Illegales E-Book Tod eines Buches

Als der Suhrkamp-Verlag sich entschloss, die Veröffentlichung von Martin Walsers Roman "Tod eines Kritikers" vorzuziehen, ahnte noch niemand, wie nötig das sein würde: Längst liegt der Roman vollständig als illegales E-Book zum Download im Web.

Das Manuskript ist als rund 400 Kilobyte große Datei auf dem Server einer US-Internetfirma abgelegt, zu dem eine im Netz kursierende Adresse führt. Der Text umfasst nicht nur den eigentlichen Roman, sondern auch sonst übliche Zusätze wie einen Copyright-Vermerk des Frankfurter Suhrkamp Verlages oder Angaben zur Auflage. Auch die Widmung des Autors ist dort zu lesen: "QUODEST SUPERIUS… ".

Suhrkamp hat die Veröffentlichung nach eigenen Angaben nicht genehmigt. "Der Verlag behält sich selbstverständlich rechtliche Schritte vor", sagte Verlagssprecherin Heide Grasnick am Donnerstag. Zu Einzelheiten wollte sie sich zunächst nicht äußern. Sie kündigte für den Nachmittag eine schriftliche Stellungnahme an.

Viel ändern wird diese vorerst nicht. Das illegale E-Book liegt auf einem amerikanischen Server, der sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Langsam, aber stetig klettert das Buch etwa auf den Hitlisten der Suchmaschine Google aufwärts, je mehr Links zu der Website gesetzt werden.

"Tod eines Kritikers" soll am 26. Juni als Buch auf den Markt kommen. Der Verlag hatte den zunächst für August geplanten Erscheinungstermin vorgezogen, nachdem um das Manuskript eine breite öffentliche Debatte entbrannt war. Der Autor Walser sah sich zum Teil heftiger Kritik ausgesetzt, darunter auch dem Vorwurf des Antisemitismus.

Vorlage für die Hauptfigur des Romans ist der jüdische Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Ausgelöst wurde die Debatte durch die Entscheidung der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", das Manuskript nicht vorab zu veröffentlichen. Zur Begründung hatte das Blatt, das zahlreiche Walser-Romane vorab publiziert hatte, erklärt, "Tod eines Kritikers" enthalte ein "Repertoire antisemitischer Klischees".

Im Verlauf der Debatte ließ Suhrkamp den Text vorab einigen Medien zukommen. Dies geschah in einigen Fällen elektronisch, in dem der Text als Anhang einer E-Mail verschickt wurde. Hier dürfte irgendwo auch das Leck zu suchen sein.

Den Verkauf des Bandes schädigen dürfte die unerlaubte Vorveröffentlichung aller Erfahrung nach nicht: Es ist längst nicht das erste Mal, das ein Buch vor Veröffentlichung im Web erscheint. Anders als bei Musikdateien erhält man mit dem Text im Web keinen vollgütigen Ersatz für das gedruckte Werk: Im Web stellt sich der Text als weitgehend absatzlose Textwüste dar, die zu lesen eine echte Qual bedeuten dürfte.

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