Interview "Im Zweifel für die Informationsfreiheit"

Am 1. Januar beginnt in Deutschlands Ämtern und Behörden eine völlig neue Zeit: Das Informationsfreiheitsgesetz verpflichtet sie zur Auskunft gegenüber dem Bürger. Bundesdatenschützer Peter Schaar erklärt, was das dem Bürger bringt.

Frage:

Das Informationsfreiheitsgesetz gilt ab 1. Januar. Was bringt das?

Peter Schaar: Das ist tatsächlich ein Umbruch in der deutschen Verwaltungstradition. Das Amtsgeheimnis gehört damit zwar nicht der Vergangenheit an, aber die Verwaltungsvorgänge werden im Prinzip öffentlich zugänglich. Das heißt, wenn nicht bestimmte Ausnahmen greifen, die besondere Belange schützen sollen, sind in der Verwaltung vorhandene Dokumente und auch elektronische Daten vom 1. Januar an jedem Bürger zugänglich.
Zweiter Punkt ist: Es gibt eine Regelung im Informationsfreiheitsgesetz, die ausdrücklich vorsieht, dass die Stellen des Bundes bestimmte Informationen von sich aus veröffentlichen sollen. Dazu gehören Verzeichnisse, aber auch sonstige Materialien, die geeignet sind für die Veröffentlichung. Ich bin der Auffassung, dass insbesondere die Informationen, nach denen wiederholt gefragt wurde, gegebenenfalls ins Internet gestellt werden sollen, damit dann ein direkter Zugriff möglich ist.

Frage: Verzeichnisse heißt was?

Schaar: Damit sind Aktenpläne und Listen von Informationsbeständen gemeint, die in den Behörden vorhanden sind. Durch diese Verzeichnisse erhält man die Möglichkeit, überhaupt gezielt zu fragen.

Frage: Häufig haben bisher Behörden Anfragen mit dem Argument des Datenschutzes zurückgewiesen. Das wird anders?

Schaar: Wir haben uns darüber auch immer wieder gewundert. Es war auch in der Vergangenheit nicht richtig, zum Beispiel Anfragen über unsichere Fluggesellschaften unter Berufung auf den Datenschutz zurückzuweisen, weil der Datenschutz als Schutz personenbezogener Daten davon gar nicht berührt war.
Auch in Zukunft kann es allerdings Fälle geben, in denen keine Auskunft erteilt werden kann, weil es um personenbezogene Daten geht. Das ist ein Abwägungsprozess. Man muss unterscheiden zwischen den Daten, die jemand als Amtsträger oder Gutachter hinterlässt und die damit eine Auskunftsverweigerung nicht rechtfertigen, zum Beispiel dessen Unterschrift, und solchen Informationen, die eine öffentliche Stelle über eine Person speichert.
In den Fällen muss abgewogen werden. Der Betroffene muss erst einmal die Möglichkeit bekommen, sich dazu zu äußern. Im Regelfall wird ohne Einwilligung eine Offenbarung persönlicher Daten nicht stattfinden. Das gilt verschärft für sensible Daten, wie Gesundheitsdaten.

Frage: Bekommt der Anfragende in jedem Fall auch einen Bescheid, falls das Begehren abgelehnt wird?

Schaar: Ich gehe davon aus, dass abschlägige Bescheide die Gründe enthalten, weshalb keine Auskunft gegeben wurde. Es gibt aber ausdrücklich auch abgestufte Möglichkeiten, nicht nur ein Ja oder Nein. Beispielsweise können personenbezogene Daten geschwärzt werden, wie das bereits bei der Stasi-Unterlagenbehörde praktiziert wird, oder es wird nur eine Aktenauskunft erteilt, nicht aber die Einsicht gestattet. Da ist das Gesetz schon ein Stück flexibel.

Frage: Müssen die Behörden jetzt mit einer Flut von Anfragen rechnen?

Schaar: Diese Horrorvorstellung höre ich immer wieder. Dort, wo es Informationsfreiheitsgesetze schon gibt, sind solche Erscheinungen aber nicht bekannt geworden. Natürlich würde ich mich darüber freuen, wenn die Bürger in erheblichem Umfang von ihrem neuen Recht Gebrauch machen.
Ich setze auf eine bürgerfreundliche Praxis der Behörden. Dass sie nicht die vorhandenen Ausnahmeregelungen suchen, die sie von der Auskunftspflicht befreien, sondern dass sie bürgerfreundlich agieren, im Zweifel für die Informationsfreiheit. Und dass sie auch den Gebührenrahmen bürgerfreundlich, das heißt angemessen und bezahlbar, nicht prohibitiv, anwenden.

Frage: Sie sind gleichzeitig Bundesbeauftragter für den Datenschutz und für die Informationsfreiheit. Gibt es da keinen Zielkonflikt?

Schaar: Ich will nicht ausschließen, dass im Einzelfall diese beiden Interessen aufeinander treffen. Aber es ist bei unabhängigen Institutionen, wie auch bei Gerichten, häufig so, dass sie abwägen müssen. Ich bin ja unabhängig, nicht etwa einem Ministerium nachgeordnet. Ich werde eine solche Interessenabwägung dann auch in voller Unabhängigkeit durchführen.

Die Fragen stellte Joachim Sondermann, AP

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