Angela Gruber

Sexistisches Schreiben eines Google-Mitarbeiters Natürlich besser

Frauen sind aus biologischen Gründen schlechter für die Tech-Branche geeignet als Männer, schreibt ein Google-Mitarbeiter. Sein Pamphlet wäre besser im Google-Intranet versandet.
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Foto: Peter Power/ REUTERS

Frauen besetzen bei Google nur rund 20 Prozent der Tech-Jobs . Das US-Arbeitsministerium geht derzeit der Verdächtigung nach, der Konzern bezahle Frauen systematisch schlechter als Männer. Und zahlreiche Frauen beschreiben die Kultur des Silicon Valley , wo die Technologien von morgen erdacht werden, als im Kern sexistisch. Beschwerden von Mitarbeiterinnen über sexuelle Belästigung werden - wie im Fall Uber geschehen - ignoriert.

So sieht es aus in der Tech-Branche im Jahr 2017.

In diese für Frauen schwierige Situation platzte die Meldung über einen Text eines Google-Entwicklers in den USA, der seine Branche ebenfalls vor Problemen sieht. Grund zur Sorge sind aus seiner Sicht aber ausgerechnet die mickrigen Versuche der Konzerne, mehr Frauen und Minderheiten in Tech-Jobs zu holen. Der weiße Mann als eigentlicher Underdog des Silicon Valley: Auf diese Idee muss man erst mal kommen.

Die Argumentation: Frauen seien biologisch ungeeignet für Tech-Jobs

Schlimmer noch ist die Begründung des Autors: In dem Google-intern viel geteilten und mittlerweile veröffentlichten Schreiben erklärt der Autor die männliche Tech-Dominanz durch biologische Vorteile der Männer. Diese Tatsache ausgleichen zu wollen, schade der Branche.

Männer verfügten über "natürliche Fähigkeiten", die sie zu besseren Codern machen, glaubt der Autor. Frauen seien für höhere Posten oft nicht widerstandsfähig genug, was der Autor unter dem Punkt "Neurotizismus" beschreibt. "Wir müssen aufhören, anzunehmen, dass die Kluft zwischen den Geschlechtern Sexismus impliziert."

Der Text entzündete eine so große Kontroverse, dass Google-Chef Sundar Pichai seinen Urlaub unterbrach. In einer Rundmail bescheinigte er seinem Mitarbeiter, mit Teilen seines Textes gegen interne Verhaltensregeln verstoßen und zur Verbreitung schädlicher Stereotype über Geschlechter beigetragen zu haben.

Warum sind auch schwarze Männer unterrepräsentiert?

Denn obwohl sich der Autor betont offen für Diversität und Inklusion gibt und seine Worte vorsichtig wählt: Im Kern zeugt seine Argumentation weder von einem großen Verständnis für Genderfragen, noch von einem sonderlich reflektierten Verhältnis zu seinem Job.

Warum auch schwarze Männer im Tech-Sektor allgemein und auch bei Google extrem stark unterrepräsentiert sind , obwohl sie doch Männer sind, erklärt der Autor nicht. Nur ein Prozent der US-Mitarbeiterschaft des Konzerns waren Stand Januar 2017 schwarz, diese Zahl bezieht sich auf Männer und Frauen.

In seinem Aufsatz beschreibt der Google-Autor unter anderem die angeblich typisch weibliche Kooperationsfähigkeit, als wäre sie ein Argument gegen weibliche Mitarbeiter im Tech-Bereich. Dabei wäre diese Prämisse - wenn man sie denn akzeptiert - ein Pro-Argument  : Moderne Coder sitzen eben oft nicht allein im Keller, sondern müssen kreativ im Team Probleme lösen.

Und warum sollte die Tech-Branche nur funktionieren, wenn sie so ist, wie Männer sich das vorstellen? Die Produkte jedenfalls, die wir jeden Tag benutzen, sind bisher alles andere als perfekt. Ein überwiegend weißes, überwiegend männliches Silicon Valley kann sich also zumindest nicht auf die Fahnen schreiben, die Digitalisierung zur Zufriedenheit aller zu gestalten, Anpassungen unnötig.

Kritik wird im Voraus diskreditiert

Der Autor des Memos beschwert sich in seinem Text passenderweise außerdem über eine "ideologische Echokammer". Menschen, die denken wie er, würden angeprangert und so zum Schweigen gebracht.

Das ist ein interessanter Kniff, Kritik am eigenen Standpunkt schon im Voraus zu diskreditieren. Man hört ihn auch aus mancher politischen Ecke in Deutschland immer wieder, auf Twitter manifestiert er sich gerne in Zensurvorwürfen gegen etablierte Medien. Das Credo: Das Diktat der Political Correctness verbietet Andersdenkenden den Mund. Aber inhaltliche Erwiderungen sind keine Zensur und auch keine Majestätsbeleidigung.

Dass der Google-Mitarbeiter nun gefeuert wurde, dürfte aus der Sicht seiner Unterstützer dessen Vorwurf aber leider nur bestätigen und ist das falsche Signal.

Wenn ein pseudowissenschaftlicher, pseudointellektueller und an manchen Stellen irritierend pseudotoleranter Text eines einfachen Mitarbeiters solche Wellen schlägt, wirft das ein trauriges Licht auf die schlechte Gesamtsituation in der Tech-Branche in Sachen Diversität.

Es wäre wünschenswert gewesen, dass ein solches Schreiben ohne Reaktionen im Google-Intranet versandet. Einfach, weil niemand über solche Thesen diskutieren will. Auf sozialen Netzwerken liest man dagegen jetzt viel von eifrigen Nutzern, die ihnen zustimmen und Zweifler auffordern, doch bitteschön erst mal zu widerlegen, dass Frauen nun mal eben das schwache Geschlecht sind. Auch in der digitalisierten Welt.

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