Parlamentsbeschluss Iran verschärft Internetzensur

Alle Nutzer registrieren und VPN-Apps sperren: Das sieht das neue iranische Gesetz zur Internetzensur vor. In der Folge könnten WhatsApp und Instagram verboten werden – mit womöglich schweren Folgen für die Wirtschaft.
Handynutzer:in mit Social-Media-Apps (Symbolbild)

Handynutzer:in mit Social-Media-Apps (Symbolbild)

Foto: MANAN VATSYAYANA / AFP

Nach langem Hin und Her zwischen Gegnern und Befürwortern hat das iranische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das die Internetzensur im Land weiter verschärfen wird. 121 der 209 anwesenden Abgeordneten stimmten am Mittwoch für das neue Gesetz, das laut Verfassung noch vom sogenannten Wächterrat bestätigt werden muss.

Der von den Hardlinern im Parlament initiierte Gesetzentwurf hatte in den vergangenen Wochen landesweit heftige Kritik ausgelöst. Offiziell geht es um die Aufsicht über das Internet sowie eine Nationalisierung – also die Schaffung iranischer Alternativen zu beliebten Onlinediensten. Kritiker befürchten jedoch, dass viele Plattformen durch die neuen Regeln lahmgelegt werden. Außerdem sollen laut dem Gesetz alle Internetnutzer registriert und sämtliche VPN-Apps, mit denen Iraner sich über Datentunnel Zugang zu im Land unerlaubten Websites verschaffen, verboten werden.

Keine Akzeptanz heimischer Alternativen

Das Internet ist dem islamischen Establishment seit Jahren ein Dorn im Auge, weil es die vom Staat kontrollierten Medien komplett untergraben hat. In denen konnten beispielsweise Berichte über Unruhen oder öffentliche Proteste noch zensiert werden, in den sozialen Medien ist dies nicht mehr möglich. Insbesondere Jugendliche verfolgen die politischen Entwicklungen nur noch im Internet, vor allem auf Twitter, und ignorieren die staatlich gesteuerten Medien.

Die Regierung hat in den letzten Jahren zwar versucht, beispielsweise heimische Messengerdienste als Alternativen zu populären westlichen Onlineangeboten einzuführen, doch letztendlich scheiterten diese Pläne. Laut einer Umfrage der iranischen Forschungsgruppe ISPA benutzen über 70 Prozent der Iraner WhatsApp, aber nur fünf Prozent den iranischen Sorusch-Messenger. Mit dem neuen Gesetz könnte auch WhatsApp auf die Verbotsliste kommen.

Eine Internetsperre hätte für das Land gravierende wirtschaftliche Konsequenzen, besonders nach dem Ausbruch der Coronapandemie im Februar letzten Jahres. Viele Geschäfte werden seitdem online über Instagram abgewickelt. Die Plattform wird von mehr als 50 Millionen Iranern benutzt, könnte aber nach dem neuen Gesetz gesperrt werden. Medienberichten zufolge wäre in dem Fall die Einnahmequelle von mindestens einer Million Menschen gefährdet.

hpi/dpa
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