Kinderporno-Bekämpfung Von der Leyen hält an Web-Filter fest

Familienministerin Ursula von der Leyen sieht keine grundlegenden technologischen oder rechtlichen Hürden für den geplanten Web-Filter gegen Internet-Seiten mit Kinderpornografie. Ein kritisches Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages bezeichnete die Ministerin als "unterirdisch".

Berlin - Familienministerin von der Leyen (CDU) trat damit Kritikern entgegen, die das Projekt eines Web-Filters, der von den Internet-Providern betrieben und mit Listen aus der Arbeit des Bundeskriminalamtes (BKA) gefüttert werden soll, für problematisch halten. Wie SPIEGEL ONLINE bereits am vergangenen Wochenende berichtete, kam der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu dem Schluss, die Seitensperrung sei technisch kaum umsetzbar und gefährde schwerwiegend die im Grundgesetz garantierte Kommunikationsfreiheit.

Von der Leyen wies beide Bedenken zurück. Bei Kinderpornografie handele es sich um schwerste Kriminalität. Eine Ausweitung der blockierten Inhalte über dieses Gebiet hinaus sei nicht geplant.

Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE gibt es aber durchaus deutsche Medienwächter, die über einen weitergehenden Einsatz der Filtertechnologie nachdenken, wenn sie einmal installiert ist. Die Diskussion über weitere Sperrwünsche dürfte spätestens dann beginnen, wenn die Technik einsatzbereit ist.

Von der Leyen zufolge wurde ein Entwurf der verbindlichen Vereinbarung mit den sieben großen Internet-Providern, die 95 Prozent des Marktes abdecken, an die Beteiligten versandt. Es sei vorgesehen, dass ausschließlich das Bundeskriminalamt (BKA) die entsprechenden Seiten ermittle und damit die Haftung allein beim Staat liege. Die Provider seien nicht verantwortlich für die Identifizierung kinderpornografischen Inhalts. In anderen europäischen Ländern habe man gute Erfahrungen mit ähnlichen Filtern gemacht (siehe Kasten).

Warnungen, Anbieter könnten Seiten vorsorglich sperren, seien daher "absoluter Unsinn". Beim BKA solle zudem eine Beschwerdestelle eingerichtet werden.

Der personelle Aufwand wird nach Einschätzung von der Leyens "überschaubar" sein. In Norwegen werde beispielsweise ein Spezialist eine Stunde pro Tag benötigt, um die Liste der zu sperrenden Internet-Seiten zu aktualisieren.

Europol-Direktor Max-Peter Ratzel begrüßte die Initiative. Die polizeiliche Arbeit müsse sich stärker auf die Prävention stützen, sagte er in Berlin. Er bezeichnete Berichte, denen zufolge nur zehn Prozent des kinderpornografischen Materials im Internet auf Websites angeboten werden, als "außerordentlich hinterfragungswürdig". Zudem verlockten eben diese frei zugänglichen Seiten einige User erst, zu einschlägigen Tauschgruppen zu wechseln. Solche Gruppen lassen sich auch durch einen providerseitig installierten Filtermechanismus kaum eindämmen.

Filtertechnik: So können Provider Websites blockieren

Die Vereinbarung mit den Providern soll laut der Ministerin in den nächsten vier Wochen abgeschlossen werden. Die erste Internet-Seite könne in einigen Monaten geblockt werden. Angestrebt wird zudem eine Änderung des Telemediengesetzes. Durch die Zugangssperren könnten den Angaben zufolge in Deutschland täglich rund 300.000 Zugriffe auf kinderpornografische Seiten verhindert werden.

cis/ddp
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