Griechenland Darf man das?
Nikos Serdaris ist sauer. Der Grieche ist Generalimporteur der Produkte des österreichischen Unternehmens Funworld, und das macht sein Geld mit so genannten "Photo Play"-Konsolen, die man an öffentlichen Orten aufstellen kann. Die sind schick, miteinander vernetzt und ermöglichen Kommunikation, Wettkampf und - versichert Serdaris - nicht nur harmlosen, sondern sogar "produktiven" Spielspaß. Oder besser: sie waren schick, sie vernetzten, sorgten - denn in Griechenland ist all das vorerst Vergangenheit. Nikos Serdaris Geschäftsgrundlage ist Vergangenheit.
Denn obwohl die von Serdaris in Griechenland verkauften Daddelkonsolen weder gewalthaltige, noch pornografische oder gar Glücksspiele bieten, sind sie zur Zeit völlig unverkäuflich.
Denn auch der vergleichsweise harmlose Charakter schützte sie nicht vor Gesetz 3037, dem drakonischen Dampfhammer, mit dem die griechische Regierung seit Juli 2002 im sorgfältigen Rundumschlag alle Formen elektronischer Spiele verbat, obwohl sie eigentlich nur manche meinte. Das Gesetz steht und gilt, auch wenn es nun, nach dem Urteil eines Gerichtes in Thessaloniki in der letzten Woche, neu diskutiert und wohl auch präziser formuliert werden soll.
Das freut auch direkt Betroffene, wie Nikos Serdaris, wenn sich auch die Freude sehr in Grenzen hält: Ob ihm und seiner Firma die Gesetznovelle noch etwas bringt, hängt vom Arbeitstempo der Parlamentarier ab.
Serdaris: "In Griechenland waren 7000 Photoplay-Terminals in öffentlichen Räumen positioniert. Innerhalb 20 Tage mussten diese laut Gesetz 3037 aus dem Markt geholt werden. Der Schaden ist enorm, fast alle Mitarbeiter sind entlassen worden. Falls die Regierung das Gesetz nicht ändert, schließt unsere Firma bis Ende des Jahres."
Chaos pur: Warten auf die Novelle
Mittlerweile, versichert Serdaris, seien seine Umsätze auf Null: "Im letzten Jahr hatten wir 2,5 Millionen Euro. Seit Inkrafttreten des Gesetzes gibt es keine Umsätze mehr, und wir verloren mindestens 200.000 Euro. Wie hoch unser Schaden wirklich ist, ermittelt gerade ein professioneller Wirtschaftsprüfer".
Denn zu den Umsatzeinbrüchen kommt die deutlich gesunkene Zahlungsmoral der Kunden, mit denen Serdaris über Wartungsverträge verbunden ist. Doch wozu etwas warten, was ungenutzt in Hinterkämmerchen Staub ansetzt? "Viele", sagt Serdaris, "haben ihre Terminals viel zu billig ins Ausland verkauft, auch nach Deutschland. Die Importeure dort freut das auch nicht gerade".
So ächzt eine ganze Branche noch immer unter Gesetz 3037. Das Grundproblem: Niemand weiß mehr wirklich, was erlaubt ist und was nicht. Das gilt für Internet-Cafebetreiber wie für Gäste gleichermaßen - und für die Organe der Justiz. Seit dem Urteil von Thessaloniki letzte Woche wurden drei Verurteilungen nach Gesetz 3037 wieder aufgehoben.
Trotzdem gilt: Bis zur Klärung der Situation bleibt Gesetz 3037 so lange in Kraft, bis es offiziell ersetzt oder ergänzt wird. Das kann und muss das griechische Parlament nun, nach einer in der letzten Woche erfolgten, entsprechenden Anfrage, binnen drei Monaten. Für Serdaris und viele andere sind das drei Monate Verdienstausfall.
Sie hoffen darum darauf, dass das Wirtschaftsministerium tätig wird und in Form eines Erlasses die Weichgummiparagraphen des Gesetzes 3037 näher spezifiziert, bis das gerichtskundlich verfassungswidrige Machwerk endlich ersetzt wird: Gedacht war das Gesetz ja ursprünglich als Maßnahme gegen Porno-, Gewalt- und Glücksspiele. Überfällig wäre eine Definition der Dinge, die Gesetz 3037 tatsächlich angehen will. Im griechischen Parlament sorgte in dieser Woche ein Abgeordneter für Lacher, als er offiziös anfragte, ob die Spiele auf seinem Handy einen Straftatbestand darstellten.
Witzig ist das nicht wirklich: Im Augenblick schert Gesetz 3037 alles über einen Kamm - von illegalen Lotterien über den Gameboy bis hin zum heimlichen Spiel in den eigenen vier Wänden. Doch selbst, wenn das Wirtschaftsministerium sich bemühen sollte, bis zu einer Novelle des Gesetzes für mehr Rechtsklarheit zu sorgen, verbindet Serdaris damit nicht all zu viele Hoffnungen: Er traut den Ministerialen nicht zu, mehr zu schaffen, als Heim-Konsolenspiele, PC-Spiele und Terminal-Spiele voneinander zu trennen. Auch in diesem Fall würde er mit seinen Quiz-Konsolen in der Schmuddelecke landen - obwohl man in seine Konsolen zwar Geld einwerfen kann, garantiert aber nichts herausbekommt.
Hoffnung machte da in dieser Woche zumindest ein Sprecher des Justizministeriums, der in einem Fernsehinterview ankündigte, dass eine Novelle von Gesetz 3037 sehr spezifische Vorschriften zur Kennzeichnungspflicht legaler und illegaler Spiele enthalten werde. Dann würden Konsolen, an denen man mit gutem Gewissen spielen dürfte, durch ein Gütesiegel kenntlich gemacht.
Damit könnten selbst Vertreter der Branche, auf deren Missetaten die griechische Regierung so drakonisch reagierte, gut leben: "Es gibt manche unter uns, die viel Geld mit Glücksspielen im Internet machen. Schwarze Schafe gibt es überall", so der Sprecher eines Internet-Cafe-Verbandes in einem Radio-Interview. Das rechtfertige aber nicht, dass deshalb gleich alle Spiele verboten würden: "Dann können wir gleich unsere Cafes schließen".
Daran hat auch die griechische Regierung kein Interesse. Zum einen sind die Cafes ein vitaler Wirtschaftszweig, zum anderen tatsächlich Mittelpunkt des Internet-Lebens in Griechenland: Dort spielt sich das Web eher im öffentlichen Raum ab - wie in vielen Ländern, in denen der PC den Weg in die Wohnzimmer noch nicht so oft gefunden hat.
Alle wollen also angeblich eigentlich das Gleiche, der Rest ist für viele Cafebetreiber, Hard- und Softwarezulieferer vor allem eine Frage der Zeit: Schnell muss es gehen.
Das weiß wohl auch die griechische Regierung, die sich über die vehementen internationalen Proteste gegen Gesetz 3037 nur wundern konnte - und über den Unmut im eigenen Lande. Denn auch die Kunden verlangen dringend nach Rechtsklarheit. "Eines der Merkmale unseres Volkes", sagte der Sprecher des Justizministeriums im TV-Interview, "ist das Zocken".
Frank Patalong