Drohungen und Beleidigungen im Netz Wie man sich gegen Hass und Hetze wehrt

Wie geht man gegen Hasskommentare vor? Wo gibt es Unterstützung? Wann hilft nur noch der Anwalt? Wir geben Tipps, wie man auf Angriffe im Netz richtig reagiert.
Grenzwertig: Nicht jede Beleidigung im Netz ist strafbar

Grenzwertig: Nicht jede Beleidigung im Netz ist strafbar

Foto: Matthias Balk/DPA

Wer zum Ziel von Hasskommentaren im Internet wird, ist nicht schutzlos. Beleidigung, Nötigung und Volksverhetzung sind offline wie online Straftaten, gegen die man sich rechtlich wehren kann. Aber auch gegen strafrechtlich nicht relevante Äußerungen kann man vorgehen. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu im Überblick:

Was soll ich machen, wenn ich im Netz beleidigt werde?

Zunächst sollte man einen Screenshot des Kommentars anfertigen, um die Hassrede später nachweisen zu können. Dabei sollte man beachten, dass Datum und Uhrzeit der Aufnahme dokumentiert werden. Das erledigt beispielsweise Atomshot, eine Chrome-Erweiterung  von einer Anwaltskanzlei, die eigentlich für Urheberrechts-Abmahnungen gedacht ist.

Für den Kontext sollten möglichst auch vorangegangene Kommentare dokumentiert werden, empfiehlt der Journalist Richard Gutjahr in einem Blogbeitrag . Außerdem sollte die ID des Täters für die Beweissicherung kopiert werden. Das eigene Profilbild und die Namen der Freunde sollte man allerdings schwärzen, damit für Außenstehende keine Rückschlüsse auf das Opfer gezogen werden können - zumal die Gegenseite in einem Verfahren Akteneinsicht verlangen kann.

Im nächsten Schritt sollte man sich direkt an die Plattform wenden, auf der man beleidigt oder bedroht worden ist. Dort besteht zunächst die Möglichkeit, den Hasskommentar zu melden, wenn er gegen die Regeln des Netzwerks verstößt. Doch selbst wüste Beschimpfungen und rassistische Beleidigungen bleiben manchmal auch nach mehrfacher Meldung stehen. Das zeigt unter anderem eine Auswertung der Netzaktivisten von Reconquista Internet: Bei einer Stichprobe von 153 gemeldeten Beiträgen wurde lediglich rund ein Drittel gelöscht.

Das kann unter anderem daran liegen, dass die Moderatoren mitunterunter extremen Bedingungen arbeiten, unklare Anleitungen haben und gleichzeitig unter hohem Zeitdruck stehen. Im Zweifel wird dann eher nicht gelöscht, um dem Vorwurf der Zensur zu entgehen.

Gibt es dafür nicht das Netzwerkdurchsetzungsgesetz?

Wenn strafrechtlich relevante Kommentare wie Beleidigung, üble Nachrede, Androhung von Gewalt und Nötigung vorliegen, dann hilft in manchen Fällen auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) weiter. Auf NetzDG-Löschanträge müssen Facebook, Twitter und Co. innerhalb von 24 Stunden reagieren.

Das Meldesystem ist aber nicht einfach zu durchschauen. Bei Twitter muss man selbst erst einmal den richtigen Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch herauspicken, bei Facebook ist das Formular ziemlich gut versteckt  - und dann wird auch noch ein Großteil der Anträge abgelehnt.

An wen kann ich mich noch wenden?

Wer auf Twitter, Facebook oder YouTube mit seiner Bitte scheitert, Beiträge zu löschen, der kann sich im nächsten Schritt an unabhängige Meldeportale wenden, beispielsweise an das Demokratiezentrum Baden-Württemberg. Die Mitarbeiter helfen unter anderem dabei, den Druck auf die Portale zu erhöhen. Nutzer können ihre Beschwerde über ein Onlineformular  einreichen. Mitarbeiter prüfen das Anliegen, stellen bei Bedarf eigenständig eine Strafanzeige oder unterstützen Nutzer bei der Kommunikation mit den Behörden.

Die Aktivisten von Reconquista Internet arbeiten mit dem Demokratiezentrum zusammen und haben mit "Hassmelden.de"  selbst eine Meldeplattform ins Netz gestellt.

Wann sollte ich welche rechtlichen Schritte einleiten?

Gegen unwahre Tatsachenbehauptungen, Beleidigungen und Schmähkritik könne man zivilrechtlich vorgehen, sagte Rechtsanwalt Arthur Kempter dem SPIEGEL. Damit kann der Kläger nicht nur erreichen, dass der Beitrag gelöscht wird. Eine Unterlassungserklärung macht Tätern auch klar, dass sie gegen das Gesetz verstoßen. Dieser Weg sei auch erfolgversprechender als eine strafrechtliche Klage.

Auf dem Privatklageweg wird der Verfasser des Hasskommentars zunächst abgemahnt. Das heißt, er wird dazu verpflichtet, mit seinen Beleidigungen und Drohungen aufzuhören, ansonsten drohen Konsequenzen. Kosten fallen bei einer erfolgreichen Klage nicht an. "Wenn die Abmahnung berechtigt ist, muss der Gegner die Rechtsanwaltskosten erstatten", sagt Kempter.

Mit welchen Folgen müssen Täter rechnen?

Sprüche wie "Sie sind ein Arschloch" können zwar bei der Polizei zur Anzeige gebracht werden - das Bundeskriminalamt hat dazu hier eine Liste der Onlinewachen der Landespolizeien  zusammengestellt. Doch für den Verfasser hat das nicht immer Konsequenzen. Der Grund: Staatsanwälte bringen solche Fälle selten vor Gericht, vor allem, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall handelt. Wenn kein öffentliches Interesse bestehe, dann würden Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung häufig eingestellt, sagt Kempter. Dennoch rät der Rechtsanwalt zu einer Anzeige, da Wiederholungstäter nur so entlarvt werden können.

Und Beleidigung kann ganz schön teuer werden. Eine ganze Reihe von Geldstrafen hat etwa die Staatsanwaltschaft Heilbronn im vergangenen Monat erwirkt. Insgesamt 47 Nutzer wurden zu Strafen von insgesamt 47.000 Euro verdonnert, weil sie Polizisten mit Sprüchen wie "scheiß Volksverräter" und "wie ich diese Schweine hasse" auf Facebook beleidigt hatten. Die höchste Einzelstrafe belief sich auf 4000 Euro. Darüber hinaus droht bei Beleidigung sogar eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr, bei Volksverhetzung können es bis zu fünf Jahre sein.

Viele Täter wissen jedoch genau, was sie schreiben dürfen und was nicht. Sie bewegen sich in einem Grenzbereich zwischen Meinungsäußerung und Beleidigung. Damit befassen sich Richter immer wieder und fällen - wie das Bundesverfassungsgericht - auch Urteile, die es beispielsweise erlauben, den Satz "Soldaten sind Mörder" zu äußern. Die Richter entschieden, dass es sich dabei um eine Meinung handelt und nicht um Beleidigung.

Was passiert, wenn die Täter unter Pseudonym posten?

Kempter empfiehlt, auf jeden Fall eine Strafanzeige zu stellen, wenn man im Netz beleidigt wird. Wie aussichtsreich das ist, wenn sich die Täter hinter Pseudonymen verstecken, hänge davon ab, wie technisch versiert und motiviert die Beamten seien und was sonst noch bei der Polizei anliegt. Wenn dort Straftaten wie Mord und Totschlag anfielen, "dann können Hasskommentare natürlich nicht mit derselben Priorität bearbeitet werden".

Sich hinter einem Pseudonym zu verstecken, hilft den Tätern nicht zwingend weiter. Auf richterliche Anordnung sind Online-Netzwerke dazu verpflichtet, die IP-Adresse des Nutzers herauszugeben. Derzeit werden die Adressen etwa eine Woche lang gespeichert. Im besten Fall reicht das. Während dieser Zeit kann die Polizei herausfinden, von wessen Internetanschluss aus die Beiträge veröffentlicht worden sind. Es sei denn, die Täter verschleiern ihre IP-Adresse beispielsweise mithilfe des Tor-Browsers und machen dabei keinen Fehler. Dann wird eine Ermittlung extrem aufwendig.

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