Interview mit Profi-Gamer "Ich fühlte mich wie ein Popstar"
SPIEGEL ONLINE:
Sie haben 2003 gemeinsam mit Ihrem Bruder 60.000 Euro erspielt, davon kann man ja ganz gut leben. Ist Spielen Ihr Beruf?
Schellhase: Nein, ich finanziere mir mit Spielen mein Studium. Ich studiere im fünften Semester Wirtschaftsinformatik. Mein Hauptziel ist, dass ich das Studium fertig bekomme. Ob ich nach dem Studium noch weiter spiele, hängt auch davon ab, wie lukrativ das dann noch ist.
Schellhase: Sie haben 2003 in Südkorea den Fifa-Weltmeistertitel geholt. Fühlt man sich da wie ein Star?
SPIEGEL ONLINE: Zu Hause in der Disco wurden wir öfters angesprochen: "Irgendwoher kenne ich Dich". "Geile Leistung", kam dann immer - und das hat einen auch geschmeichelt. Ich fand das ein sehr schönes Gefühl, erkannt zu werden. Am extremsten war es bei den World Cyber Games 2003 in Südkorea. Als bekannt wurde, dass Daniel und ich Weltmeister geworden sind, standen wir in jeder Zeitung. Mädchen haben uns auf der Straße erkannt und angefangen zu kreischen. Wir konnten schlecht aus dem Hotel rausgehen, weil wir ständig angehalten wurden. Ich fühlte mich wie ein Popstar.
SPIEGEL ONLINE: 2003 waren Sie Weltmeister. Warum hat's 2004 eigentlich nicht geklappt?
Schellhase: Ich hatte nicht die Zeit, das neue Spiel (Fifa 2004) zu spielen. Es war so viel Werberummel. Wir haben so viele Aktionen gemacht, unter anderem unter unserm Namen einen Computer verkauft. Da mussten wir auf der Cebit Werbung machen. Dadurch, dass wie auf Veranstaltungen, zu denen wir eingeladen wurden, noch sehr lange das alte Spiel gespielt haben, hatten wir einen Riesennachteil gegenüber allen anderen. Fifa kommt jeden November heraus. Wir haben dann erst im März angefangen, damit zu trainieren - zu spät, um den Titel erneut zu holen.
SPIEGEL ONLINE: Und in diesem Jahr, was rechnen Sie sich da aus?
Schellhase: Schwierig wird erst einmal die deutsche Qualifikation. Nach unserem Titel 2003 gab es einen Riesen-Fifa-Hype; viele haben versucht, uns nachzuahmen. Die Deutschen wurden insgesamt wesentlich stärker, dadurch sind wir neben China und Südkorea eine der stärksten Nationen. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir es erneut packen können. Bislang lief alles sehr gut für mich. Ich bin unter anderem deutscher Meister geworden.
SPIEGEL ONLINE: Welche Rolle spielt die Taktik in solch einem Turnier?
Schellhase: Man versucht einzuschätzen, wie gut ist mein Gegner. Und gegen vermeintlich schwächere Gegner versucht man, sozusagen falsche Taktiken anzuwenden, also nicht zu zeigen, wie man eigentlich spielt. Es gucken schon ziemlich viele zu, um herauszukriegen, wo die Stärken und Schwächen liegen. Man versucht halt ein bisschen zu bluffen und gegen die Guten packt man's dann aus.
SPIEGEL ONLINE: Haben Sie auch schon mal absichtlich verloren?
Schellhase: Ja, das war 2003 in der Gruppenphase. Wenn mein Bruder und ich jeweils Gruppenerster geworden wären, hätten wir im Halbfinale direkt aufeinander treffen können. Die Frage war: Wollen wir, dass einer sicher im Finale ist, oder beide ins Finale? Wir haben uns gesagt, jetzt haben wir einmal die Chance aufs Finale, also versuchen wir es beide. So habe ich ein Spiel verloren, um Gruppenzweiter zu werden.
SPIEGEL ONLINE: Aber ist das nicht unfair den anderen Spielern gegenüber?
Schellhase: Jeder versucht natürlich, das Beste für sich herauszuschlagen. Solange die Regeln es nicht verbieten, setzt man halt alle Mittel ein. Eigentore sind allerdings seit dem Turnier 2003 verboten. Ein Spieler hatte im letzten Gruppenspiel kurz vor Schluss noch schnell ein paar Eigentore geschossen, um mit dem schlechteren Torverhältnis Gruppenzweiter zu werden. Er wollte verhindern, dass er in der nächsten Runde direkt auf mich trifft.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind gerade 22 Jahre alt geworden. Was glauben Sie ist das optimale Alter für einen Spielprofi?
Schellhase: Na so 20, 21. Wenn man schon etwas reifer, etwas ruhiger ist und nicht nur mit brachialer Gewalt zum Sieg will. In dem Alter ist auch noch eine gute Reaktionszeit gegeben. Das Altersminimum für Topspieler beginnt bei 18, bei 24, 25 ist Ende. Mein großer Traum ist, bei Olympia 2008 zu spielen. In Peking gibt es das Thema, ob wir E-Sport als olympische Disziplin aufstellen. Es gab da schon mehrere Events, wo auch wir eingeladen waren. Das wurde im Fernsehen gezeigt, um zu schauen, wie es bei den Zuschauern ankommt.
SPIEGEL ONLINE: Ist der E-Sport es überhaupt wert, ins olympische Programm aufgenommen zu werden? Ein Leichtathlet trainiert jahrelang sehr hart, um bei Olympia antreten zu dürfen.
Schellhase: Auch im E-Sport wird viel Zeit in Training und Vorbereitung im Hinblick auf wichtige Events investiert. Um gut zu werden braucht ein "E-Sportler" ebenfalls einige Jahre, um auf hohem Niveau spielen zu können. Wir spielen seit 1994 die Fifa-Serie. In beiden Arten des Sports sind Nervenstärke und Konzentration wichtige Bestandteile. Der Unterschied liegt im Hilfsmittel. Und wenn ich bedenke, dass Schießen in allen möglichen Variationen, zum Beispiel auf Tontauben, olympisch ist, dann hat E-Sport eine berechtigte Chance auf Nominierung.
SPIEGEL ONLINE: Wieviel Zeit trainieren Sie denn täglich am Rechner?
Schellhase: Am Jahresanfang, wenn der neue Teil von Fifa herauskommt, sind das so zwischen drei und vier, auch mal fünf Stunden. Später sind es dann nur noch zwei Stunden, jeweils in zwei Einheiten von einer Stunde. Eine Woche vor Events wird das dann auf drei bis vier Stunden erhöht.
SPIEGEL ONLINE: Sie spielen Fußball, andere Gamer Counter Strike oder Autorennspiele. Wie ist das Verhältnis dieser Spieler untereinander?
Schellhase: Natürlich gibt es da Rangeleien. Ich denke, Warcraft, Fifa und Counterstrike stehen etwa auf einer Stufe. Das sind die drei Hauptspiele, die weltweit große Akzeptanz besitzen. Rennspiele werden dagegen auch öfters belächelt. Aber wir akzeptieren uns gegenseitig, es ist bei jedem eine Topleistung.
Das Gespräch führte Holger Dambeck