Internet-Werbung Deal zwischen Yahoo und Google löst Entsetzen aus
Michael Arrington ist im Silicon Valley heute ein gefürchteter Mann. Das von ihm gegründete Tech-Blog "Techcrunch" ist bekannt dafür, beste Informationen aus dem Inneren der großen Netz-Unternehmen zu bekommen - und viel zu wissen über die kleinen, die sich gerade anschicken, den Markt zu erobern. Wenn Arrington schreibt, lesen auch die Analysten mit.
Als "Techcrunch" am Donnerstag vorab über den bevorstehenden Deal zwischen Yahoo und Google berichtete - womit klar war, dass die Übernahme Yahoos durch Microsoft definitiv geplatzt war - begannen an der Wall Street die Yahoo-Aktien zu fallen. Am Donnerstagmittag Ortszeit waren Yahoo-Anteile noch 26 Dollar pro Stück Wert - am Freitag waren es noch etwa 22. Als Yahoo-Gründer Jerry Yang die Vereinbarung am Donnerstag nach Börsenschluss in einem Blogeintrag offiziell bekanntgab, war der Kurs schon auf etwa 23,50 Dollar gefallen. Noch im Februar hatte Microsoft für Yahoo 33 Dollar pro Aktie geboten.
Am Freitag legte Arrington nach. "Ich glaube nicht", schrieb er in einem Blogeintrag, "dass Yahoo zu diesem Zeitpunkt irgendetwas tun könnte, das sein Geschäft noch weiter zerstört, das mich noch überraschen könnte." Den Deal nennt er eine "massive Zerstörung von Shareholder Value, Mitarbeitermoral und der Machtbalance im Internet". Adam Ostrow vom ebenfalls stets gut informierten Tech-Blog "Mashable" stimmte zu: "Während die Yahoo-Manager vielleicht ziemlich stolz darauf sind, unabhängig geblieben zu sein, haben sie de facto zwölf Milliarden Dollar an Wert für ihre Shareholder ausgelöscht und dafür einen Deal abgeschlossen, der ihre Position als abgeschlagene Nummer zwei hinter Google weiter zementiert."
Teufelskreis Werbepreis
Die Vereinbarung sehe auf den ersten Blick harmlos aus, so Arrington weiter. In Wahrheit aber werde sie noch mehr Werbetreibende dazu bringen, sich von Yahoo abzuwenden. Das wiederum werde die Preise für Yahoo-Werbung, die, wie bei Google, in Auktionen festgelegt werden, sinken lassen. Das werde Yahoo dazu bringen, noch mehr Google-Anzeigen auf den eigenen Seiten zu schalten: "Es ist ein Teufelskreis, und sie werden als börsennotiertes Unternehmen keine andere Möglichkeit haben, als sich im Lauf der Zeit mehr und mehr auf Google zu stützen."
Inzwischen sind die Akten öffentlich, die der US-Börsenaufsicht SEC über den Deal vorliegen. Daraus geht hervor, dass Yahoo künftig Google-Anzeigen neben den über das eigene Werbenetzwerk geschalteten Anzeigen auf seinen Seiten zeigen darf - welche und wo, darüber entscheidet Yahoo. Die Einnahmen werden zwischen den beiden Netzgiganten aufgeteilt.
Sicherheitsklauseln sichern Google ab
Die Dokumente zeigen auch, dass Google eine Sicherheitsklausel eingebaut hat: Wenn die Vereinbarung im Verlauf von jeweils vier Monaten weniger als 83 Millionen Dollar einbringt, kann Google aussteigen - die Summe ist angesichts der Größe des Marktes allerdings bescheiden. Interessanter ist eine weitere Klausel: "Wenn die Vereinbarung innerhalb von 24 Monaten von einer der beiden Parteien als Ergebnis eines Führungswechsels bei Yahoo vorzeitig beendet wird, verpflichtet sich Yahoo, 250 Millionen an Google zu bezahlen."
In Klammern enthält dieser Satz eine Einschränkung - wenn Yahoo von Microsoft gekauft werden sollte, fällt die Strafgebühr nicht an. Mit anderen Worten: Für jeden Käufer außer Microsoft wird Yahoo 250 Millionen Dollar teurer. Oder umgekehrt: Bill Gates und Steve Ballmer bekämen Yahoo billiger als alle anderen.
"Wir glauben weiterhin, dass Microsoft Yahoo kaufen wird"
Vielleicht auch wegen dieses im Vertrag zementierten Rabatts für Microsoft schließen Analysten eine Übernahme von Yahoo durch Microsoft weiterhin nicht aus. "Cnet"-News hat einige Kommentare zusammengetragen, darunter einen von Jim Friedland von Cowen & Co.: "Ein Deal ist jetzt weniger wahrscheinlich als vor ein paar Wochen, aber nicht unmöglich. Microsoft hat das bessere Blatt und kann noch auf einen niedrigeren Preis warten."
Benjamin Schachter von USB Securities hält es für wahrscheinlich, dass Microsoft eine feindliche Übernahme versucht: "Wir glauben weiterhin, dass Microsoft irgendwann Yahoo vollständig aufkaufen wird." Sandeep Aggarwal von Collins Steward stimmt zu und beantwortet die Frage nach dem Warum so: "Weil wir glauben, dass Microsoft keinen überzeugenden Plan B in Sachen Internet-Suche hat und dass Yahoo möglicherweise von seinen Investoren unter Druck gesetzt wird."
Unterdessen sorgen sich in den USA auch Politiker wegen der Vereinbarung der beiden Netzgiganten - immerhin haben Yahoo und Google zusammen einen Marktanteil von über 80 Prozent, was die Netz-Suche angeht. In Deutschland sind es sogar weit über 90 Prozent, wobei hierzulande die Yahoo-Suche mit 3,5 Prozent Marktanteil nur eine marginale Rolle spielt, in den USA liegt der Anteil immerhin noch bei etwa 20 Prozent - Tendenz sinkend.
Google hat im vergangenen Jahr 16,4 Milliarden Dollar mit Werbung umgesetzt, Yahoo immerhin 6,1 Milliarden. Nun sagte der Demokrat Herb Kohl, US-Senator und Vorsitzender des für Kartelle und Wettbewerbsfragen zuständigen Unterausschusses, man werde sich die Zusammenarbeit von Yahoo und Google "genau ansehen": "Diese Kollaboration zwischen zwei Technologiegiganten und direkten Wettbewerbern in Sachen Internetwerbung und -Suche bringt bedeutsame Wettbewerbssorgen mit sich." Man plane, die "Implikationen dieses Deals für Wettbewerb und Privatsphäre im Antitrust-Komitee zu untersuchen."
"Dies ist keine Firmenfusion"
Omid Kordestani, bei Google für "Global Sales and Business Development" zuständig, versuchte bereits am Donnerstag in einem Blog-Eintrag, derartige Sorgen zu zerstreuen: "Dies ist keine Firmenfusion", schrieb Kordestani, Yahoo werde damit auch nicht als Wettbewerber ausgeschaltet, das Unternehmen sei weiterhin frei, mit anderen Wettbewerbern ähnliche Arrangements zu treffen. Fragt sich nur, mit welchen. Der Traffic der Google-Suche werde durch die Vereinbarung nicht zunehmen, betonte Kordestani. Und Google-Anzeigen würden für die Werbetreibenden dadurch auch nicht teurer, weil die Preise weiterhin in Auktionen festgelegt würden.
Sollten sich Michael Arringtons düstere Prophezeiungen allerdings bewahrheiten, dürfte gerade der letzte Punkt irgendwann obsolet werden. Wenn nämlich Yahoos Netz-Anzeigengeschäft zusammenbricht, ist Microsoft der letzte verbleibende ernstzunehmende Wettbewerber in diesem Markt - und der ist heute schon so weit abgeschlagen (Werbe-Jahresumsatz: 2,1 Milliarden), dass ihm der Zukauf von Yahoo als letzte Rettung erschien.
So mancher fragt sich inzwischen, ob Microsoft womöglich tatsächlich der einzige Player ist, der den Wettbewerb im Netz noch retten kann.