Interview zu den P2P-Prozessen Wie teuer wird es denn nun?
SPIEGEL ONLINE:
Herr Heidrich, wie teuer wird es denn nun, wenn mich die IFPI bei KaZaA erwischt?
Joerg Heidrich: Es bleibt erst einmal abzuwarten, ob das Vorgehen der IFPI vor Gericht strafrechtlich überhaupt Bestand hat. Meiner Einschätzung nach dienen diese ganzen Anzeigen ohnehin primär dazu, an die Adressen der P2P-Nutzer heran zu kommen und die Leute nachher zivilrechtlich zu belangen. Nach derzeitiger Rechtslage sind aus gutem Grund nur die Strafverfolgungsbehörden berechtigt, die Kundendaten von Providern einzusehen, so dass dieser Umweg für eine zivilrechtliche Schadensersatzklage notwendig ist. Aus dem, was an Geldstrafen im Strafrechtsprozess zu erwarten wäre, ergibt sich meiner Ansicht nach die gewünschte Abschreckung jedenfalls noch nicht. Und Freiheitsstrafen sind in derartigen Fällen kaum zu erwarten, weil hier Privatleute ohne gewerblichen Hintergrund handeln.
SPIEGEL ONLINE: Über was für Summen redet man denn, wenn man wegen einer Urheberrechts-Verletzung zivilrechtlich verklagt wird?
Heidrich: Das ist völlig offen. Es gibt ja auch noch keinen Musterprozess dazu in Deutschland. Da wird die Musikindustrie erst einmal den Nachweis führen müssen, wie oft beispielsweise eine bestimmte Datei heruntergeladen und verteilt wurde und welchen monetären Gegenwert dies dann ausmacht.
SPIEGEL ONLINE: Das klingt nicht einfach ...
Heidrich: Nein, ganz und gar nicht, sowohl technisch als auch juristisch. Das wird vermutlich äußerst spannende Verhandlungen ergeben. Die Rechteinhaber können natürlich erst einmal auf Unterlassung klagen oder Abmahnungen verschicken. Wenn man den Streitwert hoch genug ansetzt, kann das für die Betroffenen allein schon sehr teuer werden. Bei einem sechsstelligen Streitwert kommen da leicht einige Tausend Euro an Anwalts- und Gerichtskosten zusammen. Richtig teuer würde es für die P2P-User aber erst, wenn sie auf Schadensersatz verklagt würden.
SPIEGEL ONLINE: Wie soll das funktionieren?
Heidrich: Die Industrie argumentiert so: Derjenige, der sich etwas aus dem Netz herunterlädt, hätte das ansonsten gekauft. Jeder Download steht damit für einen Umsatzverlust. Ob das die Richter aber auch so sehen, bleibt ebenso abzuwarten wie die Frage, ob die Anzahl der Uploads nachgewiesen werden kann. Es steht auch zu vermuten, dass sich die Industrie sehr genau überlegen wird, wo in Deutschland sie Klage einreicht: Manche Gerichte gelten da als Lobby-freundlicher als andere.
SPIEGEL ONLINE: Wäre es denn vorstellbar, dass die Musikindustrie mit ihren Klagen vor Gericht scheitert? Und was würde das bedeuten?
Heidrich: Das wäre in der Tat ein herber Rückschlag für die Bemühungen der Musikindustrie, ist aber kaum zu erwarten. Zumindest der Anspruch auf Unterlassung der weiteren Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Werken ist rechtlich ziemlich eindeutig und durchsetzbar.
Die Fragen stellte Frank Patalong