Microsoft am Pranger MSN zensierte chinesischen Blogger
Das Internet, unendlicher Raum unzensierter Informationen und grenzenloser Kommunikation? Theoretisch könnte das so sein - theoretisch.
Praktisch sieht es zum Beispiel so aus, dass Unternehmen, die in China ihre Geschäfte machen wollen, sich an die dortigen Gesetze halten müssen. Sagt nun Microsoft und will damit erklären, warum es auf Verlangen der chinesischen Regierung ein regierungskritisches Blog aus dem MSN-Angebot streichen ließ - ein klarer Akt der Zensur.
Es ist dabei nicht das erste Mal, dass MSN in dieser Hinsicht auffällig wurde. Im letzten Sommer sorgte die Tatsache, dass MSN in seinem chinesischen Blog-Angebot automatisch Worte wie "Demokratie" oder "Menschenrechte" ausfiltern lässt, für einiges Stirnrunzeln. Die Empörung darüber wurde verdrängt durch den größeren Skandal um die Verhaftung eines chinesischen Dissidenten, zu dessen Überführung Yahoo einen aktiven Beitrag geleistet haben soll.
Jetzt steht Microsofts Onlinedienst erneut am Pranger und hat keine besseren Argumente, als dass ein Unternehmen chinesischen Begehren halt gehorchen müsse, wenn es im Reich der Mitte seine Geschäfte machen wolle. Kritiker weisen darauf hin, dass sich MSN so zum Werkzeug im Rahmen einer allgemeinen Einschränkung der Pressefreiheit in China machen lasse, die von den Machthabern dort seit einiger Zeit forciert werde.
In China selbst sorgt die dortige Regierung mit ihrem Netz ausschließlich staatlicher Provider und mit der scharfen Kontrolle örtlicher Firmen für regierungskonforme Töne im Netz. MSNs Zugeständnis, auf Verlangen der chinesischen Regierung Inhalte zu zensieren, sorgt für besondere Irritation, weil das Unternehmen zu diesem Schritt nicht hätte gezwungen werden können: Die Server von MSN, auf denen die Blogs gespeichert sind, stehen in den USA.
Und mehr noch: Das zensierte Blog ist kein "politisches", dass sich mit offener Kritik gegen Peking wendete. Zhao Yan ist ein populärer Blogger und Journalist, der seit 2003 für die "New York Times" arbeitet. Sein eher "privat" gefärbtes Blog verschob er von einem chinesischen Anbieter zu MSN, um die Zensur zu umgehen. Ende Dezember schrieb er in einem Artikel über anstehende Kündigungen bei einer chinesischen Tageszeitung. Dieser "Geheimnisverrat" führte zur Anfrage Pekings an MSN, das Blog doch bitte schön zu löschen.
MSN kam der freundlichen Bitte offenbar ohne viel Nachfragen nach.