Lan-Partys Siegeszug der Selbstbefruchter
Wo Computermonitore gespenstisches Halblicht verbreiten, ist Michael Wegner, 22, zu Hause. Im Ruhrgebiet, dem Epizentrum der deutschen Lan-Szene, baute der Bochumer mit Freunden das Internet-Portal PlanetLAN auf. Die Zugriffszahlen schossen binnen kurzem durch die Decke, die Werbeeinnahmen sprudelten. Doch der Geldstrom versiegte abrupt mit der Krise des neuen Markts, PlanetLAN drohte der Untergang. "Wir mussten uns neu aufstellen", sagt Wegner.
Zu Hilfe kam Wegner die Tatsache, dass sich die Halbleiterindustrie mit ihrem Innovationshunger in ein Dilemma manövriert hat. Internet, Office und Co. laufen problemlos auch auf Systemen, die vor zwei Jahren auf den Markt kamen. Aktuelle Prozessoren mit Taktraten von knapp zwei Gigahertz und die dazu passenden Grafikkarten sind mit solchen Anwendungen hoffnungslos unterfordert. Das Resultat: Die Halbwertszeit von Computersystemen steigt, die Hersteller stehen vor Absatzproblemen. Ego-Shooter, Flugsimulationen, Actionspiele - nur aufwendige 3D-Anwendungen können die heutigen Hardware-Leistungsmonster noch an ihre Grenzen treiben. Und die Fangemeinde wächst. Mittlerweile steigen bundesweit rund 200 Lan-Partys monatlich, bei den größten verkabeln mehr als tausend Spieler ihre Rechner zu lokalen Netzwerken. Nicht wenige von denen, die ganze Wochenenden um sich ballernd in düsteren Turnhallen verbringen, würden für den schnellsten Grafikchip mindestens ein Gliedmaß hergeben.
In dem Biotop aus übernächtigten Jünglingen und Schmatzriegel-Verpackungen wittert die Hardware-Industrie das große Geschäft. Allein Intel gab nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr rund 275.000 Euro für Werbung auf Lan-Partys aus. Der Aachener Grafikkarten- und Modemhersteller Elsa engagierte sich ebenfalls mit einer sechsstelligen Summe.
Hilfe für verwirrte Sponsoren
Die explodierende Zahl der Netzwerkpartys aber wurde für die Sponsoren schnell zur immensen Belastung, die Auswahl der Werbe-Partys zur Sisyphusarbeit. Damit schlug die Stunde von GoingLan. "Wir kennen uns in der Szene bestens aus und wissen, wo man welches Produkt perfekt platzieren kann", sagt Wegner. Der Industrie scheint das zu schmecken. Die Elsa AG etwa legte ihr gesamtes Jahresbudget für Lan-Partys in die Hände der Bochumer Firma.
Die aber wollte noch mehr. Und wenn das Angebot - in diesem Fall die Budgets der Sponsoren - nicht steigt, muss eben die Nachfrage größer werden. Also gingen Wegner und Co. daran, genau dafür zu sorgen - und gründeten die Worldwide Championship of Lan Gaming, kurz WWCL. Damit schließt sich der Kreis der brancheninternen Selbstbefruchtung: Die Liga lobt die Partys aus, das Internetmagazin "PlanetLAN" kündigt sie an, und GoingLAN sorgt für die Sponsorengelder. "Es passiert nicht selten", grinst Wegner, "dass jemand ein Turnier veranstalten will, an GoingLAN herantritt und stolz erzählt, er habe WWCL-Support."
WWCL: Liga für Hobby-Zocker
Die WWCL ist laut Wegner die weltweit erste Lan-Party-Liga, die für jedermann offen ist und nicht aus handverlesenen Profis besteht. Im Juli vergangenen Jahres gestartet, sind nach Angaben der Bochumer Firma bereits 22.000 Spieler dabei. Das erste Saisonfinale der WWCL stieg am vergangenen Wochenende in Rheinberg. Rund 2000 Teilnehmer ballerten drei Tage lang aufeinander ein und benutzten dabei Ausrüstung im Wert von fünf Millionen Euro.
Wegner will im Endeffekt nicht weniger, als der Bernie Ecclestone des deutschen "E-Sports" zu werden. Denn mittlerweile gibt es Deutschland Profi-Spielergruppen, die eigene "Trainingsstudios" besitzen und Jahresumsätze von über 50.000 Euro einfahren. Vorbild dieser Clans ist Korea: "Da verdienen einzelne E-Sportler im Schnitt 30.000 Euro brutto im Jahr", sagt Wegner. Spitzenkräfte, die in Korea über Volkshelden-Status verfügten, könnten sich gar über Jahreseinkommen von 50.000 Euro freuen.
Solche Summen sind für die WWCL-Hobbyspieler noch utopisch, doch gänzlich leer müssen auch sie nicht ausgehen. Rund 100.000 Euro an Geld- und Sachpreisen wurden auf den Partys der vergangenen Saison ausgeschüttet. Wegner sieht die deutsche Szene schon auf dem besten Weg zu koreanischen Verhältnissen und für seine Firma den Rubel rollen. "Vor 30 Jahren", meint Wegner, "hätte man jeden, der die heutigen Gehälter von Fußballern oder Formel-1-Stars vorausgesagt hätte, für bekloppt erklärt."