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Mega-Pressekonferenz: Kim Dotcom und die Party-Razzia

Foto: Fiona Goodall/ Getty Images

Neuer Online-Speicherdienst Kim Dotcoms Mega-Show

Kim Dotcom wird seinem Ruf gerecht: Der 38-jährige nutzt den Start seines neuen Cloud-Speicherdienstes Mega am Jahrestag der Razzia auf seinem Anwesen für eine große PR-Show in eigener Sache - und für politische Botschaften an die US-Regierung und Hollywood.

Spektakuläre Produkteinführungen sind in der Online-Branche keine Seltenheit, aber was Kim Dotcom am Sonntag auf seinem Anwesen in Coatesville bei Auckland inszenierte, war wirklich speziell. Um Punkt 6.48 Uhr morgens neuseeländischer Ortszeit drückte er den Startknopf für seinen neuen Online-Speicherdienst Mega, genau zu der Zeit, als vor einem Jahr neuseeländische Polizisten und Mitglieder einer Spezialeinheit sein Anwesen stürmten - auf Basis einer Anklage des amerikanischen Justizministeriums, die ihm und seinen Mitangeklagten eine "Mega-Verschwörung" zur Verletzung von Copyrights vorwarfen.

Bei der offiziellen Launch-Veranstaltung am Abend des Jahrestages, vor rund 250 Journalisten und geladenen Gästen, knattert plötzlich ein Helikopter in geringer Höhe über der "Dotcom Mansion", mit Gewehrattrappen bewaffnete Stuntmen in Kampfanzügen seilen sich vom Hausdach ab, Pseudobeamte brüllen "Ihr seid alle verhaftet", Schüsse knallen, und der Hausherr lässt sich bestens gelaunt von einer Riege junger Tänzerinnen abführen.

Es ist das freche Reenactment der Razzia, die den 1974 in Kiel als Kim Schmitz geborenen schlagartig international in die Schlagzeilen hievte. Die Behörden durchsuchten im Rahmen der "Operation Takedown" am 20. Januar 2012 Wohnungen und Büros in neun Ländern, beschlagnahmten einen ganzen Fuhrpark an Luxuskarossen und froren zahlreiche Konten ein - vor allem nahmen sie aber die Webseiten vom Netz, deren Geschäfte der Anklage zugrunde lagen: Megaupload, Megavideo, Megaporn und weitere Ableger von Dotcoms Mega-Firmenfamilie.

"Notwehr und Selbstverteidigung"

Es gehe ihm nicht darum, mit dem neuen Speicherdienst Regierungen zu ärgern, sagte Dotcom auf einer großen Bühne im Innenhof der Dotcom-Mansion vor Beginn der turbulenten Showeinlage. Aber natürlich ist seine persönliche "Operation Neustart" am Jahrestag die denkbar größte Provokation in Richtung seiner Ankläger und gegenüber denjenigen, die Dotcom dahinter vermutet: die großen Hollywood-Studios.

Die Anklage gegen ihn sei "politisch motiviert" und im übrigen "böswillig, konstruiert und falsch" sagte Dotcom dem SPIEGEL, der ihn und mehrere seiner Mitangeklagten vorige Woche in Neuseeland besuchen konnte. Sein Kompagnon, der Megaupload-Mitgründer Mathias Ortmann, bezeichnet den Start von Mega gegenüber dem SPIEGEL als Akt der "Notwehr und Selbstverteidigung".

Dotcom saß einen Monat in Haft und kam danach unter Auflagen vorerst frei, sein Reisepass wurde eingezogen und er muss sich einmal wöchentlich bei der Polizei melden. Eine Entscheidung über das Auslieferungsersuchen der USA ist mehrfach verschoben worden und wird aktuell frühestens für August dieses Jahres erwartet.

Das Leben eines Grenzgängers

In dieser Situation einen neuen Onlinespeicher an den Markt zu bringen ist einigermaßen vermessen und verrückt - und fügt sich damit nahtlos in den Lebenslauf des flamboyanten Internetunternehmers, der als Grenzgänger zwischen Boulevard und Business schon in seinem ersten, deutschen Leben als Kim Schmitz während der kurzen Blüte der sogenannten "New Economy" für Furore sorgte. Diese kurze Periode der Wirtschaftsgeschichte war nicht arm an schillernden Charakteren. Schmitz zählte zu den schillerndsten - und zu jenen, die wegen Insiderhandels vor Gericht landeten.

Er kam mit einer Bewährungsstrafe davon, habe sich aber "unfair behandelt" gefühlt, sagte er dem SPIEGEL. Deshalb habe er Deutschland verlassen und sich umbenannt - zuerst in Kim Tim Jim Vestor und schließlich nach seiner Internetadresse kim.com. Zunächst von Manila und später von Hongkong aus baute er Megaupload auf, einen Dienst mit seinen Angaben zufolge zuletzt 220 Mitarbeitern. Die Grundidee sei gewesen, einen Transportweg für Dateien zu entwickeln, die für den E-Mail-Versand zu groß sind. Daraus entwickelte sich in wenigen Jahren eine florierende File-Sharing-Börse, die es zeitweise unter die Top 20 der meistabgerufenen Webseiten brachte. Laut Anklage soll Dotcom persönlich allein im Jahr 2010 mit seinen Mega-Geschäften 42 Millionen Dollar verdient haben.

Verschlüsselung soll Anwender und Betreiber absichern

Dass über Megaupload in großem Stil Copyright-Piraterie betrieben wurde, können auch seine Macher nicht leugnen - sie lehnen nur jede juristische Verantwortung dafür ab. Er sei "Service-Provider", so Dotcom. Wofür die Anwender seine Plattform nutzten, sei deren Sache. Nach geltendem Recht müssten Rechteinhaber selbst Verstöße ausfindig machen und melden. Eine entsprechende Missbrauchs-Abteilung habe es bei Megaupload gegeben, sie habe Millionen von Links gelöscht. Große Hollywood-Studios wie Warner, Disney und Sony hätten inkriminierte Links bei Megaupload direkt entfernen können. Alle Vorwürfe aus der 72-seitigen US-Anklage, die Megaupload-Betreiber hätten selbst geschützte Dateien hochgeladen und Dritte dafür bezahlt, bestritt Dotcom vehement.

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Online-Speicherdienst: So sieht Mega aus

Foto: SPIEGEL ONLINE

Mit Mega kehren Dotcom & Co. nun zurück in genau diese hoch umstrittene Arena. Auch Mega ist ein Onlinespeicherservice in der Cloud. Neu allerdings ist, dass die Daten der Nutzer beim hochladen verschlüsselt werden. Mega-Anwender können die 50 Gigabyte an Speicherplatz, die der Service kostenlos zur Verfügung stellt, nutzen wie eine externe Festplatte, um dort etwa Familienfotos oder Sicherheitsbackups zu speichern - aber natürlich im Zweifel auch für urheberrechtsgeschützte Musikalben oder Filme. Sie selbst entscheiden darüber, ob sie den Link, den sie bei jedem Upload von Daten erhalten, mit anderen teilen und die Daten entschlüsseln wollen. Die Mega-Macher um Dotcom können also künftig argumentieren, dass sie selbst beim besten Willen nicht mehr wissen können, wofür die Anwender ihren Dienst nutzen - die Daten sind ja verschlüsselt.

Hartes Brot für Ermittler

Mega sei "das juristisch sicher am intensivsten geprüfte Start-up der Internetgeschichte", sagt Dotcom, "jeder Pixel ist durchgecheckt". Auf der neuen Website finden sich tatsächlich zahlreiche Spuren, die darauf hinweisen, dass formal versucht wurde, das Angebot so wasserdicht wie möglich zu machen. Schon beim Anmeldeprozess müssen neue Anwender die Nutzungsbedingungen akzeptieren, in denen sich Formulierungen finden, die den Hollywood-Studios und anderen Rechteinhabern wie Hohn in den Ohren klingen werden: "Mega respektiert das Copyright und erwartet, dass Nutzer des Mega Cloud Services sich an die Copyright-Gesetze halten", heißt es darin, und weiter: "Es ist streng verboten, den Mega Cloud Service zu nutzen, um Copyright zu verletzen." Ferner heißt es im Kleingedruckten, Mega behalte sich das Recht vor, die IP-Daten seiner Nutzer mitzuloggen und mit Ermittlungsbehörden zu kooperieren.

Das wird allerdings die meisten Nutzer kaum abschrecken, denn gleichzeitig verspricht Mega seinen Kunden durch die Verschlüsselung maximale Sicherheit, bewirbt sich selbst als einen Meilenstein im Schutz der Privatsphäre für Internetnutzer und nennt sich gar "The Privacy Company". Tatsächlich wird auch eine mitgeloggte IP-Adresse Ermittlern kaum weiterhelfen, wenn sie statt Dateien nur einen verschlüsselten Buchstabensalat erkennen.

Respektable Kooperationspartner

Seine Start-Show nutzte Dotcom auch dazu, eine Kampagne fortzuführen, die er schon seit Monaten vorwiegend über seinen Twitterfeed befeuert. Er wolle ein Gespräch über die Freiheit des Internets eröffnen, so Dotcom. Das Netz gehöre niemandem, keiner Regierung, keinem Konzern. Sein neues Angebot werde dazu beitragen, Verschlüsselung im Internet durchzusetzen. Sein plötzliches Engagement zum Schutz der Privatsphäre, räumte Dotcom ein, habe auch damit zu tun, dass er vor der Razzia vom neuseeländischen Geheimdienst illegal abgehört worden sei. Eine Aktion, für die sich der neuseeländische Premierminister John Keys inzwischen entschuldigt hat.

Dotcom nutzte die große Bühne seines Mega-Starts auch, um den Hollywood-Studios ein Gesprächsangebot zu unterbreiten. Das Piraterie-Problem gehe letztendlich auf deren Geschäftsmodell zurück, so Dotcom. Ihre Politik, dass Kinofilme bei ihrem Start in den USA zwar groß international beworben würden, aber danach viele Monate lang nicht legal über das Internet erworben werden könnten, sei der Kern des Problems, für das er mit Megamovie schon einen Ansatz entwickelt habe.

Bereits kurz vor dem Start vermeldete Dotcom einen kleinen Coup, eine Riege von respektablen Kooperationspartnern wie den Domainhändlern EuroDNS, Digiweb und Instra, die für Mega unter anderem als "Reseller" seiner Bezahlangebote auftreten. Denn verdienen wollen die Mega-Macher wie früher bei Megaupload mit "Premium"-Angeboten, die jetzt "Pro" heißen: 500 Gigabyte kosten 9,99 Euro monatlich, vier Terabyte Datenvolumen sowie eine Übertragungsbandbreite von 8 Terabyte verspricht Mega allen, die bereit sind, 29,99 Euro im Monat zu berappen.

"Das wird groooß"

Die Mehrheit an dem neuen Angebot hält eine Familienstiftung der Dotcoms, als deren Direktorin seine Frau Mona agiert, drei der Mitangeklagten der "Mega-Verschwörung" halten zusammen weitere rund 35 Prozent. Als Geschäftsführer agiert der Gründer des Domain Registrars Instra, Tony Lentino. Dotcom bezeichnete Mega als "Kiwi-Start-up", auf seiner Webseite sucht das junge Unternehmen weitere Investoren, Hosting Partner und Entwickler. Er plane, das Unternehmen letztendlich an die neuseeländische Börse zu bringen, sagte Dotcom.

Noch ist das Angebot nicht völlig ausgereift, offenbar war es Dotcom & Co wichtiger, den symbolischen Starttermin einzuhalten. So empfehlen die Entwickler, ausschließlich Google Chrome zu benutzen, an der Unterstützung anderer Browser werde noch gearbeitet. Bislang gibt es, anders als bei Wettbewerbern wie Dropbox, keine "Mega"-App für Mobilgeräte. Und auch die Server-Infrastruktur ist mit Megaupload, dessen Datenverkehr laut Eigenwerbung zeitweise vier Prozent des gesamten Internettraffics ausmachte, nicht zu vergleichen - was sich in den ersten Stunden deutlich bemerkbar machte.

Bleibt die Frage, ob die Community darauf gewartet hat, ausgerechnet Dotcom & Co. wieder Daten anvertrauen zu können - immerhin kommen die Nutzer von Megaupload seit dem vorigen Januar nicht mehr an ihre heran, selbst wenn sie den Service ganz legal benutzt haben. Zudem gibt es längst diverse Angebote, die ähnliche Funktionen anbieten wie der von den US-Behörden stillgelegte Mega-Vorläufer.

Die Antwort darauf gab, wer sonst, der Gastgeber auf seiner Partybühne in Coatesville selbst. Unter dem Gejohle der geladenen Gäste berichtete Dotcom, in den ersten vierzehn Stunden hätten sich mehr als 500.000 Nutzer bei Mega registriert: "Das wird ganz groooß."

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