Kein Limp Bizkit Tazl im Glück
Manchmal bedarf es nicht viel, um Aufmerksamkeit zu erregen. Manchmal reicht schon ein Laptop.
Martin Tazl jedenfalls hat in seinem Duisburger Büro - genauer: seinem Wohnzimmer - nur einen dieser transportablen Computer stehen. Mit dem entwirft er Screens, Bildschirmhintergründe für den Monitor, Illustrationen, Grafiken, Fotos. Auf einigen ist er selber zu sehen, beim Nudelessen etwa, auf anderen hat er seine Helden verewigt: James Bond, Schimanski, Alphaville.
Vor fünf Jahren begann er, seine Arbeiten über verschiedene Websites zu verteilen. Willkürlich zuerst, später dann mit System. User aus Neuguinea, Russland, Korea oder Argentinien hatten positive E-Mails zurückgeschickt und empfahlen seine Bilder an Freunde weiter. Da wusste der Grafiker und Webdesigner, dass aus seinen Werken, inzwischen zu Tausenden im Internet platziert, digitale Visitenkarten geworden waren.
Gesehen, für gut befunden, geheuert
Gerade jetzt bastelt er wieder an Screens, doch dieses Mal ist es eine Auftragsarbeit. Ein User aus Amerika hat sich bei ihm gemeldet, genauer: dessen Manager. Ob Martin nicht Lust hätte, für Limp Bizkit eine neue Internetseite zu gestalten, schrieb er. Und weiter: Fred Durst sei Fan seiner Arbeiten und würde Tazls private Internetseite seit längerem beobachten. Weitere Referenzen oder Meetings seien daher nicht notwendig.
Dass er den überraschenden Auftrag aus Übersee annehmen würde, war Martin Tazl schnell klar. Etwas länger brauchte er, um die Tragweite zu begreifen. Limp Bizkit sind - ihren Namen Lügen strafend - keine "schlaffen Kekse" im Musikgeschäft. Auch Tazl, 30 Jahre alt, selbst Sänger und Liebhaber von Funk und Soul, hatte schon von der "Nu Metal"-Band gehört, er wusste, dass Fred Durst deren Sänger ist. Mehr aber ahnte er nur.
Freunde halfen aus. Sie schickten ihm MP3-Dateien und ein paar Infos: 1994 gegründet, 30 Millionen verkaufte Platten weltweit, Fan-Massen, die Stadien füllen - und Millionen von Usern, die jeden Monat die Website ihrer Helden besuchen. Gerade jetzt, kurz vor der Veröffentlichung Limp Bizkits neuer Platte am 22. September.
Tazl strickt im Akkord
Zwei Monate ist die Kontaktaufnahme inzwischen her, seitdem besprechen sich der Rockstar und sein Grafiker aus Duisburg alle paar Tage. Per E-Mail oder im Chat. Persönlich kennengelernt haben sie sich noch nicht. Als Limp Bizkit Ende August bei einem Festival im nur 60 Kilometer entfernten Weeze am Niederrhein auftraten, musste Martin an Freds Site arbeiten. "Feiern und Spaß haben können wir später", sagt er. "Ich wollte mit der Seite vorankommen, die soll ja schließlich rechtzeitig zum neuen Album fertig werden."
Die Deadline drückt, aber auch sonst sieht er in Fred Durst, der sich in der Öffentlichkeit gerne als lauthals pöbelnder Rocker geriert, kaum mehr als einen Kunden. Einen sehr entspannten dazu. "Die Zusammenarbeit ist easy. Zu Anfang sagte er lediglich, dass er eine geile Website haben möchte. Also habe ich ihm zwei Vorschläge geschickt und seitdem reden wir auf der gleichen Wellenlänge. Er ist ja gerade mal zwei Jahre älter als ich." Nervös würde Martin Tazl bei anderen Musikern werden - bei KISS etwa, bei den Bee Gees, oder wenn der kürzlich verstorbene Barry White angefragt hätte, sich von ihm ein Plattencover kreieren zu lassen.
Mit den Fans von Limp Bizkit kam er bei seiner Recherche für das richtige Design auch in Kontakt. Deutsche User einer Fanseite bat er, Wünsche und Ideen für die neue Homepage einzuschicken. Martin Tazl lernte, dass dem Sänger bisweilen göttliche Verehrung zuteil wird und die Fans an jedem Wort ihres Idols hängen. Als Fred Durst auf seiner Website in einem Satz das Lob veröffentlichte, einen "sick web designer from Germany" gefunden zu haben, landeten prompt eMails aus aller Welt in Martin Tazls Briefkasten. Die häufigste Bitte: die private Mail-Adresse von Fred Durst.
Elektronischer Vollkontakt
Wie stark der Einfluss der Fans auf das tatsächliche Produkt sein wird, will er vorab nicht verraten. Auch über weitere Projekte schweigt er sich aus. Ideen existieren aber bereits und deswegen hat er sich mit Fred Durst zu einem virtuellen Vieraugengespräch verabredet. Dafür wollen beide eine Kamera auf ihren Monitor schnallen, die Computer mit einem Mikrofon und einer neuen Software für ruckelfreie Übertragungen in Echtzeit aufrüsten - und dann zum vereinbarten Zeitpunkt online gehen. "Diese Konferenztechnik ist sehr praktisch. Fred ist viel unterwegs und hat nie Zeit. So aber kann er sich in sein Hotelzimmer setzen und einfach den Laptop aufklappen, wenn wir Projekte besprechen wollen."
Dass ein derart prominenter Kunde auf ihn gestoßen ist, wundert Martin Tazl selber ein wenig. "Zumal in Amerika viele sehr gute Grafiker leben", wie er zugibt. Ungewöhnlich ist die Anfrage jedoch keineswegs. Mit dem Start seiner Selbstständigkeit im vergangenen Jahr landeten immer häufiger Anfragen aufgrund von Onlinereferenzen bei ihm. Inzwischen kommt die Mehrzahl seiner Aufträge über den elektronischen Weg zu Stande. Und er plant, eine eigene Firma zu gründen. Dann würde er das Büro in seiner 50 Quadratmeter großen Wohnung auflösen und sich separate Räume suchen. Viel Platz braucht er nicht. Er hat ja nur einen Laptop.