Kommunikation Universelle Internetsprache in Arbeit
Wollen Sie vielleicht etwas "drink(icl>event,obj>liquid)"? Nein? Schade, Ihnen wurde gerade angeboten, etwas "Flüssigkeit aufzunehmen". Sie haben es nicht verstanden? Der Ausdruck ist ein Kunstwort aus UNL, der Universal Networking Language.
Versuche, die Menschen mit Hilfe einer Universalsprache zu einen, gab es schon viele - von Volapük bis Esperanto. Doch keine der über 1000 Entwürfe konnte sich durchsetzen: Großer Lern- und Zeitaufwand machten die Kunstsprachen bisher unattraktiv. Jetzt keimt im Cyberspace neue Hoffnung auf: UNL (engl. Universal Networking Language) heißt das Projekt, das Sprachen umformen kann und dem Kauderwelsch im Internet ein Ende setzen soll.
Die Computersprache soll dazu dienen, daß alle Menschen unkompliziert Informationen über das Netz austauschen können. Wenn es nach den Initiatoren geht, soll UNL das schaffen, was selbst Englisch als Fremdsprache Nummer Eins noch nicht gelungen ist. "Der Informationsaustausch im Web ist wegen der existierenden Sprachbarrieren noch unterentwickelt", so Jörg Schütz, Leiter des deutschen Forschungsteams an der Universität des Saarlandes.
Seit 1996 tüfteln mehr als 120 Linguisten und Computerexperten in über 17 Forschungsinstituten weltweit daran, das Vorhaben zu verwirklichen, zusammengehalten von der Universität der Vereinten Nationen (UNU) in Tokio. "Ich gehe davon aus, daß wir bis zur Jahrtausendwende einigermaßen stabile Systeme für Englisch, Japanisch, Französisch, Russisch, Spanisch, Chinesisch und Deutsch haben werden", erklärt Schütz. Nach Einschätzung der Experten soll die Arbeit 2006 komplett abgeschlossen sein: Bis dahin wollen sie Umformungsprogramme für alle 150 Sprachen der UNO-Mitgliedstaaten auf den Markt bringen. Nach Angaben der Tüftler ist UNL die erste elektronische Universalsprache, die nicht erlernt werden muß. Sie dient dazu, Information in einer sprachunabhängigen Form zu kodieren und zu speichern.
UNL ist eine mathematische Sprache, die auf einfachen Gesetzen - ähnlich wie mathematischen Formeln - aufgebaut ist und so vielseitige Informationen darstellen kann.
Mit Hilfe von Kunstworten, auch Universalworte genannt, die aus dem Englischen stammen, werden die Objekte unserer Welt bezeichnet.
UNL übersetzt nicht Wort für Wort, sondern ganze Sätze. Automatisch werden Zusammenhänge erkannt: So drücken zum Beispiel bestimmte Kombinationen zwischen Subjekten und Objekten deren Bezug zueinander aus. Außerdem bezeichnen Attribute zusätzliche Eigenschaften, indem sie die Universalworte näher beschreiben und die Sicht des Autors reflektieren.
Damit UNL funktioniert, sind zwei Software-Programme nötig: Der UNL- Enconverter, auch Analyse-Modul genannt, und der Deconverter, das Synthese-Modul. Diese Sprachgeneratoren können als "Plug-ins" auf allen gängigen WWW-Browsern im Internet installiert werden. Kosten fallen für den User kaum an: "Wir denken da an sogenannte "Shareware" ähnlich wie in der Linux-Gemeinde", so Schütz.
Dennoch ist UNL nicht mit einer klassischen Übersetzung vergleichbar, da nur der Informationsgehalt eines Textes in UNL kodiert wird, nicht aber das Format. Die grammatikalischen Feinheiten einer Übersetzung in einer natürlichen Sprache kann UNL nicht erkennen.
Deshalb eignet sich UNL besonders zum Alltagsgebrauch und für theoretische Texte in Bereichen wie Wissenschaft und Technik. Da freut sich zum Beispiel ein ägyptischer Wissenschaftler, der endlich die Chance hätte, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse international zu veröffentlichen. Shakespeare-Freunde oder Philosophie-Liebhaber werden sich weiterhin mit einer natürlichen Sprache zufrieden geben müssen - da kann das moderne Computeridiom noch nicht mithalten.
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