Imagepflege im Internet Die Retter des guten Rufs

Die Firma ReputationDefender versucht im Internet, für Kunden negative Einträge löschen zu lassen. Die Versuchung, das eigene Profil bis zur Manipulation aufzuhübschen, ist groß - Unternehmer fahnden im Mitmach-Web nach Kunden und Mitarbeitern.
Von Khuê Pham

In der Welt von Hannes Eggel dreht sich alles ums richtige Image. Der joviale 57-Jährige leitet eine elfköpfige Marketingagentur in Stuttgart, zu seinen Kunden gehören solide Firmen wie das Finanzunternehmen Wüstenrot & Württembergische AG oder der Fotohersteller Kodak. Sein guter Ruf ist Eggel wichtig – so wichtig, dass er jeden Monat eine Firma dafür bezahlt, alles zu protokollieren, was über ihn im Internet geschrieben wird. Die Vorsichtsmaßnahme hat einen guten Grund: Ein Foreneintrag hätte einst beinahe seine Geschäftsbeziehungen beschädigt.

Ein Jahr ist es her, dass sich Eggel in einem Internetforum zu einem hitzigem Kommentar über Saddam Hussein hinreißen ließ. Aufgebracht rechtfertigte er die öffentliche Hinrichtung des Diktators, er setzte seinen Namen unter den Eintrag und vergaß die ganze Sache wieder. Bis zu diesem Tag sechs Monate später, als er lernen musste, dass nichts im Netz verborgen bleibt.

Eggel dinierte mit Geschäftspartnern in einem Restaurant, als ihn einer der Kunden beiseite nahm. "Ich habe ihren Kommentar im Internet gelesen", ließ der ihn wissen, "und so was kommt nicht gut an." Eggel war erschrocken – das hätte er nicht erwartet. Rückblickend wundert er sich über seine eigene Naivität. "Ich habe nicht darüber nachgedacht, was für Spuren man im Internet hinterlässt", erzählt er SPIEGEL ONLINE, "die Bedeutung von so einem Kommentar ist mir nicht klar gewesen."

Inzwischen ist die geschäftsschädigende Passage wieder weg. Die kalifornische Firma ReputationDefender hat die Löschung für Eggel beim Forenbetreiber durchgesetzt. Seit dieser Geschichte beteiligt sich der Unternehmer nicht mehr an Diskussionen im Netz. "Ich bin im Geschäftsleben unterwegs", sagt er ernst, "ich kann mir Fehler nicht leisten."

Rufmord durch schlechte Suchmaschinenergebnisse

Das Geschäft mit der Imagepflege im Internet boomt. ReputationDefender zählt 42.000 Amerikaner und 600 Deutsche zu seinen Kunden, Tendenz steigend. "Ohne 'Google-Versicherung' kommt man heutzutage einfach nicht mehr aus", sagt Firmengründer Michael Fertik zu SPIEGEL ONLINE und meint damit, dass schlechte Suchmaschinenergebnisse den Ruf schwer beschädigen können. "Die Spuren, die wir im Internet hinterlassen, brandmarken uns wie Tattoos", philosophiert der 29-jährige Internet-Entrepreneur, "unsere virtuelle Identität beeinflusst inzwischen jede Art von menschlicher Begegnung."

Fertiks Firma bietet ihre Internet-Imageberatung im Sieben-Euro-Monatsabo an. Die Kunden bekommen monatlich ein Protokoll aller Internet-Einträge, in denen sie erwähnt werden. Für eine Gebühr von 20 Euro können sie ReputationDefender mit der Löschung von unerwünschten Einträgen beauftragen. Die Imagehüter wenden sich dann an Plattformbetreiber und Moderatoren, die notfalls mit "wirtschaftlichen und moralischen Argumenten" bearbeitet werden, um die Löschung durchzusetzen. "Search and destroy" nennt Fertik diese beiden Angebote; die kriegerische Phrase spiegelt die kämpferische Einstellung der selbst ernannten "Verteidiger des guten Rufes" nur zu gut wider.

Imagepflege oder Manipulation?

Doch von der wohl gemeinten Pflege der virtuellen Identität bis zur Manipulation der eigenen Geschichte ist es nicht weit. Viele Wirtschaftbosse, Politiker und Kriminelle wollen ihr Strafregister durch ReputationDefender "korrigieren", berichtet Fertik und stellt klar: "Wir könnten mit solchen Diensten sehr reich werden, aber das machen wir nicht." Auch Anfragen zur Attackierung von persönlichen oder beruflichen Feinden lehnt der Jungunternehmer nach eigenen Angaben regelmäßig ab.

"Das ist die Schattenseite von ReputationDefender", konstatiert der Kaiserslauterner Medienprofessor Hendrik Speck, "ab einem bestimmten Grand sind diese Technologien sozial und moralisch verwerflich." Wirklich löschen lassen sich einmal plazierte Einträge laut dem Experte für digitale Kultur eh nicht: Querverlinkungen, History-Tools und Archivseiten machen das Internet zu einem unkontrollierbarem Mega-Gedächtnis.

Für eine "ethische Grauzone" hält der Professor auch den Bereich, wo private und berufliche Interessen sich überschneiden. Dass eine Firma wie Lufthansa daran Anstoß nimmt, wenn eine Stewardess auf Facebook erotische Fotos in Uniform plaziert, ist nachvollziehbar. Was aber, wenn die Flugbegleiterin als Privatperson Peinlichkeiten im Netz verbreitet? Und hat eine Firma überhaupt das Recht, die Profile ihrer Mitarbeiter einzusehen?

Wenn der Arbeitgeber einmal googelt

Für den e-Recruiting-Leiter von Siemens lautet die Antwort auf die letzte Frage: Ja. "Heutzutage ist es möglich, sich ganz offiziell in der Privatsphäre von Mitarbeitern aufzuhalten, weil sie ihre Seite für andere öffnen", argumentiert Hans-Christoph Kürn, der regelmäßig in sozialen Netzwerken nach neuen Kandidaten sucht oder für das sogenannte Background-Checking Recherche über Bewerber betreibt.

Schon eine einfache Google-Suche kann peinliche Hobbys, Geschäftspleiten und ähnlich unbequeme Wahrheiten der Bewerber ans Licht bringen. "Das, was früher Privatsache war, wird heute im Netz ausgepackt", resümiert Kürn gegenüber SPIEGEL ONLINE. Den Ausschlag würden diese persönlichen Informationen jedoch nicht geben, beeilt er sich zu versichern. Er würde höchstens im Gespräch darauf hinsteuern. Sein Motto: "Man darf niemanden vorverurteilen."

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