
Skype: Telefon trifft Internet
Milliarden-Übernahme Warum sich Skype für Microsoft rechnen kann
Hamburg - Für Microsoft ist es der teuerste Zukauf in der Unternehmensgeschichte: Der Softwareriese übernimmt den Internettelefonie-Anbieter Skype für 8,5 Milliarden Dollar - das teilte Microsoft am Dienstagnachmittag mit.
Der Konzern aus Redmond erhält ein Unternehmen, das den Nutzern im Grunde immer noch dasselbe bietet wie im Jahr 2003. Damals versprach Skype Internettelefonie, "die einfach funktioniert". Skype-Nutzer konnten kostenlos miteinander chatten und sprechen, es mussten nur beide Gesprächspartner die Skype-Software auf ihren Rechnern haben. Mitgründer Janus Friis lästerte über die Telekom-Firmen: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand etwas dagegen hat, zeitlich unbegrenzt kostenlose Gespräche zu führen. Außer den Telcos." Gemeint sind die herkömmlichen Telekommunikationsfirmen mit ihren Minutenpreisen.
Seither hat Skype zweimal den Besitzer gewechselt: 2005 bezahlte Ebay den Gründern 2,6 Milliarden Dollar, 2009 erwarb eine Investorengruppe für 1,9 Milliarden Dollar 65 Prozent der Skype-Anteile. Die Frage ist: Warum ist Skype den Käufern heute so viel mehr wert als im Jahr 2009?
Technisch hat sich das Skype-Angebot ein wenig weiterentwickelt: Inzwischen kann man seine Gesprächspartner nicht nur lesen oder hören, sondern auch sehen. Die wichtigsten kostenlosen und kostenpflichtigen Angebote:
- Videotelefonie zwischen zwei Skype-Nutzern ist kostenlos, Chats und Sprachverbindungen auch - im Gruppenchat kann man mit bis zu 100 Mitgliedern per Text kommunizieren.
- Es lassen sich auch mit bis zu neun Skype-Mitgliedern Videokonferenzen führen, dann muss aber mindestens einer der Teilnehmer ein kostenpflichtiges Premium-Konto nutzen. Ein Monatsabo kostet 5,99 Euro.
- Mit einem Skype-Konto kann man auch Festnetz-Anschlüsse und Mobilnummern anrufen oder von dort aus angerufen werden. Die eigene Skype-Telefonnummer kostet extra, ebenso Anrufe ins Fest- und Mobilnetz. Skype rechnet nach Minuten ab, man kann aber auch Flatrate-Tarife dazubuchen - unbegrenzte Anrufe zu europäischen Festnetznummern kosten zum Beispiel 8,99 Euro im Monat.
Telekom-Firmen blockieren Skypes Universalangebot
All diese Angebote entsprechen immer noch der Ausrichtung, die Skype-Mitgründer Niklas Zennström schon 2005 in einem Gespräch mit SPIEGEL ONLINE vorgab: "Der gesamte Telefonverkehr wandert nach und nach ins Internet", prophezeite er. Diese Entwicklung wollte Zennström so ausnutzen: "Unsere Vision ist es, Skype allgegenwärtig zu machen. Die Menschen sollen es nutzen können, unabhängig davon, wo sie sind, unabhängig davon, ob sie vor einem Computer sitzen."
Da ist Skype heute schon ziemlich weit: Es gibt Skype-Software für Windows-, Mac- und Linux-Rechner, für iPhones, Android-Telefone, Blackberrys und sogar für einige Fernseher von Panasonic und Samsung. Allerdings ist Skype heute noch immer weit entfernt davon, ein universeller Ersatz für herkömmliche Telekom-Dienstleister zu sein.
Das verhindern die Telekommunikationskonzerne, viele Mobilfunkanbieter sperren zum Beispiel die Übertragung von Internettelefonie im Rahmen ihrer Datenflatrates für Smartphones. Will man etwa im Netz von T-Mobile über Skype telefonieren, muss man das bei T-Mobile dazubuchen. Für 9,95 Euro im Monat schaltet der Anbieter bei bestimmten Tarifen die Skype-Datenübertragung frei.
97 Dollar Jahresumsatz je Premium-Kunde
Angesichts dieser Probleme dürfte die Universal-Telefonietechnik von Skype allein nicht acht Milliarden Euro wert sein. Diese Widerstände könnten auch erklären, warum Skype mit seinem Bezahlangebot noch nicht so recht erfolgreich ist. Unterlagen, die Skype für einen möglichen Börsengang im März bei der US-Wertpapieraufsicht SEC einreichte, geben einen Einblick in die Nutzungszahlen:
- Ende 2010 hatte Skype weltweit 663 Millionen registrierte Nutzer.
- 145 Millionen dieser Nutzer verwendeten Ende 2010 mindestens einmal im Monat das Angebot.
- 8,8 Millionen Nutzer zahlten Ende 2010 für kostenpflichtige Skype-Angebote. Der durchschnittliche Jahresumsatz für jeden dieser zahlenden Kunden lag 2010 bei 97 Dollar.
Die Zahlen zeigen: Die Internettelefonie-Revolution kommt nicht ganz so schnell voran, wie die Skype-Gründer sich das einst erhofften. Gerade einmal sechs Prozent der Skype-Kunden zahlen für die Universal-Angebote. Der Durchschnittsumsatz je zahlender Nutzer ist, verglichen mit dem von Mobilfunkanbietern, allerdings erstaunlich hoch. Zum Vergleich: Vodafone Deutschland nahm im Geschäftsjahr 2010 im Durchschnitt 16,10 Euro je Nutzer ein, O2 14,80 Euro - monatlich. Umgerechnet auf Jahr und Dollar verdient Skype 67 Euro je Nutzer, O2 in Deutschland hingegen 177,60 Euro - das ist nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass Skype noch immer ein Zusatzangebot ist, bei dem man noch die Internetanbindung daheim und unterwegs zusätzlich bezahlen muss.
Zudem sind die zahlenden Skype-Kunden dem Dienst sehr treu. In den bei der SEC eingereichten Unterlagen findet sich auch eine Grafik , die zeigt wie sich die monatlichen Ausgaben von Skype-Bezahlkunden über die Jahre hinweg entwickeln. Wer 2006 schon für Skype bezahlt hat, gab im Dezember 2010 demnach mit hoher Wahrscheinlichkeit fast ebensoviel für Skype-Dienste aus wie im Dezember 2006.
Skype braucht Firmenkunden
Skypes Problem ist eher der geringe Anteil zahlender Nutzer überhaupt. Hier könnte Microsoft Skype weiterentwickeln. Ein Ansatzpunkt sind Geschäftskunden. Skype ist zwar bei vielen Systemadministratoren verpönt, weil die Software wenig transparent mit der Nutzung von Netzwerkverbindungen umgeht. Allerdings arbeitet Skype seit 2010 daran, sein Image hier zu verbessern. Skype bietet eine Unternehmensversion seiner Software an, kooperiert mit IT-Dienstleistern wie Avaya bei der Integration der Software in Firmennetzwerke. Mit der Software Skype Connect lässt sich das Angebot in bestehende Telefonanlagen integrieren.
Diese Bemühungen, zahlende Unternehmenskunden zu gewinnen, könnten von Microsofts Vertriebsmacht in dem Sektor und der Integration in andere Microsoft-Angebote für Firmen profitieren. Hier könnte Skype auch den Apple-Effekt nutzen: Wenn Menschen im privaten Umfeld eine Technik gerne einsetzen, hilft das oft bei der Durchsetzung des Angebots in Unternehmen. So war das zum Beispiel auch beim iPhone, das zunächst als reines Consumer-Produkt galt, sich seither aber mehr und mehr auch in Unternehmen durchsetzt.
Aber auch im Privatkundengeschäft könnte Microsoft die Verbreitung von Skype vorantreiben. Microsofts Konsole Xbox 360 mit der Erweiterung Kinect ist ein Verkaufsschlager. Zu der Erweiterung Kinect gehört auch eine Kamera und ein 3-D-Mikrofon. Mit anderen Worten: Wer eine Xbox mit Kinect-Steuerung an seinen Fernseher angeschlossen hat, besitzt bereits die nötige Hardware für Skype-Anrufe. Und viele Xbox-Kunden sind bereits ans Bezahlen für Xbox-Zusatzangebote gewöhnt.
Der Skype-Kauf passt gut zu Microsofts bisherigem Gebaren im Netz: Für jede erdenkliche Anwendung gibt es gefühlt mindestens zwei Microsoft-Dienste mit unterschiedlichen Namen. Einen davon namens Windows Live Call hat Microsoft im Juni 2010 eingestellt - mit dem Service konnten Messenger-Nutzer gegen Gebühr ins herkömmliche Telefonnetz telefonieren, sogar spezielle Telefone wurden dafür verkauft. Eine Minute von Deutschland in die USA kostete beispielsweise 2,2 Cent. Dann wechselte Microsoft die Technik, neue Messenger-Versionen verstehen das VoIP-Protokoll nicht mehr.
Das 2006 gestartete Angebot glich in vielen Details Skype - nun kauft Microsoft das Vorbild.