Kunst und Kommerz Wenn Blogger Kasse machen
Jede hippe neue Bewegung gerät über kurz oder lang in die Fangarme des Kommerzes. Der rebellische HipHop ist längst ein Millionengeschäft, Skaterhosen kosten genauso viel wie andere Markenklamotten auch.
Die unvermeidliche Kommerzialisierung hat inzwischen auch in der Blogosphäre Einzug gehalten. In den USA setzen Blognetzwerke angeblich bereits mehrere tausend Dollar pro Tag um. Die Mischung aus Google-Ads und Affiliate-Programmen verspricht mittlerweile Einnahmen, von denen man zwar noch nicht unbedingt leben kann, die aber nicht zu vernachlässigen sind.
Weit verbreitet, weil einfach zu handhaben, sind die Google-Ads - kontextabhängig eingeblendete Werbelinks. In den USA verdienen Blogbetreiber damit eine Hand voll Dollar pro tausend Einblendungen. Damit ist auch klar: Sie lohnen sich erst, wenn hohe Klickzahlen im Spiel sind, was bei vielen Blogs allerdings kaum der Fall ist.
Affiliate-Programme, also Provisionsmodelle von Webshops, hängen weniger vom Traffic als von der Bereitschaft der Blogleser ab, eingeblendete Banner zum Webshopping zu benutzen. Für den Website-Betreiber fallen einige Prozente vom Kaufpreis ab, den der Einkäufer entrichtet.
Mit dem Boom der Online-Werbung, der im vergangenen Jahr eingesetzt hat, wurden plötzlich auch Blogs interessant für Vermarkter - insbesondere jene mit hohen Zugriffszahlen. Das deutsche Blog Industrial Technology & Witchcraft gründete im Mai 2005 eigens einen kommerziellen Ableger namens Mac-Essentials , um die neue Einnahmemöglichkeiten nutzen zu können.
"Es lässt sich sehr gut an"
Unter Bloggern war der Schritt hin zum Kommerz durchaus umstritten. "Es gab große Diskussionen in der Blogosphäre, ob sich das mit dem Selbstverständnis der Blogger vereinbaren lässt", sagt Manfred Heinze von Mac-Essentials im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Mit den Einnahmen ist Heinze zufrieden. "Ich kann sagen, es lässt sich sehr gut an."
Hinter Mac-Essentials stehen vier Autoren, die jeden Tag mehrere Meldungen zu Apple-Themen schreiben. Die genaue Höhe der Einnahmen will Heinze nicht nennen. Auf jeden Fall haben alle Blogautoren aber noch ihre eigenen Berufe, betont er.
Um den ersten Werbekunden musste sich Heinze gar nicht bemühen - er klopfte von selbst bei ihm an: ein PC-Hardware-Versender. "Es gibt Affiliate-Kooperationen mit Webstores, es gibt Anfragen und Aufträge von Firmen zum Betrieb eines Weblogs", erzählt Heinze. Es gebe auch Organisationen, die den Mac-Essentials-Podcast gut fänden und das Team mit der Produktion ihres Podcasts beauftragten.
Der Berliner Blog Spreeblick hat ebenfalls längst den Schritt in die Geschäftswelt vollzogen. "Wir verdienen ein paar hundert Euro mit Google-Ads und auch etwas durch Affiliate-Programme", sagt der Betreiber Johnny Haeusler im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Es lohnt sich schon, auch wenn es derzeit noch nicht so viel bringt."
Ad-Server für Blog?
Für Furore sorgte Haeuslers Blog einst mit einer Satire über den Klingeltonanbieter Jamba, dessen Geschäftsmodell er im Stile der "Sendung mit der Maus" erklärte. Mittlerweile zählt Spreeblick nach Haeuslers Angaben rund zehntausend Klicks pro Tag. Zum Spreeblickverlag gehören noch sieben weitere Blogs, die weiter unter ihren eigenen Namen und Domains laufen.
Spreeblick soll künftig nach Haeuslers Vorstellungen genauso vermarktet werden wie klassische Nachrichtenseiten. "Wir werden in Zukunft auf klassische Page-Impressions-Modelle gehen und einen Ad-Server aufsetzen."
"Viel schöner" findet es Haeusler jedoch, für eine gewisse Zeit einen Sponsor zu haben. So wie Ende 2005 die Toten Hosen, die ein Video exklusiv auf Spreeblick zum Download ins Netz stellten - vor Veröffentlichung ihrer DVD.
Haeusler bedauert, dass Werbung in deutschen Blogs so kritisch gesehen wird. "In den USA gibt es da weniger Berührungsängste. Die Leute sagen, ich kaufe meine CDs bei diesem bestimmten Blogger, weil ich ihn schätze."
Blogvermarkter gesucht
Gutes Geld verdienen mit gut gemachten Blogs - daran glauben sowohl Haeusler als auch Heinze. "Ich rechne damit, dass sich unser Projekt in zwei Jahren trägt", sagt Heinze. Spreeblick-Macher Haeusler ist sogar noch optimistischer: "Ich denke, dass wir in einem halben Jahr gut dastehen. Wir brauchen ja keine Riesensummen."
In der Blogosphäre werde sogar darüber diskutiert, eine eigene Vermarktungsagentur für Blogs aufzubauen, sagt Heinze, weil klassische Vermarkter sich schwer täten mit "den besonderen Gegebenheiten der Blogosphäre".
Harold Davis, amerikanischer Experte für Online-Werbung, hat gerade ein neues Buch zu dem Thema Vermarktung verfasst ("Google Advertising Tools"). Davis hält gute Inhalte für das A und O eines erfolgreichen Blogs.
Der mögliche kommerzielle Erfolg eines Blogs hängt natürlich auch von seinen Inhalten ab. "Brandneue Technologien sind immer ein gutes Thema", sagte er in einem Interview mit "Wired" . Menschen wollten immer wissen, welches neue Gadget sie haben müssten. Rechtsthemen könnten ebenfalls interessant sein. Für vernachlässigt hält Davis außerdem Finanzthemen.
Für Spreeblogger Haeusler kommt ein derartiges Herangehen jedoch nicht in Frage: "Klar könnte ich über Kontaktlinsen schreiben." Aber man müsse sich mit den Themen schon identifizieren. Ohne Ethos geht es für ihn nicht.