Internet-Regulierung US-Kommission beschneidet Provider-Macht
Der Begriff "Flatrate" ist an sich nicht misszuverstehen, sollte man meinen. Wer pauschal bezahlt für einen Internet-Zugang mit einer definierten Bandbreite, der hat auch ein Anrecht darauf, mit dieser Bandbreite ins Netz zu kommen. Beim US-Internetprovider Comcast sah man das anders: Bei Kunden, die den Filesharing-Dienst Bittorrent benutzten, drosselte Comcast den Datenstrom, und zwar heimlich. Nun hat das US-Gremium Federal Communications Commission (FCC) Comcast eine deutliche Rüge erteilt. Und damit eine neue Runde in der Debatte um "Netzwerkneutralität" in Gang gesetzt, die auch im US-Wahlkampf noch eine Rolle spielen dürfte.
Mit drei zu zwei Stimmen entschied die Kommission, dass das Unternehmen seine Befugnisse überschritt, als es die Netzzugänge von Intensivdatentauschern drosselte. Comcast hatte das nicht zuletzt damit begründet, dass dort ja illegal Dateien, etwa Filme verschoben würden - und dass andere Nutzer unter diesem Massen-Traffic leiden müssten, weil er das ganze Netz langsamer mache.
"Heute fordert die Kommission Comcast auf, damit aufzuhören und jedem uneingeschränkten Zugang zum Internet zu gewähren", sagte der Vorsitzende Kevin Martin am Ende einer langen und durchaus kontroversen Sitzung.
Dass Comcast die Drosselungen bereits im März freiwillig beendet hatte, spiele dabei keine Rolle, so Martin: "Comcast hat zwar angegeben, die willkürlichen Blockaden zu beenden, aber die Konsumenten haben das Recht zu wissen, dass diese Selbstverpflichtung auch juristisch durchgesetzt werden kann."
Keine Strafgebühr, aber eine Unterlassungserklärung
Die Kommission hat Comcast zwar keine Strafgebühr auferlegt, aber das Unternehmen sehr deutlich ermahnt - obwohl der Vorsitzende Martin im Vorfeld ordentlich unter Druck gesetzt worden war, den Internet-Provider bitteschön in Frieden zu lassen - von seinen eigenen Parteifreunden. Der Fraktionsvorsitzende der Republikaner im Repräsentantenhaus hatte Martin regelrecht ausgeschimpft - in einem Brief, der auch verschiedenen US-Medien zugespielt wurde.
"CNet" beispielsweise dokumentierte das komplette Schreiben, in dem der Republikaner John Boehner, ein Abgeordneter aus Ohio, Martin hart angeht: Er sei bestürzt darüber, dass die FCC "sich in die Netzwerk-Management-Entscheidungen von Breitband-Providern einmischen" wolle. Martins fortgesetzte Auseinandersetzung mit diesem Thema beweise "nicht nur schlechte politische, sondern auch schlechte juristische Urteilskraft". Kurz: Boehner forderte seinen Parteifreund unfreundlich auf, sich bitte aus der Sache herauszuhalten.
Ein schnelles Netz nur für Reiche?
Ganz offenkundig liegt dem Vorgang ein tiefer politischer Streit zugrunde. Die Republikaner in den USA stehen darin generell eher auf Seite der Internet-Provider, die Demokraten und auch Präsidentschaftskandidat Barack Obama auf Seiten der großen Web-Unternehmer - und auch der kleinen Website-Betreiber. Die Frage, um die es im Kern geht, ist: Darf ein Anbieter von Leitungskapazität darüber entscheiden, wer in seinem Netz mit welcher Geschwindigkeit unterwegs ist? Das ist mit dem Oberbegriff Net Neutrality gemeint, unter dem die Debatte in den USA geführt wird - gleiches Netz für alle.
Die Provider dagegen möchten gern, dass diejenigen, die besonders viel Netzwerk-Traffic erzeugen, dafür auch gesondert zahlen müssen. Dass also beispielsweise Schwergewichte wie Google oder YouTube noch einmal extra dafür bezahlen, dass beispielsweise datenintensive Videos durch die Netz-Leitungen geschickt werden.
Es ist eine Art Mautkonzept - man muss nicht zahlen, aber wer es nicht tut, muss eben auf dem Feldweg fahren und nicht auf der Autobahn. Die Befürworter der Net Neutrality sehen eine dunkle Zukunft heraufziehen, in der es ein Zwei-Klassen-Internet gibt: mit reichen Anbietern, deren Seiten auf schnellen Leitungen schnell zu erreichen sind, und armen Anbietern, deren Seiten man nur im Schneckentempo aufrufen kann.
Nun wird Obama in den Ring steigen müssen
Deshalb liegt in dem Comcast-Beschluss der FCC politischer Zündstoff: Ausgerechnet ein von einem Republikaner geführtes Gremium hat nun eine Lanze dafür gebrochen, dass ein Netzwerkbetreiber eben nicht nach Gutdünken Schleusen öffnen und schließen kann - und damit gegen die Parteilinie verstoßen.
Das Problem ist: Ob die FCC überhaupt die Autorität für eine solche Ohrfeige hat, ist umstritten. Im Jahr 2006 scheiterten im US-Kongress mehrere Gesetzesvorlagen, die der Kommission das offizielle Recht eingeräumt hätten, als Net-Neutrality-Polizei aufzutreten. Und der oberste Gerichtshof der USA hat bereits entschieden, dass die FCC keine regulatorische Macht hat, solange der Kongress ihr diese nicht gibt.
Dementsprechend wenig demütig reagierte Comcast auf den Beschluss: Ob der seine Richtigkeit habe, sei höchst zweifelhaft, teilte das Unternehmen mit, die Anordnung werfe "eine ganze Reihe wesentlicher juristischer Fragen auf". Man werde nun "alle juristischen Möglichkeiten prüfen". Schon kurz nach dem Beschluss meldeten sich denn auch andere kritische Stimmen. Ein "Cnet"-Reporter schrieb, der Beschluss stünde "auf wackligen Füßen". Und eines der zwei in der Abstimmung unterlegenen Kommissionsmitglieder, der Republikaner Robert McDowell, sagte laut "Cnet", die juristischen Fallstricke würden "diese Anordnung beim ersten Einspruch zum Scheitern verurteilen".
Das Thema wird wohl die Gerichte beschäftigen - und die Wahlkämpfer. Barack Obama hat sich bereits mehrfach öffentlich und lautstark für Net Neutrality eingesetzt.