Geschichte einer Schlagzeile Frau will Schmerzensgeld für unfreiwilliges Bild in "Bild"
Mit "Wir sind Papst" trat die "Bild"-Zeitung eine originelle Lawine von Nachschöpfungen los. Im Weblog "Eye said it before" entstand eine Fotoaktion mit Hunderten von Motiven, die von kreativer Gestaltung bis zu anarchischer Veräppelung reichen.
Das weckte den Stolz der Redaktion des Hamburger Boulevardblatts, und so erschien am 27. April in der Print- wie auch der Online-Ausgabe ein Artikel, in dem man sich bescheinigte, eine "Kult-Schlagzeile" geschaffen zu haben.
Zur Illustration der Tiefenwirkung erschien dabei das Bild einer jungen Frau, die mit ihrer Version des Papstjubels an erwähnter Fotoaktion teilgenommen hatte. Das Dumme dabei: Die junge Frau (die ungenannt bleiben möchte) wusste davon nichts, geschweige denn hatte sie ihre Einwilligung gegeben.
Erst als sie von Anrufen überrollt wurde ("Sag mal, was machst DU denn in der 'Bild'-Zeitung?"), dämmerte ihr, was geschehen war.
Zunächst wollte sie sich einfach nur verkriechen, aber dann nahm die Zahl der - zum Teil böswilligen - Kommentare überhand. So wandte sie sich hilfesuchend an einen Anwalt. Der machte jetzt buchstäblich kurzen Prozess und sandte der Rechtsabteilung des Springer-Verlags wie auch der Online-Ausgabe der "Bild" ein umfangreiches Schreiben zu, in dem er im Namen seiner Mandantin Schadenersatz-, Schmerzensgeld- und Unterlassungsansprüche geltend macht.
Denn, so Anwalt Udo Vetter, "Bild" habe mit der Veröffentlichung des Fotos die Urheberrechte seiner Mandantin verletzt ("Recht am eigenen Bild"). Das Foto sei ausschließlich zur Veröffentlichung auf oben genanntem Blog zur Verfügung gestellt worden.
Schmerzensgeldforderung für Bild in "Bild"
Gewürzt werden diese Vorwürfe mit einer interessanten Begründung für die Schmerzensgeldforderung.
Nicht nur der Missbrauch des Fotos zur "Bild"-Eigen-PR, sondern auch die Bildunterschrift "blonder Papst-Gruß" stelle eine "Verunglimpfung und Herabwürdigung ... als Blondchen" dar. Nicht zuletzt sei die Resonanz im beruflichen wie privaten Umfeld "verheerend" - offenbar wird diese Art der unfreiwilligen Selbstdarstellung von Betroffenen zuweilen als peinlich bis niveaulos empfunden.
"Bild" möchte sich zu der Sache bisher nicht äußern. Die Rechtsabteilung des Verlages habe erst am Montag damit begonnen, sich mit der Sache zu beschäftigen, hieß es auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE.

"Bild" beim Wort genommen: "Wir sind Papst!"
Doch da Anwalt Udo Vetter ein eigenes Blog unterhält, kann man sich nicht nur über die Einzelheiten des Abmahnschreibens informieren. Auch die dem Eintrag folgenden Kommentare sind teilweise von besonderem Interesse.
Dort taucht unter anderem ein User namens "Tom" auf, der mit mäkeligen Anmerkungen vom eigentlichen Thema, dem Gebaren der "Bild"-Redaktion, abzulenken sucht und offensichtlich, so behauptet Vetter, "selbst im Springer-Haus" sitze. "Tom" war in den Tagen zuvor auch beim Blog "Eye said it before" als informeller "Bild"-Anwalt in Erscheinung getreten.
Dabei sieht Vetter nicht, was es an der Angelegenheit schön zu reden gebe. Mit der nicht gestatteten Verwertung eines Blog-Fotos habe die "Bild" den Eindruck hinterlassen, sich um die Rechte sogenannter "kleiner Leute" herzlich wenig zu scheren. Und gerade für die setze man sich in Hamburg doch vorgeblich so sehr ein.
Was ist ein Blog?
Darüberhinaus zeugt der Vorgang insgesamt von einer merkwürdigen Gedankenlosigkeit, die gegenüber dem noch recht neuen Medium der Weblogs oft noch vorzuherrschen scheint.
- Anwalt Udo Vetters "Law Blog"
- Law Blog:Dokumentierte "Post für Springer"
- "Eye said it before":Aktion "Wir sind Papst!"
Die meisten haben da immer noch eine Art von Online-Tagebüchern vor Augen, in denen vereinsamte Gestalten ihren Weltschmerz einer schmalen Öffentlichkeit darbieten. Doch tatsächlich etabliert sich mit Blogs auch eine journalistische Gegenkultur, die sich von klassischen Online-Zeitungen durch ihre große Durchlässigkeit von oben nach unten und umgekehrt auszeichnet und mittlerweile ernstzunehmende Ergebnisse produziert.
Neben dem Bereich des Urheberrechts steht für Vetter vor allem die Frage nach dem journalistischen Ehrenkodex auf der Tagesordnung. Und es scheint sehr zweifelhaft, ob eine ursprünglich unabhängige Aktion heimlich zum Element einer PR-Kampagne umgebogen werden kann. Denn ganz sicher war die Fotoaktion von "Eye said it before" nicht als Huldigung des Hamburger Boulevards gedacht.
Besagter "Bild-Online"-Artikel wurde übrigens mittlerweile aus dem Netz genommen.
P.S.: Die verlinkten Blogs entwickelten Minuten nach Veröffentlichung dieses Artikels Bandbreitenprobleme. Wir haben die direkten Links im Text daraufhin entfernt. Sollten Sie trotzdem noch Probleme haben, die Seiten zu erreichen, versuchen Sie es einfach zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal. Erfahrungsgemäß nimmt der Besucheransturm zumeist nach drei bis vier Stunden ab.