Musikindustrie gegen Heise Heise geht vor das Bundesverfassungsgericht
Ende Juli endete die letzte Runde im seit Januar laufenden juristischen Streit zwischen acht führenden Unternehmen der Musikindustrie und dem Heise Verlag mit einem Patt: Das OLG München urteilte wie von den klagenden Musikunternehmen eingefordert, dass Heise nicht das Recht habe, auf eine Webseite zu verlinken, über die ein in Deutschland illegales Programm vertrieben wird. Berichten dürfe der Verlag dagegen durchaus über den Hersteller und sein Produkt.
Das reicht Heise jedoch nicht. Das Urteil schränke die in Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Freiheit der Presse unzulässig ein, heißt es in einer Meldung, die Heise am Donnerstagmorgen in eigener Sache veröffentlichte . Der Verlag legt deshalb Beschwerde beim Verfassungsgericht in Karlsruhe ein.
Der Verlag will sich dem Urteil des OLG München nicht anschließen, das in der direkten Verlinkung des Unternehmens, über das berichtet wurde, einen "zusätzlichen Service" entdeckte, der in diesem konkreten Fall "willentlich und adäquat-kausal" den Verstoß der Softwarefirma Slysoft gegen den Paragrafen 95a UrhG unterstütze.
Während Vertreter der Musikindustrie darin die Bestätigung sehen, dass die direkte Verlinkung also eine Form der Beihilfe beim Vertrieb eines in Deutschland nicht legalen Produktes darstellt (wie auch das Landgericht München in der vorletzten Instanz des Streits formuliert hatte), sieht der Verlag Heise in einem Link nicht mehr als einen medientypischen, unerlässlichen Bestandteil des Online-Journalismus.
"c't"-Chefredakteur Christian Persson in der Heise-Meldung: "Hyperlinks sind essenziell für Texte im WWW und deren eigentlicher Mehrwert gegenüber Artikeln in Zeitschriften."
Die Pressefreiheit, argumentiert er, werde erheblich eingeschränkt, wenn nun Redakteure in jedem Einzelfall genau prüfen müssten, ob verlinkte fremde Inhalte die Rechte irgendeines Dritten verletzen könnten. Die Folge werde sein, dass die Qualität der Online-Berichterstattung sinke, weil weniger Links gesetzt würden.
Künftig "Angst vor Links"?
Tatsächlich verhindert das Urteil des OLG München ja nicht, dass Web-Nutzer die Webseite des betreffenden Herstellers ansurfen können: Die Eingabe des Firmen- oder Programmnamens bei einer beliebigen Suchmaschine führt ihn ebenfalls dorthin. Behindert wird also nicht der generelle Zugang zu der betreffenden Webseite, sondern nur die Arbeit der darüber berichtenden Medien.
Das Urteil geht noch nicht einmal so weit, eine prinzipielle Regelung zu definieren, die den Medien in ihrer Arbeit - wie auch immer - Sicherheit geben würde. Die Gefährdung der Pressefreiheit sieht Persson richtigerweise genau darin, und damit steht er nicht allein: "Inhalt einer Abmahnung ist zunächst nur die Behauptung, dass ein Rechtsverstoß vorliegt", argumentierten Mitte August Till Kreutzer und Matthias Spielkamp in "epd Medien". "Kommt aber ein Autor oder Pressedienstbetreiber den Forderungen, etwa den Link - oder sogar den gesamten Artikel - zu löschen, nicht nach, riskiert er einen Rechtsstreit. Und der kann sehr teuer werden."
Für den Arbeitsalltag online arbeitender Journalisten - aber auch Blogger, Homepagebetreiber etc. - hat das erhebliche Konsequenzen. Kreutzer und Spielkamp: "Aber wie sollen Journalisten und Verlage erkennen, dass ein Produkt gegen Gesetze verstößt? Muss in Zweifelsfällen jedes Mal Rechtsbeistand eingeholt werden?"
Billiger und sicherer wäre da der Verzicht auf Links. Das aber, argumentiert "c't"-Chef Persson, werde die Qualität des Onlinejournalismus nachhaltig beeinträchtigen.
Der Verlag hat noch bis zum 12. September Zeit, seine Verfassungsbeschwerde einzureichen. Ob es dann zu einer Verhandlung vor dem Verfassungsgericht kommt, hängt von der Prüfung der Klage durch das Gericht ab.
Frank Patalong