Künstliche Intelligenz Die Drehbuchmaschine

Screenshot aus dem "Sunspring"-Film
Foto: ars/ YouTubeDas Weltwirtschaftsforum hat Anfang des Jahres vorgerechnet, dass die Digitalisierung in den nächsten vier Jahren wohl fünf Millionen Arbeitsplätze vernichten wird. Zumindest eine Branche dürfte davon verschont bleiben: die der Drehbuchautoren.
Dieser Gedanke drängt sich auf, wenn man "Sunspring" sieht , einen Science-Fiction-Kurzfilm über drei Personen, die scheinbar irgendwo in der Zukunft leben. Das Drehbuch stammt aus der Feder von Benjamin. Benjamin hat keinen Nachnamen. Denn er ist kein Mensch, er ist ein Computerprogramm.
Warum Benjamin keinem menschlichen Autor den Job streitig machen wird, merkt man schnell: "Sunspring" wirkt wie eine Ansammlung kruder Sätze und Regieanweisungen, man erkennt keinen Plot, alles ist verwirrend.
Durch und durch Science Fiction
Dennoch ist das Projekt hinter dem Film interessant. Man könnte sagen, es ist der erste ganzheitliche Science-Fiction Film, denn nicht nur der Inhalt passt zum Genre, sondern auch die Art, wie der Film entstanden ist.
Der Künstler und Informatiker Ross Goodwin und der Regisseur Oscar Sharp sind die Schöpfer von Benjamin. Genau genommen handelt es sich bei dem Algorithmus um ein neuronales Netz, also ein Programm, das die Funktionsweise eines Gehirns nachahmt. Goodwin fütterte es mit Dutzenden Drehbüchern von Science-Fiction-Filmen, darunter Blockbustern wie "Independence Day" und "I Robot", aber auch Fernsehserien wie "Akte X".
Benjamin ermittelte zunächst, welche Abfolgen von Buchstaben häufig vorkommen. So lernte er, Wörter zu formen. Als nächstes folgten Sätze, Dialoge, ganze Absätze und schließlich konnte die Maschine das Schreiben von Drehbüchern imitieren, wie das Portal "Ars Technica" berichtet , das die Onlinepremiere des Films zeigt.
Vier Seiten mit Dialogen und Anweisungen
Als Benjamin bereit war, bewarben Goodwin und Sharp sich bei der "48 Hour Film Challenge" des Science-Fiction-Festivals in London. Dabei müssen Filmemacher innerhalb eines Wochenendes einen Film auf die Beine stellen. Sie bekommen dafür Elemente vorgegeben, die in dem Film vorkommen müssen, zum Beispiel, dass eine der Personen ein Buch aus einem Regal holen soll.
Der Regisseur und der Informatiker ließen Benjamin ein Drehbuch nach diesen Vorgaben schreiben. Heraus kamen vier Seiten mit Dialogen und mit Anweisungen wie "Er nimmt sein Auge aus seinem Mund". Oder: "Er steht in den Sternen und sitzt auf dem Boden" .
Auch wenn diese Sätze ein zusammenhangloses Drehbuch ergeben, machten sich Goodwin und Sharp dann daran, es umzusetzen. Sie produzierten "Sunspring" mit drei Schauspielern. Damit gewannen sie zwar keinen Preis, kamen aber unter die besten Zehn.
Der Mensch schafft die Bedeutung
Goodwin schreibt in einem Artikel, dass das Skript objektiv gesehen keine Bedeutung habe . Das ist für jedoch ihn kein Problem. Er schreibt, dass die Zeilen Shakespeares durch ihre Sprache und die Zeit, in der sie entstanden sind, für die meisten heutigen Leser auch keine Bedeutung hätten.
Sie bekämen jedoch Bedeutung, sobald sie von Schauspielern mit Leben gefüllt würden. Das sei auch bei "Sunspring" der Fall. Und tatsächlich bekommt man beim Sehen des Films den Eindruck einer beklemmenden Dreiecksbeziehung zwischen den Figuren. Dabei steht davon nichts im Drehbuch.
Auch wenn Benjamins Arbeit also eher erratisch wirkt: Es gibt Ansätze, Computern Kreativität beizubringen. Das jüngste Beispiel für diese Bemühung ist Googles Magenta-Projekt . Der Suchmaschinen-Konzern will damit erforschen, ob ein neuronales Netz Musik komponieren kann. Ein erstes Werk gibt es bereits . Ein älteres Projekt, bei dem ebenfalls Computer Musik schreiben sollen, ist Melomics . Auch bei der Malerei gibt es Versuche mit Computern. Der so genannte Painting Fool etwa ist ein Programm, das Gefühle in Bilder übertragen soll. Entwickelt hat ihn Simon Colton, ein britischer Informatiker , der sich explizit mit künstlicher Kreativität auseinandersetzt.
Für "Sunspring"-Regisseur Sharp steht Benjamins Drehbuch für eine Art Durchschnitt der Filme, die Benjamin als Lernmaterialien zur Verfügung standen, sagte er "Ars Technica". Daher fänden sich in dem Film auch Elemente, die typisch für Science-Fiction seien.
Der in "Sunspring" öfter wiederkehrenden Satz "Ich weiß nicht, was das ist" spiegele laut Sharp etwa den Versuch, die Umgebung zu verstehen, wider - ein wiederkehrendes Element in Science-Fiction-Filmen. Er erwische sich nun beim Schreiben selbst dabei, wie er solche Formulierungen in Drehbücher einbaue.