Schachspiel
Foto: DPAMit einer neuen Software stellt die Google-Tochter DeepMind nun auch einen der weltbesten Schachcomputer, Stockfish, in den Schatten. Die künstliche Intelligenz (KI) namens AlphaZero ist noch leistungsfähiger als ihre Vorgänger. Sie besiegt die führenden Programme nicht nur beim Schach, sondern auch bei den komplexen Brettspielen Shogi und Go.
AlphaZero geht einen anderen Weg als herkömmliche Schachcomputer. Üblicherweise werden Schachcomputer mit Regeln und zahlreichen Zügen aus einer Datenbank gefüttert. Je nach Aufstellung auf dem Brett greifen sie auf eine Strategie zurück und reagieren auf die Spielzüge des Gegners.
Die AlphaZero-Entwickler haben ihrer neuen Software nur die Grundregeln des Schachspiels gezeigt. Den Rest hat sich die KI selbst beigebracht, indem sie mithilfe selbstlernender Algorithmen und immenser Rechenkraft immer wieder gegen sich selbst angetreten ist und aus ihren Fehlern gelernt hat. Einen vergleichbaren Ansatz hatte die Schachsoftware Giraffe im Jahr 2015 verfolgt.
Einem Forschungsbericht zufolge hatte AlphaZero nach vier Stunden als Autodidakt das Schachspiel so gut gelernt, dass es sogar das Weltmeister-Schachprogramm Stockfish bezwingen konnte. Von 100 Spielen hat AlphaZero 28 Partien gewonnen und keine verloren, 72 Partien endeten unentschieden.
Auch Go ist für AlphaZero kein Problem
Die Leistung ist beachtlich, vor allem nach dieser kurzen Trainingszeit. Allerdings gilt Schach nicht als die Königsdisziplin der komplexen Brettspiele, in denen sich Computer miteinander messen können. Das Brettspiel Go bietet derart viele Möglichkeiten für Strategien und Spielzüge, dass es lange Zeit selbst für Computer als zu komplex galt.
Geändert hatte sich das durch den Vorgänger von AlphaZero, eine Software namens AlphaGo. Die hatte im Sommer den Spitzenspieler Ke Jie besiegt, unter Experten galt das als Sensation. Doch die zunächst gefeierte Software hat nun in AlphaZero einen neuen Meister gefunden. Im direkten Duell hat AlphaZero 60 von 100 Spielen gegen AlphaGo gewonnen. Während die ältere KI drei Tage lang trainiert wurde, hat die neue lediglich acht Stunden Trainingszeit für den Sieg benötigt.
Große Leistung, eng definierte Aufgaben
Auch bei Shogi, einer japanischen Variante von Schach, schwingt sich AlphaZero auf den ersten Platz der Weltrangliste. Nach nur zwei Stunden hat die KI das amtierende Weltmeister-Programm Elmo geschlagen. 90 Spiele gewann AlphaZero im Test unter Turnierbedingungen. Verloren hat sie lediglich acht Partien, während zwei Spiele unentschieden endeten.
Die Software von DeepMind zeigt, wie Künstliche Intelligenz durch mehr Rechenpower und bessere Algorithmen zunehmend leistungsfähiger wird. Die Leistungen solcher Software sind aber stets auf ganz klare Aufgaben beschränkt, in diesem Fall das Meistern von Brettspielen mit eng definierten Regeln. Auf lange Sicht soll KI in der Lage sein, auch komplexe Aufgaben zu erledigen - etwa Krankheiten rascher zu erkennen und eine passende Behandlung vorzuschlagen.
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Scheinbar unbewohnt: Der Schachtürke des Wolfgang von Kempelen als Nachbau im Heinz Nixdorf MuseumsForum. Vor dem Spiel öffnete Kempelen, später Johann Nepomuk Mälzel, die Klappen und Türen nacheinander, sodass der echte Schachspieler mal seine Beine, mal seinen Oberkörper bewegen musste, um nicht gesehen zu werden. Angeblich hat der falsche Automat dem Verb türken seine Bedeutung verliehen.
Der Schachcomputer Conchess Monarch, der Anfang der Achtzigerjahre für 998 D-Mark erhältlich war. Die Herstellerfirma Consumenta Chess stellte 1982 drei unterschiedlich starke Computer her. Schon 1983 ging die Firma pleite, als Gründe werden eine unsaubere Verarbeitung oder falsche Angaben zu den Verkaufszahlen vermutet.
Das Schachprogramm für das Auge. Bei "Battle Chess" von 1988 wird aus jedem Schlagen einer Figur ein animierter Minikampf in 3D. Die immer gleichen Animationen waren allerdings irgendwann langweilig, die Spielstärke bot auch keine besonders große Herausforderung.
Geniale Mensch-Maschine: Der Replikant Roy Batty aus "Blade Runner", gespielt von Rutger Hauer, nutzt seine überlegenen Schachfähigkeiten, um seinen Erschaffer Eldon Tyrell über ein Fernschachspiel aus der Reserve zu locken und schließlich zu ermorden.
Dem Menschen in allen Aspekten überlegen: HAL 9000, der Bordcomputer des Raumschiffs Discovery in "2001: Odyssee im Weltall" war natürlich auch ein überragender Schachspieler. Seine Partie gegen den Astronauten Frank Poole entlieh Regisseur Stanley Kubrick der Wirklichkeit: Es war die Schachpartie Roesch gegen Schlage, Hamburg 1910.
Garri Kasparow gegen Deep Blue: 1997 besiegte zum ersten Mal ein Computer unter Turnierbedingungen einen amtierenden Schachweltmeister. Nur wegen eines Programmierfehlers: 2012 zitiert der Statistiker Nate Silver einen der drei Designer des Computers, Murray Campbell: Deep Blue wäre für einen Augenblick nicht in der Lage gewesen, den besten nächsten Zug zu berechnen und hätte einen zufällig ausgewählt. Das habe Kasparow so verunsichert, dass er verlor.
Spielmaterial und Ziel
Go wird auf einem Brett von 19x19-Linien mit schwarzen und weißen Spielsteinen gespielt. Es wird immer abwechselnd auf die Schnittpunkte des Brettes gesetzt, wobei Schwarz beginnt. Ziel des Spieles ist es, mehr Gebiet zu machen als der andere Spieler.
Anfänger spielen meist auf einem 13x13- oder einem 9x9-Brett (siehe Diagramm), um das Spiel während der Lernphase einfacher und übersichtlicher zu halten, die Regeln sind aber identisch. Gebiet wird gemacht, indem man auf dem Brett freie Schnittpunkte mit den eigenen Steinen vollständig abgrenzt. Im Bild hat Schwarz mit den Zügen 1, 3 und 7 begonnen, sich am oberen Rand des Brettes Gebiet abzugrenzen. Die weißen Züge 2 und 6 stellen den Versuch dar, Gebiet in der rechten unteren Ecke zu machen. Der schwarze Zug auf 5 soll es Weiß erschweren, am unteren
Rand des Brettes Gebiet abzugrenzen.
Tobias Berben
Freiheiten und Steine fangen
Steine ohne Freiheiten sind gefangen und werden vom Brett genommen.
Das Abgrenzen von Gebiet wird dadurch erschwert, dass Steine gefangen werden können, indem man ihnen alle Freiheiten nimmt. Sind ein oder mehrere Steine vollständig von gegnerischen Steinen umzingelt, haben sie keine Freiheiten (freie, angrenzende Schnittpunkte) mehr und werden vom Brett genommen. Am Ende des Spiels zählen sowohl jeder abgegrenzte Gebietspunkt als auch jeder Gefangene einen Punkt. Gewonnen hat, wer in der Summe mehr Punkte hat. Im Diagramm haben alle schwarzen Steine keine Freiheiten mehr, sind damit gefangen und müssen vom Brett genommen werden.
Tobias Berben
Verbotene Züge - Ko und Selbstmord
1. Die Ko-Regel: Das direkte Zurückschlagen eines einzelnen Steines im nächsten Zug ist verboten.
2. Die Selbstmordregel: Selbstmord ist verboten.
1. Hat Weiß - wie im Diagramm - auf 1 gezogen, kann dieser Stein von Schwarz regulär mit 2 gefangen werden, da er nur eine Freiheit besitzt. Danach darf Weiß aber nicht mit 3 wiederum auf 1 setzen, um den schwarzen Stein auf 2 zu schlagen, der ebenfalls nur eine Freiheit besitzt. Wäre das erlaubt, könnte danach Schwarz wiederum mit 4 auf 2 den weißen Stein fangen, danach würde Weiß den schwarzen Stein schlagen usw. - das Spiel würde sich in einer sinnlosen Endlosschleife verfangen! Nachdem Schwarz mit 2 den weißen Stein 1 gefangen hat, muss Weiß daher zunächst mit 3 woanders auf dem Brett setzen.
2. Im Diagramm haben die schwarzen Steine in der rechten oberen Ecke nach einem schwarzen Zuge auf A keine Freiheit mehr, wären damit gefangen und müssten vom Brett genommen werden. Das wäre Selbstmord von Schwarz, da er den Verlust der eigenen Steine selbst bewirkt hat, was verboten ist. Gleiches gilt für den schwarzen Zug auf A rechts unten, der keine Freiheiten hätte. Ist allerdings B mit einem schwarzen Stein besetzt, würde der Zug auf A zugleich allen weißen Steinen die letzte Freiheit nehmen. Dann wäre dieser Zug kein Selbstmord mehr, da mit diesem Zug die weiße Steingruppe vom Brett genommen wird, wonach der schwarze Stein auf A drei Freiheiten hat.
Tobias Berben
Leben, Tod - und Seki
Gruppen von Steinen, die gefangen werden können, sind tot; Gruppen von Steinen, die nicht mehr gefangen werden können, sind lebendig.
Leben: Im Diagramm darf Weiß weder auf 'a' noch auf 'b' setzten, da beide Züge Selbstmord wären (vgl. Lektion 3: Die Selbstmordregel). Also kann die schwarze Gruppe von Weiß nicht mehr gefangen werden, da es Weiß nicht möglich ist, alle Freiheiten von Schwarz zu besetzen.
Tod: Die Gruppe in der linken oberen Ecke des Diagramms kann von Weiß noch gefangen werden. Zwar wäre ein Zug auf 'd' wiederum Selbstmord, nicht aber ein Zug auf 'c', da Weiß damit dem markierten schwarzen Stein die letzte Freiheit nimmt. Diesen schlagenden Stein von Weiß darf nun Schwarz nicht im nächsten Zug zurückschlagen (vgl. Lektion 3: Die Ko-Regel), weshalb Schwarz anderswo auf dem Brett ziehen muss. Dann aber darf Weiß auf 'd' setzen, da dieser Zug nun der schwarzen Steingruppe die letzte Freiheit nimmt.
Seki: In der Situation am unteren Rand handelt es sich um eine Koexistenz (Seki) - weder Schwarz noch Weiß wollen auf 'e' oder 'f' ziehen, da sie sich damit die vorletzte Freiheit nehmen würden, woraufhin der jeweils andere Spieler im darauffolgenden Zug durch das Nehmen der letzten Freiheit die Steine schlagen könnte. Da dies keiner von beiden Spielern will, wird in einer solchen Situation gar nicht mehr gezogen, wobei allerdings auch keiner der beiden Spieler in dieser Stellung Punkte macht.
Tobias Berben
Ende und Auszählen
Eine Partie ist beendet, wenn beide Spieler nicht mehr ziehen wollen. Wer dann mehr Punkte als der andere hat, der hat die Partei gewonnen.
Im Diagramm hat sich Weiß die obere Bretthälfte abgesteckt und Schwarz die untere. Beide glauben nicht mehr, dass sie noch in das Gebiet des jeweils anderen setzen können, ohne gefangen zu werden. Also ist die Partie beendet und es wird gezählt: Schwarz hat 31 leere Schnittpunkte abgegrenzt, Weiß hat 29 leere Schnittpunkte abgegrenzt, beide haben keine Steine des anderen gefangen. Somit gewinnt Schwarz mit 2 Punkten.
Tobias Berben
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