
OHM 2013: Die Zeltstadt der Hacker
Hackertreffen OHM 2013 Der Sponsor muss allein baden
Das Zelt des Anstoßes hat einen kleinen Swimmingpool im Vorgarten, beleuchtet mit einer blauen Lichterkette. Dort hat sich einer der Hauptsponsoren des Hackertreffens häuslich eingerichtet. Werbefahnen weisen darauf hin, wer hier residiert: Fox IT. Das Unternehmen ist in diesem Jahr einer der Hauptsponsoren eines der größten Geek-Treffen Europas. Es findet alle vier Jahre statt und steht diesmal unter dem Motto "Observe. Hack. Make ." (OHM).
Vor allem in Teilen der deutschen Hackerszene hatte die Rolle des Sponsors vorab für Unmut gesorgt; einige Mitglieder des Chaos Computer Clubs (CCC) etwa nehmen deshalb nicht teil. Fox IT ist eine Sicherheitsfirma, die auch Überwachungssysteme herstellt und bekannt dafür ist, eine relativ große Nähe zum niederländischen Staat zu haben. Einige der Camp-Organisatoren arbeiten für diese Firma und haben ihren Arbeitgeber um finanzielle Unterstützung gebeten. Das verträgt sich nicht mit der Hackerethik, die auch der CCC vertritt: Hacken im Auftrag von Behörden und Geheimdiensten kommt offiziell nicht in Frage.
Dabei ist das niederländische Camp an sich eine beliebte Veranstaltung in der Szene: Seit den neunziger Jahren macht eine Gruppe Freiwilliger aus ein paar Wiesen mit Wassergräben eine Geek-Stadt, mit Bars, eigenem Telefonnetz und großen Vortragszelten, mit spektakulären Lichtinstallationen und unanständig viel Bandbreite: zehn Gigabit. Das entspreche etwa 2000 durchschnittlichen DSL-Abschlüssen in den Niederlanden, sagt ein Sprecher der Veranstaltung. Das alles kostet viel Geld. 750.000 Euro waren diesmal im Budget, 25.000 davon kamen von Fox IT.
Die meisten Hacker ignorieren das Zelt
Die Teilnehmer selbst zahlen jeweils 200 Euro Eintritt und haben sich in kleinen Dörfern organisiert: Es gibt zum Beispiel "Botschaften" verschiedener Länder, etwa Italien, Schweden oder Irland. Und Vertretungen von Organisationen. So betreibt zum Beispiel die französische Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net ein Dorf, anderswo haben Hackerspaces in der Zeltstadt eine temporäre Außenstelle geschaffen.
Ein ähnliches Camp gibt es auch in Deutschland. Der Chaos Computer Club richtet zeitversetzt ebenfalls alle vier Jahre ein solches Festival aus, so dass sich die Szene alle zwei Jahre zum Zelten treffen kann. Nur anders als das freiwillige Team in den Niederlanden ist der CCC ein mächtiger Verein, der es sich leisten kann, die Kosten für so eine teure Veranstaltung vorzuschießen. Von Sponsoren nimmt er kein Geld, sondern allenfalls Waren, also beispielsweise Hardware. Aus der Veranstaltung selbst haben sich die Spender komplett herauszuhalten. Dass eine Firma ein eigenes Dorf gründen dürfte und von dort aus womöglich sogar versuchen könnte, Mitarbeiter zu werben, wäre undenkbar.
Whistleblower auf der Bühne, Julian Assange auf der Leinwand
Trotz der Diskussionen im Vorfeld ist die OHM ausverkauft. 3000 Hacker, Maker und Aktivisten treffen sich hier, junge Männer in schwarzen T-Shirts genauso wie Familien mit kleinen Kindern. Viele kommen aus Deutschland, natürlich sind auch CCC-Mitglieder dabei. Die meisten Teilnehmer ignorieren einfach, dass irgendwo auf dem Platz das Zelt einer Firma steht, deren Arbeit nicht jedem gefällt. "Das ist vor allem ein deutsches Thema, hier wird darüber kaum gesprochen", sagt ein Sprecher.
Dafür sind die Camper auch viel zu beschäftigt. Das vorherrschende Thema ist nämlich kein internes, sondern ein globales, das plötzlich dazwischenkam: Prism. Der Überwachungsskandal wird heiß diskutiert, und Whistleblowing ist ein Schwerpunktthema des Konferenzprogramms . Es sind mehrere Vorträge dazu vorgesehen, Whistleblower von FBI, CIA und NSA sprechen auf einem Panel über ihre Erfahrungen, und Julian Assange soll einen Vortrag per Videoübertragung halten.
"Entwickelt Crypto für die Massen!"
Vor allem suchen die Hacker hier nach Möglichkeiten, sich selbst und auch die breite Bevölkerung gegen Ausspähung zu schützen. "Wir wissen, dass eine der Lösungen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist", sagt Koen Martens, einer der Organisatoren, in seiner Auftaktrede. Nur sei die Einrichtung für die meisten Internetnutzer viel zu kompliziert. "Meine Mutter und mein Vater können das nicht", sagt er. Natürlich könne man sich auch schon durch einfachere Mittel schützen - etwa durch Datensparsamkeit. Und um den Anfang zu machen, deaktivierte er auf der Bühne, vor den Augen Tausender, seinen Twitter-Account. Für diesen symbolischen Akt erntet er donnernden Applaus. "Nach der Rede werde ich auch meinen Facebook-Account löschen, aber das ist ein bisschen komplizierter." Man solle auf Alternativen ausweichen, rät er, etwa auf das soziale Netzwerk Diaspora.
Zum Schluss ruft er den Hackern zu, sie sollten die fünf Tage im Zeltlager nutzen, um Ideen zu sammeln und Lösungen zu finden: "Geht da raus und entwickelt Crypto für die Massen!" Die Hacker johlen - und klappen schon mal ihre Notebooks auf. Der Swimmingpool vor dem Zelt von Fox IT bleibt unbeachtet.