Journalismus im Netz Warum Kassieren online so schwierig ist

Registrierkasse: Im Internet ist das Geld-Einziehen ungleich komplizierter
Foto: ddpInternet-Nutzern Geld abzunehmen, ist auch im 18. Lebensjahr des WWW eine schwierige Angelegenheit. In Bezug auf ihre Zahlungsbereitschaft verhalten sich Netznutzer sogar auf paradoxe Weise: Größere Summen geben Menschen heute in vielen Ländern der Welt bereitwillig online aus - Unternehmen wie Amazon leben davon. Kleinere und vor allem kleinste Summen, sogenannte Micropayments, einzunehmen, ist dagegen ungleich schwieriger. Aus zwei Gründen: Zum einen gibt niemand gerne eine 16-stellige Kreditkartennummer oder seine Kontodaten an, um drei Cent für einen Online-Artikel zu bezahlen. Und zum anderen sind Bezahlsysteme, die solche Micropayments ermöglichen, in der Regel in der Hand großer Betreiber wie ClickAndBuy (ehemals Firstgate) oder Paypal - und die verlangen saftige Margen fürs Kassieren. Gerne auch mal dreißig Prozent oder mehr.
Bei den Deutschen sind solche Methoden ohnehin mäßig beliebt. Die populärsten Zahlungs-Varianten sind hierzulande Überweisung, Lastschrift, Kreditkarte und PayPal, in dieser Reihenfolge, wie eine Online-Umfrage zu Internet-Zahlungssystemen der Uni Karlsruhe ergab, die im November 2008 veröffentlicht wurde.
Für die Medienbranche, die derzeit so öffentlich und fieberhaft nach neuen Geschäftsmodellen fürs Netz sucht, ist das ein zentrales Problem. Man könnte ja durchaus mal versuchen, ob man die große Reportage von Seite drei, das Interview oder die exklusive Wirtschaftsmeldung nicht mal für ein paar Cent an den Leser verkaufen könnte - drei, vier, zehn Cent zu bezahlen, würde ja niemandem wehtun. Dafür aber fehlt derzeit schlicht die Technik - zumindest eine, die nicht mindestens eins der obigen Probleme mit sich bringt. Viele hoffen auf eine Möglichkeit, es leichter zu machen, Kleinstbeträge für Inhalte zu bezahlen - und es auch dem zahlungswilligen Kunden zu erleichtern, sich angstfrei von Cent-Beträgen zu trennen.
"Offen muss nicht kostenlos heißen"
Und jetzt: Ausgerechnet Google, ausgerechnet das Unternehmen, gegen das deutsche Verleger seit Monaten agitieren, möchte den Zeitungsmachern die Hand reichen - wie ein vom Nieman Journalism Lab der Harvard University veröffentlichtes Dokument zeigt: Man glaube daran, dass ein offenes Web für Nutzer und Verleger gleichermaßen vorteilhaft sei, heißt es da, aber "'offen muss nicht notwendigerweise 'kostenlos' bedeuten". Dann wird auf acht Seiten skizziert, wie ein Micropayment-Modell für journalistische Inhalte aus Google-Sicht aussehen könnte. Im Kern geht es darum, Googles Paypal-Konkurrenten Checkout um Funktionen zu erweitern, die den speziellen Bedürfnissen von Verlegern und Medienwebsites entsprechen sollen. Die vage Hoffnung könnte durchaus sein, dass ein System, das alle Zahlungen über eine einzige Plattform abwickelt und damit alles viel einfacher macht, auch die Zahlungsbereitschaft im Netz an sich erhöhen könnte.
Die Vorgeschichte: Die Newspaper Association of America (NAA) hatte vor etwa zwei Monaten verschiedene Anbieter darum gebeten, Ideen zu der Frage einzureichen, wie mit der digitalen Distribution der eigenen Inhalte Umsätze erzielen könnte. Das oben genannte Papier ist Googles Reaktion auf den Aufruf. Was dort niedergelegt sei, bedeute aber nicht, dass "Checkout jetzt in jedem Fall so umgebaut wird", betont Kay Oberbeck von Google auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE, "das sind Vorschläge, Ideen". Das Ganze sei "in einer sehr frühen Phase". Im Moment beziehen sich die Vorschläge ohnehin ausschließlich auf den amerikanischen Markt, da sie ja auf einer Anfrage der NAA basieren. Google Checkout, das nebenbei, gibt es in Deutschland derzeit ohnehin nicht. Für solche Systeme braucht man Partner und Genehmigungen, und so etwas auszuhandeln, kann viel Zeit in Anspruch nehmen.
Nicht nur Google hat einen Vorschlag eingereicht
Google war bei weitem nicht das einzige Unternehmen, das den US-Zeitungsverlegern Vorschläge machte: Auf den Seiten der NAA finden sich Verweise auf insgesamt elf Einreichungen, darunter Beiträge von Microsoft, Oracle und IBM (mittlerweile ist die Seite mit dem Rücklauf aber hinter einer Passwort-Abfrage verschwunden). Nicht alle befassen sich allerdings konkret mit Zahlungssystemen - Microsoft etwa fabulierte von der digitalen Zeitung der Zukunft, die selbstverständlich komplett auf Microsoft-Software basieren soll.
Diejenigen Vorschläge aber, die sich konkret auf Bezahlmodelle konzentrieren, klingen alle ziemlich ähnlich. Nicht nur Google, sondern auch etwa Journalism Online, Viewpass und Haymaker wollen unterschiedlichste Arten von Zahlungsmodellen unter einem Dach vereinigen, etwa Micropayments und Abonnements. Journalism Online regt auch noch "Tagespässe" an, mit denen man sich vorübergehenden Zugang zu einem oder mehreren Angeboten verschaffen könnte. Im Google-Ideenpapier ist zudem von Bündel-Abos die Rede: "Ein Paket könnte etwa vollen Zugang zum 'Wall Street Journal' beinhalten; ein anderes Paket könnte die Top 10 der Business-Publikationen umfassen."
Das Problem mit all den schönen Modellen, die mit einem einzigen Klick die Möglichkeit schaffen sollen, Kleinstbeträge zu bezahlen (bei Google etwa sollen die dann kumuliert und nach Erreichen einer Schwelle erst tatsächlich abgebucht werden): Jeder der Anbieter wird zwangsläufig darauf bestehen, wieder eine Marge abzuzweigen. Und das wird die Kosten für den Nutzer zwangsläufig in die Höhe treiben. Gängige Margen liegen in diesem Bereich, wie bereits erwähnt, um die 30 Prozent. Ob Zeitungsverleger ausgerechnet Google ein knappes Drittel ihrer Online-Einnahmen - sollte es die denn irgendwann einmal geben - abtreten wollen, scheint doch zumindest fraglich.
Von Datenschutz-Erwägungen einmal ganz abgesehen: Wenn auch noch die Information, wer was wann wo gekauft hat, dem Google-Datenschatz einverleibt würde, wäre das für den einen oder anderen Datenschützer zweifellos ein Albtraum.