Interview mit Game-Entwickler Rüttelspielchen auf dem C64
Frage:
Sex sells, heißt es immer. Bist du mit "Sex Games" reich und berühmt geworden?
Thomas Landgraf: Es war definitiv mein erfolgreichstes Projekt meiner Telespiel-Ära. Ich habe damals irgendwas zwischen zwei- und dreieinhalbtausend Mark verdient mit dem Spiel. Das war für mich als 18-Jähriger schon ganz schön viel Geld.
Frage: Wie alt warst du, als du angefangen hast, Computerspiele zu programmieren?
Landgraf: Ich habe das damals mit meinem Bruder zusammen gemacht, quasi als Hobby neben der Schule. Ich war damals 15 und mein Bruder 13 Jahre alt.
Frage: Wie kann man sich das vorstellen?
Landgraf: Nun gut, das waren ja noch die Zeiten, als man den Rechner an den Fernseher angeschlossen hat. In Ermangelung eines eigenen Fernsehers mussten wir damals den unserer Eltern nehmen. Das heißt, wir saßen dann beide im Wohnzimmer und haben dort programmiert.
Frage: Und wieso konntest du eigentlich mit 15 schon programmieren?
Landgraf: Das ist ja nicht so schwierig. Es war Technikspielerei, wie man das als Jungteenager halt so macht. Viele Befehle waren es ja nicht, die man da beherrschen musste. Vielleicht 40 bis 50 relevante und dann noch mal 20 Befehle obendrauf. Damals funktionierten die nach ganz einfachen Regeln, waren bei weitem nicht so kompliziert wie eine heutige Java-Programmiersprache, wo man ein halbes Studium braucht, um zu verstehen, was da passiert. Das waren ganz einfach Kopfnüsse, die wir da knacken mussten.
Frage: Hat eure gemeinsame Firma "Landisoft" denn tatsächlich Spiele verkauft?
Landgraf: Ganz am Anfang haben wir die Spiele für 10 Mark verkauft. Davon haben wir dann Kassetten gekauft und ganz liebevoll beklebt und die innerhalb Deutschlands verschickt. Mit den ersten Spielen haben wir insgesamt wohl so um die 400 oder 500 Mark verdient.
Frage: War das denn auch die Intention beim Programmieren von "Sex Games", damit Geld zu machen? Oder worum ging es euch da?
Landgraf: "Sex Games" war einfach ein kleiner, zynischer Kommentar zum Aufkommen dieser ganzen Rüttelspiele wie "Decathlon". Das Rütteln hatte schon ein bisschen was Anstößiges. Außerdem waren wir Teenager, und in der Zeit interessiert das Thema Sex ja sowieso wie nichts anderes, man macht seine ersten Erfahrungen, und wir haben uns der ganzen Sache eben auf diesem Weg genähert. Meine damalige Freundin hat übrigens bei der Grafik ein bisschen mitgeholfen.
Frage: Das Spiel hast du dann aber nicht mehr am elterlichen Fernseher programmiert?
Landgraf: Ich weiß gar nicht mehr, ob die das überhaupt jemals gesehen haben. Für die war das alles Voodoo, was wir da getrieben haben.
Frage: Hat das Spiel "Sex Games" für dich überhaupt etwas mit Sex zu tun?
Landgraf: Eigentlich nicht. Es ist ja in dieser Werner-Grafik gehalten. Werner war damals ja ein unglaublich beliebter Comic, und auch die Stellungen, die im Spiel propagiert werden, sind sehr comichaft. Es nimmt die ganze Sache doch eher auf die Schippe.
Frage: Ist es beim Programmieren eigentlich relevant, worum es in einem Spiel geht?
Landgraf: Auf jeden Fall! Als Programmierer braucht man viel Disziplin, man muss motiviert sein, weil es am Ende doch sehr viel mit Handwerk zu tun hat. Wenn man ein lustiges Spiel programmiert oder gerade einen besonders guten Algorithmus ausprobiert, dann ist man sehr viel motivierter. Wenn ich mir die heutigen Spiele angucke, dann kann ich mir gut vorstellen, dass es Spaß macht, so etwas zu programmieren. "Sex Games" war allerdings technisch gesehen ganz klar eines der einfacheren Spiele, die wir geschrieben haben. Ich glaube, ich habe eine Woche für die Programmierung gebraucht. Dann haben wir noch mal drei oder vier Wochen lang immer mal abends an der Grafik rumgemalt. Es sind ja nur Bilder, die übereinander gelegt werden. Wirklich nichts Besonderes.
Frage: Trotzdem kennt das Spiel fast jeder.
Landgraf: Ja, stimmt. Es hat mir ziemlichen Ruhm eingebracht. In meiner Bundeswehrzeit, also zwei, drei Jahre später, war ich sehr beliebt. Und selbst heute werde ich noch gelegentlich darauf angesprochen. "Sex Games" ist in der damaligen Raubkopierszene rumgegangen wie der Blitz, weil es unglaublich lustig und scharf war.
Frage: Viele Leute haben ihre Joysticks ruiniert beim Rütteln. Ist dir das auch passiert?
Landgraf: Beim Testen habe ich ihn nicht kaputt gemacht. Aber bei der Bundeswehr haben wir mal eine Runde gespielt, und am nächsten Morgen war der Joystick hin. Aber das hatte wohl eher was mit dem Alkohol zu tun.
Frage: Spielst du heute noch Videospiele?
Landgraf: Ja, schon. Zurzeit spiele ich sehr viel "World Of Warcraft".
Frage: Gibt es da auch Sex?
Landgraf: Nein, ich glaube, das wird explizit ausgeblendet. Obwohl jetzt zwei Gilden-Mitglieder von mir heiraten wollen. Aber ob die dann auch Sex haben werden ...
Frage: Hast du die Aufregung um die "Hot Coffee"-Mod für "GTA" mitbekommen?
Landgraf: Nein, aber ich habe damals selbst eine Abmahnung bekommen von der Stelle für jugendgefährdende Schriften. Das war Jahre später, da war der 64er gar nicht mehr angesagt. Ganz formell per Brief von der Behörde wurde ich informiert, dass das Spiel "Sex Games" jetzt auf der Liste der jugendgefährdenden Schriften steht.
Frage: Aber eine Strafe musstest du nicht zahlen?
Landgraf: Nein, nein, es ist ja nicht verboten, so was zu machen, es ist nur verboten, das an die falschen Leute rauszugeben. Viel später habe ich noch mal einen Brief von der Polizei bekommen. Die hatten einen Raubkopierer hochgenommen, und ich als Geschädigter sollte mich dazu äußern. Davon habe ich aber abgesehen, ein finanzielles Interesse hatte ich ja sowieso nie.