gedankensignatur mit einkalkuliert. Daher schlägt Jacques Vidal von der Universität von Kalifornien ein einfacheres Verfahren vor, anstelle sehr schwer erfassbarer persönlicher Erinnerungen würde ein Computer ein optisches oder akustisches Signal erzeugen und die entsprechende "Antwort" des Gehirns messen. Die fällt bei verschiedenen Individuen entsprechend unterschiedlich aus, bleibt aber bei derselben Person quasi identisch.

Doch das größte Problem ist die Art und Weise, wie man derzeit noch an die entsprechenden Daten gelangt. Bis jetzt müsste man sich wie bei einem EEG einer umständlichen Prozedur unterziehen, sich also eine Kappe mit Messfühlern auf den Kopf setzen, der außerdem auch noch mit Gel für die Sensoren leitfähig gemacht werden muss. Kein annehmbares Verfahren z.B. für VIP-Gäste.

Allerdings mag sich in der Fernerkennung von Hirnwellenmustern noch einiges tun. Am vielversprechendsten scheinen derzeit optische Erkennungssysteme zu sein. Reza Shadmehr von der John Hopkins Universität verweist auf Methoden, die die neurale Aktivität im oberen Cortex bestimmen können. Dazu wird die Reflexionsrate eines fokussierten Lichtstrahls auf die Kopfhaut gemessen, und die ändert sich abhängig vom Blut-Oxydationsniveau. Aber diese Technologie stecke noch in den Kinderschuhen, so Shadmehr. Daher wäre es auch verfrüht, bereits jetzt alle seine Passwörter zu verbrennen. Einen funktionierenden Gedankenscanner erwartet der Professor erst in 20 Jahren. Gegenwärtig sei dergleichen indes noch "sehr viel Science Fiction".

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