HDR-Leserfotos Surreal, morbid, brillant
SPIEGEL-ONLINE-Leser Bert Klude ist der schlagende Beweis dafür, welche konjunkturelle Wirkung Bilder entfalten können. "Ihr seid Schuld daran, dass ich mir eine digitale Spiegelreflexkamera gekauft habe!", beklagt er sich augenzwinkernd in einer E-Mail. Zeitgleich zum ersten SPIEGEL-ONLINE-Artikel über HDR-Fotografie habe ein Elektronikdiscounter seine Kameras reduziert um die Mehrwersteuer angeboten. "War das Zufall?", argwöhnt Klude und schreibt weiter, dass er nach dem Lesen des Artikels und dem Anschauen der Bilder nicht anders konnte. "Jetzt bin ich 860 Euro ärmer und kann es kaum abwarten loszulegen..."
Das Thema HDR scheint in der Tat Furore zu machen. Nach unserem Aufruf an die Leser, uns HDR-Fotos zu schicken, brach eine regelrechte Bilderflut über uns herein. Die ersten Leserfotos haben wir vor zwei Wochen gezeigt - heute folgt der zweite Teil (siehe Fotostrecke oben). Womöglich gelingt den beeindruckend kontrastreichen Bildern ja der Sprung aus der Nische und HDR wird eine nicht nur unter Experten verbreitete Technik.
Auf jeden Fall sind die Möglichkeiten auch für Hobbyfotografen enorm. Es muss nicht einmal eine vergleichsweise teure Spiegelreflexkamera sein. Ein herkömmliches Kompaktmodell, an dem sich Blende und Belichtungszeit manuell einstellen lassen, reicht vollkommen.
Wichtiger ist ein Stativ - oder aber eine feste Auflage und ein extrem sicherer Griff. Denn das HDR-Ausgangsmaterial bildet ja eine Serie aus drei oder mehr Fotos - immer mit der gleichen Blende, aber mit verschiedenen Belichtungszeiten. Die Position der Kamera darf sich von Aufnahme zu Aufnahme nicht verändern - ansonsten ist das Ergebnis unscharf. Aus den unter- und überbelichteten Fotos holt die HDR-Software anschließend überraschende Details, sowohl aus dunklen Bildregionen als auch aus hellen Bereichen heraus. Ergebnis: ein Bild, dass häufig geradezu unwirklich erscheint.
Besser ausgestattete Kameramodelle, meist aus der Spiegelreflexklasse, bieten einen Auto-Bracketing-Modus, um auf Knopfdruck eine Fotoserie zu erstellen - mit unterschiedlichen Belichtungszeiten bei unveränderter Blende. Bequemer geht's kaum.
Das Bildformat Raw erlaubt sogar prinzipiell HDR-Fotografie mit einem einzigen Foto als Quelle. So lassen sich ausnahmsweise auch bewegte Objekte erfassen, was bei einer klassischen Belichtungsreihe nicht geht. Der Trick besteht darin, dass man beim Raw-Format, das fast ausschließlich von Spiegelreflexkameras unterstützt wird, im Nachhinein die tatsächliche Belichtungszeit verlängern und verkürzen - also drei Einzelaufnahmen aus einer Raw-Datei erzeugen kann. Das Verfahren ist unter HDR-Experten jedoch umstritten, weil es nicht so einen großen Kontrastumfang ermöglicht.
Manche Leser kritisieren die Ergebnisse auch als gekünstelt. Man kann das Surreale, Dramatische, Psychedelische der HDR-Technik aber auch einfach als künstlerisches Mittel begreifen - so tun es zumindest fast alle Leser, die uns ihre HDR-Fotos geschickt haben.
Erstaunlich übrigens, welche Wirkung HDR-Fotos von vermeintlich langweiligen Motiven entfalten. Eine verfallene Kaserne wird zur dramatischen Filmkulisse, in der jeder einzelne Riss im Putz plastisch hervortritt. Eine herkömmliche Tiefgarage erzeugt Spannung durch die Patina, die HDR auf den hässlichen Beton zaubert.
Übrigens: Um HDR-Fotos zu kreieren, braucht man nicht zwangsläufig Photomatix oder Photoshop CS2. Der Leser Andreas Schömann wies uns auf die Freeware Picturenaut hin, auf easyHDR (www.easyhdr.com ) sowie Artizen HDR (www.supportingcomputers.net ) - und auf das von ihm entwickelte kommerzielle Programm FDRTools (www.fdrtools.com ).
Wie man HDR-Bilder mit Photoshop erzeugt, zeigen wir in einem Mini-Workshop in der Fotostrecke über diesem Absatz. Die Hauptarbeit steckt übrigens in der Nachbearbeitung und lässt sich allerdings nicht in wenigen Sätzen erklären. Hier gilt: einfach Ausprobieren, an welchen Stellschrauben man drehen sollte und an welchen eher nicht. Erfahrungen mit Bildbearbeitungssoftware sind da natürlich von Vorteil.
hda