
Kurzfilm "R'ha": Wie ein Science-Fiction-Hit entsteht
Kurzfilm "R'ha" Wie ein Science-Fiction-Hit entsteht
Von Gammelshausen nach Kalifornien, ein Drittsemester als Hollywood-Hoffnung: Sollte klappen, was sich Kaleb Lechowski erhofft, schreiben sich die Schlagzeilen wie von selbst. Anfang Februar will der Student in die USA reisen, in Los Angeles seinen Kurzfilm "R'ha" präsentieren - und vor allem erzählen, was auf dieser Basis alles noch möglich ist. Es hätten sich Interessenten für ein Kinoprojekt gemeldet, habe ihm sein in Beverly Hills arbeitender Vermarkter gesagt, erzählt Lechowski. Gerade bereitet er sich auf den Pitch vor, der sich auf sein Studium auswirken könnte. "Die Chance, nach Hollywood zu gehen, wäre es schon wert, das aufzugeben", sagt Lechowski.
Kaleb Lechowski, 22, kommt aus Gammelshausen in der Nähe von Stuttgart. In Berlin studiert er Digital Film Design, im Web ist er dank "R'ha" gerade zu einer kleinen Berühmtheit geworden. Allein auf der Plattform Vimeo.com wurde sein Kurzfilm über Aliens und Maschinen innerhalb weniger Tage eine Million Mal angesehen, per Blog und Facebook meldeten sich begeisterte Zuschauer. Und sogar bekannte US-Blogs schwärmen vom Web-Hit made in Germany. "Science-Fiction-Filme zählen zu den Filmen, die für Hollywood am teuersten sind und am schwierigsten zu produzieren", schreibt etwa Mashable . "Man braucht ein großes Budget und viele Mitarbeiter. Es sei denn, man ist Kaleb Lechowski."
Ein Hauch von "Mass Effect"
"R'ha" sieht ein bisschen so aus wie das Spiel "Mass Effect" oder die Science-Fiction-Serie "Firefly". Und doch spielt der knapp sechseinhalb Minuten dauernde Clip in einem eigenen Universum, Menschen gibt es dort anscheinend keine. Stattdessen verhört ein Roboter ein Alien, inklusive Folter und unerwarteter Schlusswendung. Noch mehr überrascht aber, wie "R'ha" entstanden ist: Vom Synchronisieren und dem Sound abgesehen, hat Lechowski den Film allein produziert, als Hochschulprojekt im zweiten Semester. Er konzipierte das Universum, zeichnete das Storyboard, animierte die Charaktere. Ein Mann, ein Film.
Rechtzeitig zur Abgabe am Semesterende wurde "R'ha" zwar nicht fertig, Lechowski arbeitete mehrere Wochen weiter. Doch diese Extrazeit hat sich wohl gelohnt: Sein erstes wirklich vollendetes Animationsprojekt - mit Ausnahme eines Clips über ein Audi-Modell - entwickelte sich zum Online-Erfolg. Außer Lob aus aller Welt erreichen den Studenten derzeit vor allem Fragen zu seiner Arbeitsweise. Fünf davon werden hier beantwortet.
Wie lang hat es gedauert, "R'ha" zu produzieren?
Inklusive der Extrazeit, die er sich für sein Hochschulprojekt nahm, hat Lechowski sieben Monate an "R'ha" gearbeitet. Rund zwei Monate investierte er jeweils in die Story und die Ausgestaltung der Charaktere. Am aufwendigsten war das Alien, ihm baute Lechowski in der Phase des sogenannten Rigging ein virtuelles Skelett, mit dem er die Figur beweglich machte. "Das läuft wie beim Stop-Motion-Trickfilm, wo die Puppen ebenfalls eine Art Skelett haben", erläutert Lechowski. "Der Computer weiß von sich aus ja nicht, wo beim Alien die Gelenke sitzen oder wie seine Mimik aussehen soll."
Mit welcher Software macht man einen Animationsfilm?
Für den Großteil seiner Arbeit nutzte Lechowski Maya , eine professionelle Software für 3-D-Animation. Zum Modellieren verwendete er zusätzlich das Open-Source-Programm Blender , vor allem aus Komfortgründen, er kennt dessen Tastenkombinationen auswendig. Um die Figuren detailreich zu gestalten, setzte Lechowski noch auf die Software ZBrush : "Darin kann man sein Modell fast wie Ton bearbeiten, mit einem Pinsel daran herumschmieren, es verformen", sagt er. "Das hilft vor allem bei feinen Strukturen."
Zum Übereinanderlegen einzelner Bildelemente, etwa einer Explosion und einer futuristischen Stadt, nutzte der Student After Effects . Mit einem fünften Programm, Nuke , brachte Lechowski Tiefen- und Bewegungsunschärfe in seine Bilder. Die Grundlage für alles, was in den Programmen passierte, bildete ein Storyboard, in dem Lechowski jeden einzelnen Shot skizziert hatte. "Das macht das Erzählen im 3-D-Raum leichter", sagt er.
Wie kreiert man natürlich wirkende Charaktere?
Lechowski sagt, dass ihm seine Skizzen die Arbeit erleichtert haben. "Ich schreibe mir vorher zum Beispiel nicht auf, dass das Alien vier Arme hat", sagt er. "Ich zeichne es einfach." Wie realistisch die Bewegungen aussehen, hänge später vor allem vom virtuellen Skelett ab, von der "organischen Deformation": "Die Alien-Bewegungen wirken natürlich, weil ich 300 virtuelle Muskelobjekte verwendet habe", sagt Lechowski. "Der Roboter hat dagegen nur circa zwölf Teile, die unterschiedlich bewegt werden können." Modellieren im echten Leben hält Lechowski für ein gutes Training: "Man sollte sich aber nicht verrückt machen, wenn das nicht klappt."
Wie schafft man es, Szenen so episch wirken zu lassen?
Der Blick auf eine futuristisch anmutende Stadt zählt zu den beeindruckendsten Szenen von "R'ha". Lechowski sagt dazu, es sei entscheidend, Tiefe und Größe zu suggerieren. Das Stadtbild profitiere von der Staffelung, mit dreidimensionalen Häusern, "meistens verwendet man sonst Bilder". "Ich habe eine Häusergruppe modelliert, diese dann dupliziert und so verändert, dass sie nicht immer gleich aussieht. Hervorgehoben habe ich prägnante Punkte, wie die vielen Türme im Hintergrund und den großen Turm, der der Blickfang ist. Wichtig ist außerdem, dass der Distanznebel überzeugt und der Himmel interessant aussieht."
Und wie merkt man, ob die Story gut ist?
Im Lauf der sieben Monate hat Lechowski seine Story mehrmals überarbeitet. Zudem präsentierte er "R'ha" bereits in Rohfassungen. "Ich kenne drei Menschen, die ein besonders gutes Gefühl für so etwas haben, gute Ideen", sagt er. "Mit denen habe ich über den Film gesprochen. Man verliert irgendwann den Bezug dazu, ob ein Video so gut funktioniert wie geplant. Man selbst kennt die Story und wird betriebsblind. Und besonders beim Kurzfilm muss man aufpassen, dass man sich nicht in großen, langen Ideen verliert."